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Begegnungen mit Zeitgenossen der Renaissance

Hans Holbein der Jüngere: Aussätziger Jüngling, 1523

Aussätziger Jüngling
Aussätziger Jüngling, 1523

Der Ausschluß der Aussätzigen oder Leprösen aus der menschlichen Gesellschaft

Nach einem strengen Ritual wurde für den Aussätzigen in Gegenwart der Gemeinde ein Requiem gelesen, wobei in manchen Gegenden der Leprose während der Messe auf der Totenbahre zugedeckt mit dem schwarzen Leichentuch lag. In Trier begleitete der Geistliche den Aussätzigen zur Leproserie (= das Leprahospital außerhalb der Stadt) und las ihm dann die für die Leprosen geltenden Vorschriften vor:

  1. „Es ist dir verboten, jemals in die Kirchen, auf den Markt, in die Mühle, an den Backofen und in die Volksversammlungen zu gehen.
  2. Es ist dir verboten, deine Hände, und was du sonst zu waschen nötig hast, in Quellen und Rinnen von irgendwelchem Wasser zu waschen, und wenn du trinken willst, so sollst du das Wasser mit deinem Becher oder irgendeinem anderen Gefäße schöpfen.
  3. Ich gebiete dir außerdem, nur einherzugehen in deinem Leprosenanzuge, damit du von anderen erkannt werden kannst, und du sollst nicht barfuß außerhalb des Hauses gehen.
  4. Ich lege dir ans Herz, daß du nicht irgendeine Sache, die du kaufen willst, wo es auch sei, anrührest, sondern diese nur mit einer Gerte oder einem Stäbchen berührest, damit man erkenne, was für eine Sache es sei.
  5. Ferner trage ich dir auf, daß du nicht in ein Wirtshaus oder in andere Häuser gehest, und wenn du Wein kaufst oder was dir sonst gereicht wird, so tue es in dein Fläschchen.
  6. Ferner befehle ich dir, nicht mit irgendeinem Weibe, auch nicht mit deiner Frau, umzugehen.
  7. Ferner befehle ich dir, wenn auf dem Wege dir jemand begegnet und dich befragt, daß du nicht antwortest, bis du aus der Windrichtung gegangen bist, damit er nicht von dir den Tod empfange, und du sollst nicht geraden Weges auf jemanden zugehen.
  8. Ferner befehle ich dir, daß, wenn du über einen Steg oder über ein Wasser gehen mußt oder auch anderswohin, daß du nicht die Balken oder das Geländer anrührest, bevor du nicht deine Handschuhe angezogen hast.
  9. Ferner befehle ich dir, daß du keine Kinder oder irgendwelche andere junge Leute anrührest und ihnen etwas von deiner Habe gibst.
  10. Ferner befehle ich dir, daß du in Gesellschaft anderer Leute nicht essest und trinkest, sondern nur mit Aussätzigen, und wisse, daß, wenn du in deinem Hause gestorben sein wirst, du nicht in der Kirche beigesetzt werden wirst.“

(in: Seuchen in der Geschichte = Geschichte betrifft uns, 3/1988, S. 14)


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