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Begegnungen mit Zeitgenossen der Renaissance

Jean Perréal: Ludwig XII. von Frankreich, Ende 15. Jh.

Ludwig XII. von Frankreich
Ludwig XII. von Frankreich, Ende 15. Jh.

Ludwig XII. von Frankreich

Ludwig XII., hier mit dem Orden des Heiligen Michael, der höchsten Auszeichnung der französischen Monarchie, geschmückt, gehört zu den sympathischsten Herrschergestalten des französischen Königshauses der Valois. 1462 erblickte er als Sohn des Herzogs Karl von Orléans (1394-1465) das Licht der Welt. Mit 14 Jahren wurde er vom französischen König Ludwig XI. († 1483) (Abb. 113) gezwungen, dessen fromme, aber abstoßend häßliche und verkrüppelte Tochter Johanna (Abb. 114) zu ehelichen. Kurz zuvor hatte Ludwig XI. noch Folgendes an seinen Großmeister Antoine de Chabannes geschrieben: „Ich habe mich entschlossen, die Vermählung meiner kleinen Tochter Johanna mit dem kleinen Herzog von Orléans (Ludwig XII.) zu betreiben, weil es mir scheint, daß die Nachkommenschaft aus dieser Ehe wenig Kosten verursachen wird.“ (in: Kendall, Paul Murray: Ludwig XII. - König von Frankreich 1423 - 1483, München 1971, S. 425).

König Ludwig XI. von Frankreich
Abb. 113: König Ludwig XI. von Frankreich
Johanna von Frankreich mit der Heiligen Magdalena
Abb. 114: Johanna von Frankreich (links) mit ihrer Lieblingsheiligen, der Heiligen Magdalena, um 1490

Später zwang der König den jungen Ludwig sogar, die Ehe körperlich zu vollziehen, um ihm die Möglichkeit für eine spätere Nichtigkeitserklärung dieser Verbindung zu nehmen. 22 Jahre lang war Ludwig XII. schließlich mit Johanna verheiratet. Als er 1498, nach dem Tode seines Schwagers und Cousins, Karl VIII. (Abb. 115), zum neuen König Frankreichs ausgerufen wurde, bemühte er sich denn auch sogleich um eine Annullierung seiner Ehe. Und Papst Alexander VI. erklärte sich unverzüglich bereit, die Ehegatten von ihrem Schwur zu lösen, und erlaubte außerdem eine Wiederverheiratung. Johanna, die ihrem Manne keine Kinder geschenkt hatte, weil Ludwig XII. sich trotz der massiven Drohung Ludwigs XI. geweigert hatte, mit ihr die eheliche Gemeinschaft aufzunehmen, denn „ihre Mißgestalt, ihre Kränklichkeit und ihre Unsauberkeit flößten ihm unüberwindlichen Widerwillen ein“, zog sich ins Herzogtum von Berry zurück und führte hier weiterhin das Leben einer sehr frommen Frau. Später wurde sie hierfür sogar selig- und heiliggesprochen.

Karl VIII. von Frankreich
Abb. 115: Karl VIII. von Frankreich
Anna de Bretagne
Abb. 116: Anna de Bretagne

Ludwigs zweite Gemahlin war die Witwe Karls VIII., Anna de Bretagne (Abb. 116). Sie verwandelte den trübsinnigen Hof ihres neuen Gatten in eine von festlichem Treiben belebte Gesellschaft. Und zudem bewies sie sich als sehr fruchtbar. Aber sie hatte viele Fehl- und Totgeburten zu überstehen, und letztendlich blieben nur zwei Töchter, Claude (1499-1524) (Abb. 117) und Renée (1510-1575) am Leben. Beide Töchter, alles andere als Schönheiten, wurden von ihrem Vater Ludwig XII. sehr geliebt. Claude heiratete im Jahre 1514 Franz I. (Abb. 119), den Mündel und Nachfolger ihres Vaters, und Renée, die Freundin Calvins, die 1528 den Herzog Ercóle II. d'Este von Ferrara ehelichte, gehörte zu den großen Frauengestalten der Reformationszeit. Überdies machte sie Ferrara zu einem Mittelpunkt italienischer Kultur.

