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Alltagsgeschichte des Mittelalters

VI. 3. Der Ackerbau

Im Frühmittelalter betrieben die Bauern hauptsächlich die sogenannte Feldgraswirtschaft. Dabei wurde Weideland für begrenzte Zeit umgebrochen und zum Anbau von Roggen, Dinkel oder Hafer benutzt. Da man jedoch keinen Dünger verwendete, war der Boden nach zwei bis drei Jahren nicht mehr zu gebrauchen. Das alte Stück Land wurde dann wieder der Verwilderung überlassen und in der Nachbarschaft wurde neues Gebiet zur Ackerbenutzung gerodet.

Im Hochmittelalter gab es die Einfeld-, die Zweifelder- und die Dreifelderwirtschaft. In der Einfeldwirtschaft wurde nur eine einzige Frucht z.B. Roggen in jährlicher Wiederkehr angebaut. Um die Auslaugung des Bodens zu verhindern, wurden ihm regelmäßig Heide- und Grasplaggen, die mit Stalldung gemischt wurden, zugeführt.

In der Zweifelderwirtschaft wurde jährlich zwischen Brachlegung und Getreidenutzung gewechselt, d.h. die eine Hälfte des Ackerlandes wurde bebaut, die andere Hälfte lag brach, damit der Boden sich erholen konnte.

Am verbreitetsten war die Dreifelderwirtschaft, die zwei große Vorteile bot: Erstens wurde durch sie die Gefahr von Mißernten abgeschwächt, da auf eine vernichtende Wintersaat noch eine gute Sommersaat folgen konnte, und zweitens konnte sich der Boden durch längere Brachzeiten besser erholen und lieferte somit Ertragsverbesserungen bis zu 50%.

Die frühesten Zeugnisse für die Dreifelderwirtschaft stammen aus der Mitte des 8. Jhs. Aber erst im 12. Jh. setzte sich diese Wirtschaftsform in den meisten Dörfern durch.

In der Dreifelderwirtschaft gibt es, wie es der Name schon andeutet, drei Felder, die jährlich unterschiedlich genutzt werden.

Beobachten wir einmal zusammen einen Bauern bei seiner Felderbestellung in den Jahren 1434-1437: So bebaute er z.B. das erste Feld im Jahre 1434 mit einer Sommerfrucht, das zweite Feld mit einer Winterfrucht, und das dritte Feld blieb brach liegen. Als Sommerfrucht konnte er zwischen Hafer, Gerste, Gemüsepflanzen wie Erbsen, Bohnen und Linsen, Rispenhirse oder Ölfrüchten, die häufig mit Leguminosen gesät wurden, wählen. Als Winterfrucht standen ihm Roggen, Weizen, Dinkel oder Gerste zur Verfügung. Auf der Brache, auf der Klee angebaut worden war, trieb er das Vieh, damit es durch seinen Mist den Boden düngte.

Im Detail sah das Arbeitsprogramm z.B. auf dem erwähnten Feld 2 in den nächsten drei Jahren folgendermaßen aus:
Im Herbst des Jahres 1434 säte der Bauer auf diesem Feld Roggen als Wintergetreide. Im Juni des Jahres 1435 erntete er den Roggen und ließ das Stückchen Land als Stoppelweide bis zum April 1436 stehen, um dann auf dem Boden Hafer als Sommergetreide anzubauen, das im Juli oder August desselben Jahre geerntet werden konnte. Danach wurde das Feld wieder bis zur Mitte des nächsten Jahres als Stoppelweide benutzt. Im Juni 1437 wurde es gepflügt und lag dann noch einige Monate brach, bis es im September nochmals gepflügt und mit Wintergetreide besät wurde.

Neben dieser Dreifelderwirtschaft gab es auch noch die Vier- und Fünffelderwirtschaft, die aber nicht so oft gewählt wurden, da die Brachliegezeiten, je höher die Zahl der Felderwirtschaften wurde, um so geringer ausfielen, und damit dem Boden nicht genug Ruhe gegönnt werden konnte.

Welche Getreidesorten der Bauer auf seinem Land anbaute, hing sehr von der Beschaffenheit des Bodens ab.

