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Begegnungen mit Zeitgenossen der Renaissance

Raffael oder Andrea del Sarto (Original oder Kopie): Papst Leo X. mit seinen Cousins, den Kardinälen Giulio de' Medici (links) und Luigi de' Rossi (rechts), 1517-18

Papst Leo X. mit seinen Cousins, den Kardinälen Giulio de' Medici (links) und Luigi de' Rossi (rechts), 1517-18

Papst Leo X.

Papst Leo X. wurde als zweitältester Sohn von Lorenzo de' Medici († 1492) (Abb. 164) und seiner Gattin, Clarice Orsini († 1488) (Abb. 165), am 11.12.1475 geboren. Sein richtiger Vorname lautete Giovanni. Der Lebenslauf seines älteren Bruders Piero (Abb. 166) wurde bereits einige Seiten zuvor beschrieben. Giovanni mußte, wie das für die zweitgeborenen Söhne von adligen oder patrizischen Eltern im Spätmittelalter und in der Renaissance üblich war, die geistliche Laufbahn einschlagen. Und obwohl man z.B. erst mit 30 Jahren das kanonische Mindestalter für das Bischofsamt aufwies, wurde Giovanni schon im Alter von 13 Jahren von Innozenz VIII. zum Kardinal erhoben. Und mit 37 Jahren wurde er am 11.3.1513 mit Hilfe von Bestechungsgeldern zum Papst gewählt.

Lorenzo de´Medici
Abb. 164: Lorenzo de' Medici
Clarice Orsini mit ihrer Schwägerin Bianca Maria de'Medici
Abb. 165: Clarice Orsini (links), die Gattin von Lorenzo de' Medici, mit ihrer Schwägerin Bianca Maria de' Medici
 
Giovanni de´Medici mit seinem älteren Bruder Piero
Abb. 166: Giovanni de' Medici, der spätere Leo X., mit seinem älteren Bruder Piero, 1483
Papst Julius II.
Abb. 167: Papst Julius II.

Der Kontrast zwischen ihm und seinem Vorgänger, dem cholerischen, machtbesessenen und kriegerischen Papst Julius II. (Abb. 167), konnte nicht größer sein. Denn Giovanni bzw. Leo X. wurde als fleißig, klug, mutig, freundlich, liebenswürdig, fromm, genußsüchtig (er trank besonders gern hochprozentigen Alkohol), verschwenderisch, großzügig und als heiter beschrieben. Genügend Geld besaß er nie, denn eher, so meinten seine Zeitgenossen, „mochte ein Stein von selbst auffliegen, als daß dieser Papst 1000 Dukaten beisammen hielt.“ (in: Ferdinand Gregorovius: Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter. Vom V. bis zum XVI. Jahrhundert. Bd. 8, Stuttgart und Berlin 19225, S. 212).

„Leos Haupteigenschaft war seine Gutartigkeit. Er lächelte stets, er sprach ruhig und angenehm und – anders als der große Lorenzo [sein Vater] – mit einer außerordentlichen gepflegten und melodischen Stimme. Er war sehr taktvoll und vermied jede Kränkung. Er konnte Gesuche auf eine Weise ablehnen, daß die Antragsteller sich eher geehrt als beleidigt fühlten, und er war jedesmal aufrichtig betrübt, wenn er jemanden zurückweisen mußte. Bei aller angeborenen persönlichen Würde und gewissenhaften Erfüllung seiner religiösen Pflichten blieb dieser Mann stets menschlich und nahm den Leuten gern durch kleine Scherze ihre Befangenheit. In der Außenpolitk verhielt sich Leo zurückhaltend und im allgemeinen klug. Seine Politik galt im ganzen als ehrlich, wenn er auch überzeugend lügen konnte, falls es dem Wohl der Kirche [und seines Hauses] diente.“ (in: James Cleugh, ebenda, S. 293). Er war überdies sehr ehrgeizig, und das Fortschreiten seiner Familie lag ihm ganz besonders am Herzen. Hierbei vergaß er auch sehr häufig seine sogenannte "Gutartigkeit" und zeigte sein wahres Gesicht. Freundlichkeiten, die ihm und seinen Verwandten während der vielen Jahre im Exil erwiesen wurden, wurden dabei vergessen wie im Falle der Montefeltro im Herzogtum von Urbino, das er mit Hilfe von päpstlichen Truppen für seinen Neffen Lorenzo besetzen ließ.

Äußerlich glich Leo X. mit Ausnahme seiner blonden Haare seinem Vater. Er hatte wie dieser eine große, plumpe Nase und große, hervorquellende Augen. Und wie dieser war er sehr kurzsichtig. Ohne seine Lupe konnte er keinen Schritt machen! An Körpermasse aber übertraf er seinen Vater, denn er hatte einen gewaltigen Umfang. Seine Gesundheit war – vielleicht verbunden mit dem Übergewicht – stets labil. Häufig litt er an Geschwüren- und Fistelbildungen.

