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Begegnungen mit Zeitgenossen der Renaissance

Lucas Cranach der Ältere: Kurfürst Friedrich der Weise, 1510-12

Kurfürst Friedrich der Weise, 1510-12
Kurfürst Friedrich der Weise, 1510-12

Kurfürst Friedrich der Weise

Friedrich wurde als Sohn des Kurfürsten Ernst von Sachsen (1441-1486) und dessen Frau Elisabeth, einer Tochter des Herzogs Albrecht III. von Bayern, am 17.1.1463 geboren. Als er 22 Jahre alt war, wurde der Machtbereich seines Vaters in das Herzogtum Sachsen und in Kursachsen aufgeteilt. Sein Onkel, Albrecht der Beherzte (1443-1500), erhielt das Herzogtum, sein Vater Kursachsen. Schon ein Jahr später trat Friedrich als Friedrich III. von (Kur)Sachsen die Nachfolge seines Vaters an.

Im Jahre 1507 übertrug ihm Kaiser Maximilian I. († 1519) auf dem Reichstag in Konstanz das Amt des Generalstatthalters des deutschen Reiches. Nach dem Tode Maximilians im Jahre 1519 schlug man ihn neben Karl V. und Franz I. von Frankreich als den nächsten Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation vor. Obwohl er im ersten Wahlgang sogar als Sieger hervorging, nahm er diese Wahl nicht an und stimmte im zweiten Wahlgang selbst für Karl V.

Von seinen Zeitgenossen wurde er wegen seiner ausgewogenen Politik, die von einigen seiner Biographen eher bedächtig als vorausschauend bezeichnet worden ist, der „Weise“ genannt. Seit mindestens 1516 war er zudem Brillenträger. Er galt als sehr fromm, religiös aufgeschlossen, außerordentlich intelligent und schlau, liebenswürdig, diplomatisch sehr geschickt, sehr gewissenhaft und gründlich, selbstbewußt, ernst, pflichtbewußt, geduldig, menschenscheu, introvertiert, wortkarg, verschlossen, gerecht und zuverlässig. Niemand sah ihn jemals fluchen, wodurch er sich von seinen Zeit- und auch Standesgenossen grundlegend unterschied. Luther bestätigte überdies, dass Friedrich der Weise in der Bibel so bewandert war, daß er selbst den besten Theologen mit seinen Fragen zu schaffen machen konnte. Außerdem konnte er im Gegensatz zu seinen hochadligen Zeitgenossen weder durch Geld noch durch das Versprechen von Ehrenämtern oder von hochadligen Bräuten bestochen werden, wie sich besonders deutlich bei der Kaiserwahl im Jahr 1519 zeigte. Denn eine Bestechung bei der Kaiserwahl ging ihm gegen Ehre und Gewissen. Aus dem Jahr 1539 finden wir zudem folgende Bemerkung von Martin Luther bei Tisch: "Kurfürst Friedrich ist ein weiser, verständiger, geschickter und feiner Herr gewesen, der allem Gepränge und Heucheley und Gleisnerey sehr feind gewesen." (in: Weimarer Ausgaben Tischreden 4, 376, 30-32). Außerdem bezeichnete der große Reformator ihn in seinen Tischreden häufig als "sapientissimus" (sehr weise)". Von ihm wissen wir auch Folgendes über den Kurfürsten: "Hertzog Friderich war ein solcher furst ... der konnte viel verdauen und ihm selbs steuren, ob er gleich von Natur zornig war, aber er hielt an sich." (in: Weimarer Ausgaben Tischreden 2, 198, 5). Friedrich der Weise konnte auch einmal denen, die unkorrekt handelten, wünschen, dass ihnen "ain horn aus der stirne wüchse, dabei man sihe kente." (in: Deutsche Reichstagsakten. Hg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Jüngere Reihe 1, 543, 19f.)

"Seine überlegene Klugheit zeigte sich unter anderem, daß er warten konnte. Luther rühmte von ihm, er habe nichts überstürzt. Er wartete Stunde, Ort, Zeit und Person ab ... Nicht nur Resignation, sondern auch realistische Einschätzung politischer Methoden klingt aus einem bei ihm beliebten Diktum: ‚Es ist gut Verträge zu schließen, aber wehe dem, der sie hält.‘" (in: Ingetraut Ludolphy: Friedrich der Weise – Kurfürst von Sachsen 1463-1525, Leipzig 2006, S. 28, 30). Außerdem vertrat Friedrich III. die Meinung: "Nichts kann so scharfsinnig geplant werden, daß es nicht wiederum umgeworfen wird."