Kranker am Feuer des heiligen Antonius leidend
Abb. 45: Dieser Mann, der sich nur noch robbend vorwärtsbewegen kann, leidet am "Feuer des heiligen Antonius". Bei dieser Krankheit handelt es sich um eine Vergiftung durch das Mutterkorn, einem Pilz, der mit seiner Wirtspflanze, dem Roggen, zusammen zu Brot verarbeitet wurde, da man im Mittelalter noch nicht in der Lage war, sie voneinander zu trennen. Beim Verzehr dieses vergifteten Brotes stellen sich Nerven- und Gefäßschädigungen ein, die schließlich zu schmerzhaften Krampfanfällen, Kontraktionen der Extremitäten, Lähmungen und Muskelschwund und zum Brandigwerden der Finger, Zehen und ganzer Gliedmaßen führen. In einigen sehr schweren Fällen werden die abfaulenden Körperteile durch Spontanamputationen vom Körper unter großen Schmerzen abgestoßen.

Im Frühmittelalter bevorzugte man Roggen, Saat-Weizen, Gerste, Saat- und Sandhafer, Dinkel, Rispenhirse, Emmer und Einkorn. Der Roggen wurde im Laufe des Mittelalters schließlich zur bevorzugten Getreidepflanze, weil er große Winterfestigkeit besaß und selbst auf mageren Böden gedieh. Leider gab es bei dieser Getreidesorte einen großen Nachteil, denn der z.T. sehr hohe Anteil an Kornrade-Samen und Mutterkorn in seinem Erntegut konnte zu erheblichen Gesundheitsschäden beim Konsumenten führen, da diese hochgiftigen Pflanzen mit den Roggenkörnern zu Brotteig verarbeitet wurden (Abb. 45).

Der Weizen, ein anspruchsvolles Getreide, benötigte dagegen fruchtbare Böden. Die Gerste dominierte jahrhundertelang im südwestdeutschen Raum, da sie wenig Ansprüche an Boden und Klima stellte.

Im 14. Jh. begannen die Bauern den zu den Knöterichgewächsen gehörigen Buchweizen anzubauen, dessen Heimat in Zentralasien zu finden ist.

Die Ernteerträge all dieser genannten Getreidesorten lagen jedoch im Mittelalter weit unter den unsrigen. Im Frühmittelalter wurde die Hälfte des geernteten Getreides gegessen, die andere Hälfte als Aussaat für das nächste Jahr verwendet. Bis zum 15. Jh. betrug der Durchschnittsertrag der Aussaat das 3,2-fache, d.h. ein eingesätes Korn brachte 3,2 Körner hervor. Heute liegt dieser Wert bei 20 - 25. Außerdem betrug die mittlere Länge der Roggenkörner damals ungefähr 4 - 6 mm, heute dagegen 8 und mehr mm!

"In Burgund erreichten Landgüter der Abtei Cluny im Erntejahr 1156 in der Relation von Einsaat und Ernte einen Ertrag von durchschnittlich 1:3 bei Weizen, 1:5 bei Roggen und 1:2,5 bei Gerste. Aus England sind für das 13. Jahrhundert Erntezahlen von 2,4 bis 3,9 bei Weizen, von 3,8 bis 4,2 bei Gerste und von 1,9 bis 2,7 bei Hafer bekannt." (in: Werner Rösener, ebenda, S. 144)

Hauptursache für den geringen Ernteertrag war der Mangel an Dünger. Der Viehdung reichte nämlich gerade für die kleinen Gärten der Bauern aus, auf denen sie die unterschiedlichsten Gemüsesorten zogen. Zwar versuchte man die Böden auf dem Ackerland durch Unterpflügen von Rasenstücken oder durch Mischen mit kalkhaltigem Mergel (ein Gemenge aus Kalk und Ton) zu verbessern, aber die Ernteerträge stiegen nur minimal.


Lesetipps:
  • Landwirtschaft im Mittelalter, in: Geschichte betrifft uns (4/1984)
  • Willerding, Ulrich: Landwirtschaftliche Produktionsstrukturen im Mittelalter, S. 244-256, in: Mensch und Umwelt im Mittelalter, hrsg. von Bernd Herrmann. Stuttgart 1987 (3. Auflage)

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  • ein Besuch des Museumsdorfes Cloppenburg

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