Königin Claude von Frankreich
Abb. 117: Königin Claude von Frankreich
Renée von Frankreich
Abb. 118: Marguerite von Frankreich, die jüngste Tochter von Claude von Frankreich
Franz I. von Frankreich
Abb. 119: Franz I. von Frankreich

Ludwig XII. wurde von seinen Zeitgenossen als bieder, trocken, sparsam und mitfühlsam beschrieben. Laut René Guerdan empfand kein Herrscher wie er das Elend der kleinen Leute, und war keiner so sehr bemüht, es zu mildern. Steuern erließ er nur für staatliche Projekte. Für den eigenen Aufwand durften sie nie erhoben werden. Es kam sogar vor, daß er steuerliche Gewinne zurückgab! Ludwig liebte die Jagd, besonders die Falknerei, und sammelte zudem eifrig kostbare Handschriften, so daß er den Spitznamen „Ptolemäus Philadelphus“ erhielt. Außerdem liebte er Italien über alles. Als Enkel der Valentina Visconti, die dem alten Herzoghaus der Visconti von Mailand entstammte, erhob er gegen die Sforza, „die Bastarde und Usurpatoren Mailands“, Erbansprüche. Im Oktober 1499 konnte Ludwig XII. endlich als der neuer Herzog in Mailand einziehen, und 1501 ließ er sich sogar zum König von Neapel erklären.

Am 9.1.1514 starb Anna de Bretagne, erschöpft von den vielen Schwangerschaften. Mit Ludwigs Gesundheit stand es ebenfalls nicht zum Besten. Er litt ständig an Blutstürzen und seine alle zwei bis drei Monate regelmäßig auftretenden schmerzhaften Gichtanfälle machten ihn jedesmal 14 Tage lang bettlägerig. Sein gefährlichster Gegner, Heinrich VIII. von England, der den Thron Frankreichs für sich beanspruchte, konnte 1513 zudem ein französisches Heer vernichtend besiegen. Aber 1514 kam es zwischen den beiden Monarchen zu Friedensverhandlungen. Ludwig XII. versprach zu den 750.000 Goldkronen, die schon von seinen Vorgängern, Ludwig XI. und Karl VIII., in Verträgen von 1475 und 1492 mit England als Zahlungen an die englische Krone bestimmt worden waren, noch eine zusätzliche Million Goldkronen hinzuzufügen. Außerdem wurde zwischen den Monarchen vereinbart, daß Ludwig XII. die jüngere Schwester Heinrichs VIII., Maria (Abb. 120), heiraten sollte. Die sehr schöne, blonde und von den Männern ihrer Zeit umschwärmte 18-jährige Maria fand sich jedoch zu einer Eheschließung erst bereit, als ihr königlicher Bruder ihr versprach, daß sie ihren dritten Ehemann selbst wählen dürfte. So wurde der mittlerweile 52-jährige, bis zum Skelett abgemagerte Ludwig XII. am 9.10.1514 zum dritten Mal Ehegatte.

In Spanien und in den Niederlanden trieb man seinen Spott mit diesem ungleichen Ehepaar. Es wurden Wetten abgeschlossen, ob der alte König seine Ehe überhaupt noch körperlich vollziehen könne. Viele meinten, vor Anstrengung würde er sicherlich sterben. Am 1.1.1515 starb er dann wirklich – nach nur 83 Tagen Ehe. Seine Witwe Maria konnte daraufhin endlich ihre heimliche große Liebe, Charles Brandon (Abb. 121), heiraten, und Franz I. folgte seinem Schwiegervater schließlich auf dem französischen Thron.

Maria Tudor als Königin von Frankreich
Abb. 120: Maria Tudor, die ehemalige Königin von Frankreich
Maria Tudor und Charles Brandon
Abb. 121: Maria Tudor und ihre große Liebe, Charles Brandon

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