Seine Aufgabe als Landesvater nahm er sehr ernst. Papst Leo X. hielt ihn für den redlichsten und angesehensten Reichsfürsten des Heiligen Römischen Reiches. Seine Hauptvergnügen lagen in der Jagd, im Armbrustschießen, im Drechseln, im Herstellen von Medikamenten, im Sammeln von Kunstgegenständen und Reliquien und im Essen. Sein Körperumfang veranlaßte den päpstlichen Nuntius Aleander, ihm den Spitznamen „fettes Murmeltier mit den Augen eines Hundes“ zu geben. Obwohl Friedrich sehr gern der Jagd nachging, war er jedoch entschieden gegen alle kriegerischen Abenteuer. Als Beispiel hierfür wird von Luther die Erfurter Affäre genannt. Als dem Kurfürsten nämlich "Etliche riethen, er sollte Erfurt uberziehen und belagern, es würde uber fünf Mann nicht kosten, die da würden umkommen", da "wollt es" Friedrich der Weise "nicht thun und sprach: ‚Es wäre an einem zu viel.‘" (in: M. Luther: Werke, Kritische Gesamtausgabe ‚Weimarer Ausgabe‘, Weimar 1883ff, Tischreden, 5, 32, 3-6 und 408, 21f.). Man vergleiche hierzu die Mitteilung des Augsburger Bürgers Rem, wonach Kaiser Maximilian I. mit seinen Kriegen wohl an die 500.000 Menschen auf dem Gewissen gehabt hätte. (in: Hermann Wiesflecker, Kaiser Maximilian I. Das Reich, Österreich und Europa an der Wende zur Neuzeit. Bd. 1, München und Wien 1971, S. 411, Anm. 24). Dem Drechseln ging der Kurfürst wie viele seiner Zeitgenossen mit großer Leidenschaft nach. Von Kaiser Maximilian I. ist sogar noch die Drechselbank erhalten. Vom Erzbischof Hermann von Köln erfahren wir, dass Friedrich der Weise für sich und seine Freunde Armbrüste, Armbrustbolzen und auch Rosenkranzkugeln schnitzte. Als Kunstkenner geschätzt, fördete der sächsische Kurfürst unter anderen den Maler Albrecht Dürer und ernannte schließlich Lucas Cranach den Älteren (Abb. 171) spätestens im Jahr 1505 zu seinem Hofmaler.

Lucas Cranach der Ältere
Abb. 171: Lucas Cranach der Ältere, 1550
Albrecht von Brandenburg
Abb. 172: Albrecht von Brandenburg, Erzbischof von Mainz und Magdeburg und Bischof von Halberstadt, um 1518

Sein Hobby "Reliquiensammeln" teilte er mit vielen seiner reichen Zeitgenossen. "1509 besaß er schon 5.005 Reliquien, darunter mehrere Flaschen mit der Milch der Jungfrau Maria, Stroh von der Krippe Jesu und einen ganzen Körper eines der von König Herodes ermordeten Kinder." (in: Martin Treu: Martin Luther in Wittenberg – Ein biografischer Rundgang. Wittenberg 2010, S. 14-15). Aber außer Philipp II. von Spanien († 1598) und Albrecht von Brandenburg († 1545), dem Erzbischof von Mainz und Magdeburg und Bischof von Halberstadt (Abb. 172), besaß keiner eine vergleichbar große Sammlung wie er. Im Jahr 1493 hatte er eine Wallfahrt ins Heilige Land unternommen und sich teure Reliquien – unter anderem aus Rhodos einen Daumen der Heiligen Anna – mitgebracht. Im fortgeschrittenen Alter unterhielt er in der Wittenberger Schloßkirche eine der größten, mit päpstlichen Ablässen reich ausgestatteten Reliquiensammlungen. Im Jahre 1520 brachte sie es auf 19.013 Stück!

In der Geschichte ist sein Name eng verknüpft mit dem von Martin Luther (Abb. 173), der von ihm im Jahre 1508 aus Erfurt an die 1502 gegründete Universität Wittenberg berufen wurde. Martin Luther sollte ein Jahr lang einen Professor der Moralphilosophie in der Artistenfakultät vertreten. Nach Ablauf dieser Zeit kehrte er wieder nach Erfurt zurück, wurde dann jedoch 1511 erneut in Wittenberg gebraucht. Und am 31.10.1517 schlug er dann vor Wut über die Entartung des Ablaßhandels die 95 lateinischen Thesen an die Tür der Schloßkirche zu Wittenberg. Die Folgen sind bekannt.

