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Alltagsgeschichte des Mittelalters

III. 2.3. Die Rüstung

Gegen diese Waffen boten das Lederwams und das Kettenhemd bald keinen ausreichenden Schutz mehr. Im 14./15. Jh. wurde der Plattenpanzer oder Harnisch, der den gesamten Körper mit Eisenplatten versah, bei den Rittern immer gefragter. Angefertigt wurde diese Schutzkleidung, wie bereits im II. Kapitel erwähnt, vom Waffenschmied. In seinem Plattenpanzer, der bis zu 46 kg wiegen konnte, durfte sich der Ritter zwar vor feindlichen Angriffen geschützt fühlen, aber es gab auch viele Nachteile. So geriet man während des Kampfes schnell ins Schwitzen, beim Anlegen und beim Ablegen der Rüstung brauchte man mindestens zwei Helfer, und wegen ihres enormen Gewichtes kam man zu Fuß nur langsam vorwärts. Außerdem wurde die Sicht durch die Topfhelme so eingeengt, daß man nicht wußte, wohin man trat. Fiel man zu Boden, kam man ohne fremde Hilfe nicht wieder hoch!

Wegen all dieser genannten Schwierigkeiten gab es im Zeitalter der Ritterheere auch kaum größere Schlachten. Und als die Ritter im 14. Jh. auf leichter ausgerüstete Truppen – z.B. die englischen Bogenschützen – trafen, wurde ihnen schließlich auf Grund ihrer relativen Unflexibilität und Hilflosigkeit eine Niederlage nach der anderen beigebracht.

Wenn wir heute die mittelalterlichen Rüstungen in Museen bestaunen, fällt neben dem Gewicht besonders die Größe auf. Es gibt kaum Plattenpanzer, die die Größe von 1,60 - 1,65 m überschreiten. Die Menschen damals waren im Durchschnitt kleiner als wir.

Die Entwicklung der europäischen Rüstung von 650 bis 1675
Abb. 36: Die Entwicklung der europäischen Rüstung von 650 bis 1675 (unter den Figuren steht der Zeitraum, in dem die Rüstung getragen wurde) [große Abb.]
Die Bezeichnungen der einzelnen Teile einer Ritterrüstung
Abb. 37: Die Bezeichnungen der einzelnen Teile einer Ritterrüstung (in Englisch, Französisch, Deutsch, Italienisch und Spanisch) [große Abb.]

Helmut Wurm führt dieses Phänomen auf eine mangelhafte Ernährungsweise, auf schwere körperliche Arbeiten, auf die ungesunden Lebensbedingungen in den mittelalterlichen Städten und bei den Rittern auf die schweren Rüstungen zurück! (Abb. 36 und Abb. 37)

P.S.: Wenn Ihnen, liebe Leser und Leserinnen, jemand das Märchen erzählt, dass Ritter mit ihren bis zu 46 kg schweren Rüstungen aufs Pferd springen und sogar Purzelbäume schlagen konnten, dann lassen Sie sich bitte durch solch einen Unsinn nicht verwirren. Wer solch unqualifizierten Kommentar gibt, der kann nicht einmal zwischen Rittern und Söldnern unterscheiden. Er hat also nicht die allergeringste Ahnung, was der Unterschied zwischen diesen beiden Formen von Kriegern ist. Die Söldner, wohltrainierte Leute aus dem Bauernstand und aus dem niederen Adel, erhielten leichtere Schutzkleidung, damit sie beim Kämpfen die Flexibilität behielten. Sie waren dadurch weniger geschützt und hatten eher damit zu rechnen, auf dem Schlachtfeld zu sterben. Aber sie konnten, wenn sie richtig durchtrainiert waren, in der Tat in ihren leichteren Rüstungen Purzelbäume schlagen! Wenn Sie Ihr Wissen aus den Büchern von Gerry Embleton gewonnen haben, dann sind Sie sehr gut über die Rüstungen der Söldner, kaum aber über die der Ritter informiert. Zu diesem Thema noch folgender Kommentar von den Fachleuten bezüglich der Mode im Mittelalter, Francoise Piponnier und Perrine Mane: "The use of rigid metal plates to protect certain parts of the body led eventually to the creation of whole suits of articulated metal plates known as plain harness; these all-in-one armoured garments had to be made to measure by very skilled armourers. Because of their high cost they were accessible only to the wealthiest princes and knights. The protection they offered, however, was gained at the expense of agility. The big battles of the Hundred Years War demonstrated the vulnerability of a cavalry clothed in such heavy armour." (in: Francoise Piponnier and Perrine Mane: Dress in the Middle Ages. New Haven and London 1997, p. 62)


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