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Alltagsgeschichte des Mittelalters

XI. 3. Die Geschichte der Zisterzienser – als Beispiel für einen erfolgreichen abendländischen Orden

Der Zisterzienserorden entstand als benediktinischer Reformzweig im 12. Jh.

In Deutschland ist er heute nur noch schwach vertreten.

Die Gründungsväter waren: Robert von Molesme († 1111), Alberich († 1109) und Stephan Harding († 1134). Alle drei Geistlichen wollten in ihrem neuen Orden dafür sorgen, daß die Benediktregel wieder strenger befolgt und beachtet wurde und daß ihre Mönche in Askese und Armut lebten. In der Realität versuchte man diese Vorsätze folgendermaßen zu verwirklichen:

  1. Ihre Klöster hatten auf die üblichen Einkünfte aus Grund- und Herrschaftsrechten, auf Eigenleute usw. zu verzichten.
  2. Die Ordensmitglieder mußten sich mit ihren eigenen Händen das tägliche Essen und den gesamten Lebensunterhalt erarbeiten, indem sie z.B. ihre eigenen Ländereien bewirtschafteten.
  3. Die Kleidung sollte einfach und schlicht sein, die Nahrung anspruchslos, die Kirchen- und Klosterbauten schmucklos, die Altarstoffe einfarbig und ohne Stickereien, die liturgischen Gefäße nicht aus purem Gold oder mit Edelsteinen verziert; die Wände hatten unbemalt zu bleiben, die Fenstergläser mußten schlicht weiß erscheinen und auf Turmbauten an ihren Gebäuden sollte verzichtet werden. Statt dessen durften hölzerne Dachreiter mit kleinen Glocken die Kirchen zieren.

"Erlaubt sind silber-vergoldete Meßkelche und Kommunionsröhrchen, Rauchfässer aus Kupfer und Eisen, eiserne Kerzenleuchter, einfache Meßkännchen ohne Gold- und Silberarbeit ...", so ordnete es Stephan Harding an. (in: Die Zisterzienser, Ordensleben zwischen Ideal und Wirklichkeit, Katalog zur Ausstellung des Landschaftsverbandes Rheinland, Rheinisches Museumsamt, Brauweiler, Köln 1981, S. 395)

Die Zweckmäßigkeit bestimmte die Bauweise und Ausgestaltung ihrer Klöster und ihrer Kirchen. Jede ästhetische Ausschmückung oder figürliche und farbige Darstellung lenkte ihrer Meinung nach nur vom eigentlichen Ziel, Gott zu dienen, ab.

Der Orden wurde zentralistisch aufgebaut. Das Mutterkloster war in Cîteaux; die ersten vier nach ihm gegründeten Klöster entstanden in Clairvaux, Pontigny, La Ferté und Morimond. Sie wurden als die Primarabteien bezeichnet, von denen weitere Klostergründungen forciert wurden. Jedes neugegründete Kloster, das sich auf eine der vier Primarabteien zurückführen ließ, war jedoch selbständig und konnte z.B. seinen Abt frei wählen. Damit trotz allem die Ordenseinheit gewahrt wurde, trafen sich die Äbte der Tochterklöster einmal im Jahr, Mitte September, mit dem Abt von Cîteaux, um in einem gemeinsamen Kapitel zusammen die Probleme und Ordensfragen zu behandeln. Die Beschlüsse auf solch einem Generalkapitel besaßen für alle Ordensmitglieder unbedingte Verbindlichkeit.

Einmal im Jahr besuchte der Abt von Cîteaux zudem noch die Tochterklöster, um nach dem Rechten zu schauen. Die Äbte der Primarabteien hatten wiederum das Recht, das Mutterkloster zu visitieren.

Besonders wichtig für die weitere Machtentfaltung dieses Ordens wurde Bernhard von Clairvaux, der im Jahre 1090 auf der Adelsburg Fontaines in der Nähe von Dijon als drittes von sechs Kindern geboren wurde. Als Sproß einer burgundischen Adelsfamilie hätte sein Leben mit Turnieren, Jagd und Frauen ausgefüllt werden können, aber er entschied sich für das Leben im Kloster. Es hieß, der frühe Tod seiner Mutter hätte ihn zu diesem Schritt bewogen. Als er mit 22 Jahren ins Kloster Cîteaux eintrat, nahm er sogleich seine erwachsenen Geschwister sowie zahlreiche Verwandte und Freunde mit. Insgesamt sollen es fast 30 Personen gewesen sein.