Martin Luther, um 1532
Abb. 173: Martin Luther, um 1532
Georg Spalatin
Abb. 174: Georg Spalatin

Martin Luther hatte seine Rettung vor den katholischen Häschern besonders dem Hofkaplan Georg Spalatin († 1545) (Abb. 174) zu verdanken, der seinen Herrn, den Kurfürsten Friedrich, überzeugen konnte, daß er zu seinem Landeskind Martin Luther stehen müßte. Im Jahr 1521, als die Ächtung gegen Martin Luther ausgesprochen war, ließ Letzterer ihn schließlich auf der Wartburg heimlich unterbringen. Friedrich III. und Martin Luther waren sich, wie Georg Spalatin bestätigt, – vermutlich aus politischen und religiösen Gründen – nie persönlich begegnet. Wie gefährlich die Situation für Friedrich persönlich wegen seines Einsatzes für seine Geistlichen war, zeigt ein Schreiben des päpstlichen Nuntius Aleander an Papst Klemens VII. im Jahr 1523, in dem er den sächsischen Kurfürsten als ein Ungeheuer bezeichnete und riet, man solle diesem die Kurwürde nehmen und ihn in den Bann tun.

Sein privates Glück fand Friedrich mit der bürgerlichen Anna Weller (Abb. 175) aus Molsdorf (nicht aus Freiberg; Anna gehörte der bürgerlichen Familie Weller aus Molsdorf an und nicht der Familie Weller von Molsdorf aus Freiberg!), die ihm vier Kinder schenkte, die er sehr liebte. Anna Weller lebte sehr bescheiden und hielt in ihrem Haushalt nur einen alten Knecht, eine alte Frau und je nach Bedarf noch eine Säugamme. Laut der Herzogin von Rochlitz wurde sie, wenn Friedrich sie sehen wollte, „bei Nacht im Geheimen geholt“. (in: Rockwell, William Walker: Die Doppelehe des Landgrafen Philipp von Hessen, Marburg 1904, S. 153). Da er mit Anna Weller eine heimliche, morganatische Ehe eingegangen war und seine Kinder daher von der Erbfolge ausgeschlossen waren, folgte ihm, als er am 5.5.1525 gestorben war, sein jüngerer Bruder, Johann der Beständige (1468-1532) (Abb. 176), als neuer Landesherr. Johann war schon seit 1499 sein Mitregent und sicherte durch seinen legitim geborenen Sohn, Johann Friedrich den Großmütigen (Abb. 177), die Erbfolge in Kursachsen. Seinen Söhnen Fritz (Abb. 178) und Bastel hatte Friedrich in seinem Testament das Schloß Jessen und jedem eine jährliche Summe von 500 Gulden vermacht. Seine 13-jährige Tochter, deren Namen wir nicht kennen und die zum Zeitpunkt seines Todes bei einem gewissen Dr. Paßka in Magdeburg lebte, hatte er mit 500 Gulden bedacht.

Anna Weller
Abb. 175: Anna Weller, mit der der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise eine sogenannte heimliche Ehe eingegangen war
Johann der Beständige
Abb. 176: Johann der Beständige, um 1510-12
Johann Friedrich der Großmütige
Abb. 177: Johann Friedrich der Großmütige als Bräutigam
 
Friedrich oder Fritz, der älteste Sohn von Friedrich dem Weisen und Anna Weller
Abb. 178: Friedrich oder "Fritz", der älteste Sohn von Friedrich dem Weisen und Anna Weller, der sich hier mit einem Stirnband in den Farben seiner Grafschaft von Jessen und seiner Burg (im Hintergrund links) darstellen ließ

P.S.: Eine Anmerkung, die zeigt, wie weit die adligen und geistlichen Herren es mit dem Ablaßwesen trieben, in diesem Fall der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise bezüglich einer Steinbrücke in Torgau: "Die alte Holzbrücke hatte durch Hochwasser und Eisgang stark gelitten. Deshalb wollte der Kurfürst eine steinerne Verbindung der beiden Elbufer errichten lassen. Er setzte durch, daß die Päpste Innozenz VIII., Alexander VI., Julius II. und Leo X. Ablässe zur Aufbringung der Baukosten ausschrieben. Diese Bullen erlaubten jedem kurfürstlichen Untertan, der 20 Jahre lang jährlich den zwanzigsten Teil eines rheinischen Guldens zum Brückenbau in Torgau erlegte, in der Fastenzeit „Milchwerk“ und Butter zu essen, „darunter kese nach babstlich erklerung begriffen.“" (in: Ingetraut Ludolphy: Friedrich der Weise – Kurfürst von Sachsen 1463-1525, Leipzig 2006, S. 126).


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