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Alltagsgeschichte des Mittelalters

V. 1.6. Die Ehen der Bürger

In den Städten war das Eheklima etwas angenehmer als in den Adelsschichten.

Die Privilegien Kaiser Heinrichs V. für Speyer aus dem Jahre 1111 und für Worms aus dem Jahre 1114 und die Auslegungen und Bestätigungen Friedrich Barbarossas von 1182 und 1184 garantierten für die gesamte Stadtbewohnerschaft die freie Wahl des Ehepartners und freies Besitz- und Erbrecht in männlicher wie weiblicher Linie. Die Eheleute waren standes- und erbrechtlich gleichgestellt. Der mindergeborene Ehegatte – ob Mann oder Frau – hatte im Rahmen der Bürgerfreiheit die Rechtsstellung des freien Ehegatten. Heirat machte frei in der Stadtluft!

Das hört sich sehr nach Gleichberechtigung an, aber die Stellung der Frau war nur in ihrer Witwenzeit etwas sicherer und gerechter geworden. Die führende Stellung im Haus hatte weiterhin der Mann. Er verfügte über das Vermögen seiner Frau und war allein rechtsfähig.

Das Heiratsalter lag je nach dem Geschlecht bei 12 oder 14 Jahren. So war die zweite Frau des Nürnberger Patriziers und Großkaufmanns Ulman Stromer 14 Jahre alt, als sie im Jahre 1366 mit ihm verheiratet wurde. Eine Tochter des Herrn Stromer, die er mit 8 Jahren verlobte, wurde im 14. Lebensjahr vermählt.

Als Albrecht Dürer Pfingsten 1494 nach vierjähriger Abwesenheit nach Hause zurückkehrte, erfolgte das nur auf ausdrücklichem Wunsch seines Vaters hin. Denn dieser hatte mit Hans Frey die Verheiratung seines Sohnes mit dessen Tochter Agnes ausgehandelt. Agnes und Albrecht gehorchten zwar ihren Eltern, fanden aber selbst keinen Zugang zueinander und zeugten auch keine Kinder.

Heiratete man jedoch gegen den Willen der Eltern, hatte man rechtlich gesehen das väterliche und mütterliche Erbe verloren.

Also auch in der Stadt sah es mit der Liebe in der Ehe düsterer aus, als die Theorie der freien Partnerwahl vermuten ließ. Denn hier galt die romantische Liebe ebenfalls als Leidenschaft, deren Flammen so schnell wie ein Strohfeuer verlöschen. Diese Form von Liebe schien nicht geeignet, der Ehe Dauerhaftigkeit zu verleihen. Das vermochte nur die eheliche Liebe, die sich nicht ihres Verstandes berauben ließ.

Falls eine Ehe zwischen einer reichen Bürgerstochter und einem verarmten Adligen zustande kam, bedurfte dieses der landesherrlichen Genehmigung. Wurde sie nicht eingeholt, galt die Ehe zwar für gültig, doch es konnte Probleme mit den Vermögensrechten und dem Erbrecht der Frau und den Kindern geben.

"Wilde Ehen" waren verboten und machten eine Frau "ehrlos".


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