Michelangelo
Abb. 168: Michelangelo

Leo X., der wie seine reichen und adligen Zeitgenossen mit Leidenschaft der Jagd nachging, liebte zudem besonders die Musik, das Theater und die Kunst. So hatte er gleich nach seinem Amtsantritt die berühmtesten Künstler, Dichter, Professoren für Griechisch und Lateinlehrer in seine Dienste gestellt. Außerdem gründete er eine Universität für das Studium der Antike und förderte die Verbreitung seltener und unbekannter Werke von antiken Schriftstellern. In Rom galt er als einer der wichtigsten Mäzenen der Kunst und der Literatur. Seinem Nachfolger hinterließ er dafür aber auch Schulden in der Höhe von fast einer Million Dukaten. Zu seinen Freunden gehörte z.B. Raffael (1483-1520), der mit allen Projekten betraut wurde, die Leo X. am Herzen lagen. Auch Michelangelo (Abb. 168) wurde von ihm gefördert. Von seinen Vorgängern unterschied sich dieser Papst jedoch noch in anderen wesentlichen Charakterzügen. So war seine Hingabe in religiösen Dingen beispielhaft und sein Privatleben ungewohnt frei von sexuellen Exzessen. Trotzdem war er kein Heiliger, sondern stand mitten im Leben. Von Raffael z.B. ließ er sich die Wände seines Badezimmers mit der Göttin Venus und ihrem Sohn, dem Liebesgott Cupido, bemalen.

Um die hohen finanziellen Mittel für die Kunstwerke, die Prunkfeste und die Prachtbauten wie den Petersdom aufbringen zu können, hatte Leo X. im Jahre 1515 einen Ablaß für die Mainzer Diözese und die brandenburgischen Länder ausschreiben lassen. Mit diesem Ablaß sollte den Christen Gelegenheit gegeben werden, ein „gutes Werk“ zu tun, nämlich den Neubau der St. Peterskirche in Rom durch Geldspenden zu fördern. Laut seiner Zeitgenossen war jedoch ein Teil des eingenommenen Geldes für die Aussteuer einer Nichte von ihm bestimmt gewesen. Außerdem hatte der Papst dem Erzbischof Albrecht von Mainz erlaubt, seine Schulden, die er wegen seiner Weihung zum Erzbischof bei den Fuggern gemacht hatte, mit einem Teil der Einnahmen zu begleichen. Dieser Ablaß, dessen Gewinn für so viele weltliche Zwecke des Papstes und der hohen Kleriker verwendet werden sollte, führte schließlich durch Martin Luther zur Reformation. Martin Luther (Abb. 169) wehrte sich nämlich gegen die Praxis des Ablaßverkaufes, da durch sie der Eindruck entstand, man könnte sich durch den Kauf eines Ablaßzettels von den Sündenstrafen oder sogar von der Sünde selbst ohne Reue und Buße befreien. Die Lage spitzte sich zu, als Leo X. Martin Luther 1521 exkommunizierte.

Martin Luther
Abb. 169: Martin Luther, um 1532
Francesco Maria della Rovere
Abb. 170: Francesco Maria della Rovere

Aber die neue religiöse Bewegung trachtete nie nach Leos Leben. Seine Feinde, die er sich wegen seiner rücksichtslosen Aneignung von Herrschaften zur Förderung seiner Familie gemacht hatte und vor denen er sich daher fürchten mußte, saßen vielmehr direkt vor seiner Nase – im Vatikan. Zwei Giftanschläge wurden gegen ihn unternommen. Beim zweiten Versuch im Mai 1517 handelte es sich um die Verschwörung einiger junger Kardinäle. Im allerletzten Augenblick konnte Leo X. durch einen abgefangenen Brief gerettet werden. Einer seiner Leibärzte, der berühmte Chirurg Battista von Vercelli, hatte sich auf Betreiben mehrerer Kardinäle und des Herzogs von Urbino und Senigaglia, Francesco Maria della Rovere (Abb. 170), bereit erklärt, ihm in eine Fistel, die er ihm behandelte, eine vergiftete Salbe einzureiben. Leo X. entging den Mordanschlägen und starb am 1.12.1521 eines natürlichen Todes. Die päpstliche Kasse war unter diesem Papst so ausgeplündert worden, daß man zu dessen Begräbnis nicht einmal die Leichenkerzen bezahlen konnte. Man bediente sich einfach der noch nicht völlig heruntergebrannten Lichter des kurz zuvor verstorbenen Kardinals Riario.


Lesetipps:
  • Wer hat eigentlich dieses berühmte Gemälde von Papst Leo X. und seinen Cousins, das wir hier in unserem Artikel verwendet haben, erstellt? Raffael oder Andrea del Sarto? Von unseren heutigen Kunsthistorikern, die nicht eine Sekunde in der Werkstatt dieser großen Maler in der Renaissance verbracht haben, wird uns ständig erzählt, es wäre von Raffael angefertigt worden. Stimmt das? Was sagen die zeitgenössischen Quellen? Lesen Sie hierzu: Salvator Mundi - wirklich ein verloren gegangenes Werk von Leonardo? - Kunsthistoriker sind reine Scharlatane.
  • Wenn Sie einen Blick auf die Stammtafel und somit auf die Vorfahren und Verwandten von Papst Leo X. werfen möchten, dann schauen Sie sich bitte folgende meiner Webseiten an: Die Stammtafel der Medici in Bildern

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