Später folgten ihm noch sein Vater, seine Schwester und sein jüngster Bruder. 1115 schickte ihn Stephan Harding mit einigen Mönchen als Gründungsabt eines neuen Tochterklosters in das nahegelegene Tal der Diözese Langres. Das Kloster erhielt den Namen "Clara Vallis" oder "Clairvaux". Hier war er dann bis zu seinem Tode im Jahre 1153 als Abt tätig.

Bernhard muß als junger Mann sehr attraktiv gewesen sein. Er war groß, hatte eine helle Haut, rötliches Haar, das sehr früh ergraute und schien durch seine äußere Erscheinung als geborener Verführer mehr der Welt gefährlich zu werden als die Welt ihm. Später ging diese Schönheit durch sein übertriebenes Fasten verloren. Außerdem wird von ihm erzählt, daß er eine überwältigende Überzeugungs- und Überredungsgabe besaß. Vielleicht hatte er diese Fähigkeit schon 1112 bei seinem Klostereintritt in seiner Familie, seinem Verwandten- und Freundeskreis erfolgreich angewandt. Seine Überredungsgabe benutzte er auch bei seiner Werbung für den Zweiten Kreuzzug und konnte sogar den deutschen König Konrad III. und den französischen König zum Mitmachen bewegen. Unter seinem Einfluß jedenfalls breitete sich der Zisterzienserorden über ganz Europa aus. Am Tag seines Todes gab es in seinem Orden 344 Klöster, von denen er allein 72 gegründet hatte. In Clairvaux selbst trauerten über 700 Mitbrüder, als er das Zeitliche segnete. Dabei soll das Leben mit ihm gar nicht so angenehm gewesen sein. Er beachtete die Regeln sehr strikt. Nur zwei Mahlzeiten waren pro Tag erlaubt, Fleisch und Wein waren verboten. Es galt das absolute Schweigegebot, und die Klosterräume blieben auch im Winter unbeheizt.

Aber Bernhard von Clairvaux war nicht der einzige berühmte Zisterzienser. Otto von Freising († 1158), der Biograph Friedrich Barbarossas, Thomas Becket († 1170) und Katharina von Bora († 1552), Martin Luthers Frau, gehörten ebenfalls diesem Orden an.

Dank päpstlicher Privilegien gelang es den Zisterziensern, sich im Laufe des 12. Jhs. immer häufiger von dem Aufsichtsrecht der Bischöfe, in deren Diözesen sie lebten, loszulösen; sie wurden sogar zehntbefreit, und ihre Äbte erlangten das Recht, an ihren Mönchen selbst die niederen Weihen vorzunehmen.

Aber all diese Rechte und Privilegien, dazu das Prinzip der Eigenbewirtschaftung und die mit der Expansion vorgenommenen Landrodungen führten letztendlich nur zum Reichtum, zur allmählichen Dekadenz und zum Niedergang des Ordens. Denn die landwirtschaftlichen Großgrundbesitze erforderten zur Arbeitsbewältigung schon bald die Aufnahme von Laienbrüdern, Konversen genannt, die schließlich die gesamte körperliche Arbeit übernahmen und die Mönche mit Essen, Kleidung usw. versorgten. Bereits gegen Ende des 12. Jhs. setzte die Stagnation ein; der Orden hatte sich von seinen Idealen immer weiter entfernt.

Einen weiblichen Ordenszweig zuzulassen, war eigentlich von den Gründungsvätern nicht geplant gewesen. Doch letztendlich mußten wegen der vielen Frauen, die Zisterzienserinnen werden wollten, Doppelklöster errichtet werden, in denen die Mönche und Nonnen getrennt voneinander entweder im selben Haus oder in benachbarten Häusern lebten. Da diese Bau- und Lebensweise mit der Zeit jedoch zu sexuellen Vergehen verleitet hatte, wurden die Nonnenklöster schon kurz darauf nur noch in gebührender Entfernung von den Männerklöstern errichtet.

Im 12. Jh. soll es 15 weibliche Zisterzen in Deutschland gegeben haben. Die Prämonstratenser, die Mönche eines anderen sich zur gleichen Zeit bildenden Ordens, waren hierbei viel rigoroser: sie verboten auf Grund dieser sexuellen "Verbrechen" bis aufs weitere die Errichtung von Frauenklöstern.


Lesetipps:
  • Bebenhausen – 800 Jahre Geschichte und Kunst, Text von Jürgen Sydow. Tübingen 1984
  • Die Zisterzienser: Ordensleben zwischen Ideal und Wirklichkeit, Katalog zur Ausstellung des Landschaftsverbandes Rheinland, Rheinisches Museum. Brauweiler, Köln 1981 (sehr gut!)

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