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Alltagsgeschichte des Mittelalters

V. 4.6. Der Potenztest

Die Gebärfähigkeit war – wie schon erwähnt – das A und O jeder Frau. Frauen, die nicht schwanger wurden, versuchten mit Badekuren, durch Teilnahme an Wallfahrten und durch großzügige Spenden an Kirchen und Klöster empfängnisbereiter zu werden. Brachte das jedoch nichts, war zu befürchten, daß der Gatte die Annullierung der Ehe beim Papst einreichte.

Margherita Farnese
Abb. 42: Margherita Farnese
Vincenzo I. Gonzaga, Herzog von Mantua
Abb. 43: Vincenzo I. Gonzaga, Herzog von Mantua
Eleonore de' Medici
Abb. 44: Eleonore de' Medici (1567-1611)

Nicht anders erging es Margherita Farnese (1567-1643) (Abb. 42), der Enkelin des Herzogs von Parma und Piacenza, Ottavio Farnese. Im Alter von 13 Jahren wurde sie am 2. März 1581 mit dem 18-jährigen Vincenzo Gonzaga von Mantua (Abb. 43) verheiratet. Aber irgendwie war Vincenzo nicht in der Lage, die Ehe wirklich – sprich körperlich – zu vollziehen. Natürlich konnte das nach damaliger Meinung nur an der Frau liegen. So wurde Margherita von mehreren Ärzten gründlich untersucht, die schließlich zum Ergebnis kamen, daß die junge Ehefrau körperlich noch nicht fähig wäre, richtigen Geschlechtsverkehr auszuüben. Als nach zwei Jahren Ehe sich immer noch kein Nachwuchs ankündigen wollte, ließ der Herzog von Mantua seine Schwiegertochter ein zweites Mal gründlich untersuchen. Nun verkündete der Hofarzt, daß eine lebensgefährliche Operation notwendig sein würde, damit Margherita überhaupt Kinder bekommen könnte. Da auch der Papst Gregor XIII. Mitleid mit der jungen Frau hatte, wurde beschlossen, die lebensgefährliche Operation zu unterlassen und Margherita lieber in ein Kloster zu stecken und die Annullierung dieser Ehe auszusprechen. So wurde die 15-jährige Margherita, obwohl sie sich wehrte und "bitterlich weinte" 1583 in ein Benediktinerinnenkloster gesteckt, in dem sie bis zu ihrem Tode bleiben mußte.

Vincenzos Vater aber hatte in der Zwischenzeit bereits eine zweite Braut für seinen Sohn gefunden. Sein Auge fiel auf die reiche Eleonore de'Medici (Abb. 44) (1567-1611), Tochter des Großherzogs Francesco I. von der Toskana. Aber dieser wiederum wollte seine Tochter nur dann mit Vincenzo verheiraten, wenn sein zukünftiger Schwiegersohn öffentlich beweisen konnte, daß er, der im Rufe der Bisexualität stand, wirklich zeugungsfähig war. Er sollte seine Männlichkeit an einer Jungfrau vor Zeugen demonstrieren. Nach anfänglichem Bedenken stimmten der Herzog von Mantua und auch der Papst Gregor XIII. dieser Bedingung zu. Im Florentiner "Waisenhaus der Frömmigkeit" suchte man nach einer passenden Jungfrau und fand sie in der 20-jährigen Giulia, die für das schönste Mädchen der Stadt gehalten wurde. Der erste Beischlafversuch mißlang Vincenzo jedoch, da er, wie er behauptete, an einer Verdauungsstörung litt. Also mußte das Experiment ein zweites Mal wiederholt werden, und dieses Mal, so bezeugte ein Zuschauer, der das Geschlecht Vincenzos befühlt hätte, "gelang es ihm überragend". Giulia dagegen behauptete, sie wäre immer noch Jungfrau. So mußte der arme Vincenzo ein drittes Mal seine Männlichkeit demonstrieren. Und danach gab es nicht mehr den geringsten Zweifel! Vincenzo war zeugungsfähig! Giulia gab sogar zu, daß sie beim zweiten Male gelogen hatte, "weil sie gern eine weitere Demonstration von Vincenzos Meisterschaft erleben wollte." (in: James Cleugh, Die Medici, München 19884, S. 377)

Nun konnte endlich am 29. April 1584 die Hochzeit zwischen Eleonore und Vincenzo stattfinden. Die schöne Giulia, die bei diesen "Experimenten" schwanger geworden war, wurde später mit einem römischen Musiker namens Giuliano vermählt.


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