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Begegnungen mit Zeitgenossen der Renaissance

Lorenzo Lotto (?): Männerbildnis

Männerbildnis
Männerbildnis

Syphilis statt Aids

Angst und Schrecken verbreitete gegen Ende des 15. Jhs. und im gesamten 16. Jh. die Lustseuche „Syphilis“, die Columbus und seine Besatzung aus dem 1492 neuentdeckten Amerika mitgebracht hatten. Seit dieser Zeit hielt diese neue Geschlechtskrankheit ihren Siegeszug in Europa und machte vor keiner sozialen Klasse Halt. Landsknechte, Prostituierte, Vagabunden, Könige und Kaiser z.B. Kaiser Maximilian I., Päpste z.B. Papst Julius II., Bischöfe, Domherren, Grafen, Patrizier, Mönche und Nonnen hatten an ihr zu leiden.

Schon gegen Ende des 15. Jhs. wußte man, daß man sich die Krankheit hauptsächlich über den Geschlechtsverkehr zuziehen konnte. Aber im Gegensatz zu unserem heutigen Problem Aids konnte die Erkrankung damals auch durch Berührung erkrankter Haut- bzw. Schleimhautstellen, durch das Tragen fremder Kleidung und durch das gemeinsame Benutzen von Eß- und Trinkgeschirr übertragen werden.

Hatte man sich angesteckt, bildeten sich zuerst nur flache Hautgeschwüre an den Genitalien oder an anderen Stellen des Körpers. Dann folgten Hautausschläge am gesamten Körper. Bis zu markstückgroße Hautknötchen, die von einer gelblich-dicken Borke überzogen waren, bildeten sich im Gesicht, an den Armen, den Beinen und am restlichen Rumpf. Erst nach Monaten pflegten sie unter Bildung von netzartigen Narben abzuheilen. Bei einigen Syphiliserkrankten jedoch begannen sie auch zu wuchern, zu zerfallen und tieffressende Geschwüre zu bilden. Im dritten Stadium traten dann nach fünf, zehn oder noch mehr Jahren Hirnerweichung, Rückenmarkschwindsucht, Lähmung der Gliedmaßen, Lungenzerfall, Herzmuskelerkrankungen, Leberschrumpfung, Gefäßerkrankungen, Schrumpfniere, Geschwürbildungen an Magen und Darm, Geschwürbildungen am ganzen Körper und die Knochenzerstörungen auf. Dabei konnten sich die zerfressenen, aufgetriebenen Knochen säbelartig krümmen. Wenn die Krankheit schließlich auf die Bänder und Sehnen übergriff, kam es sogar zu Spontanverrenkungen, die so große Schmerzen verursachten, daß viele Betroffene keinen anderen Ausweg mehr als den Selbstmord sahen.

Geholfen werden konnte den Erkrankten nicht. Nur der Tod erlöste die Leidenden. Aber natürlich versuchte man zu heilen. Um 1500 gab es zwei Verfahren: Die Schmier- und die Holzkur. Bei der Schmierkur wurde der Erkrankte mit einer Quecksilber-Schweineschmalz-Emulsion eingerieben; bei der Holzkur benutzte man das teure, dunkle und schwere Guajakholz. Seine geschabten Späne wurden zu Aufgüssen gebrüht, deren Schaum man zu Umschlägen verwendete. 1529 brachte Paracelsus die Holzkur jedoch in Verruf, so daß letztendlich nur noch die Schmierkur angewendet wurde. Nach heutiger Sicht war das bedauerlich, denn die Holzkur war mit einer zusätzlichen Schwitzkur verbunden gewesen, die z.T. Erfolge erzielte.

Die noch gesunde Bevölkerung reagierte mit diesem lebensbedrohlichen Problem wie gewöhnlich mit der Isolierung der Kranken. Entweder kamen diese in speziellen Sondersiechenhäusern unter oder durften - wie in Frankfurt am Main - ihre Wohnungen nicht mehr verlassen. Schlimmstenfalls trieb man sie aus ihren Städten oder Dörfern und überließ sie ihrem eigenen Schicksal.

P.S: Sehr interessant ist der folgende Bericht über die Syphilis, den der Venezianer Marin Sanudo (1466-1536) bereits im Juli 1496, also nur wenige Jahre nachdem diese Geschlechtskrankheit im Abendland ausgebrochen war, verfasst hatte: „Vorauszuschicken ist, dass als Folge von himmlischen Einflüssen in den vergangenen zwei Jahren, das heißt, seit der Ankunft der Franzosen in Italien, in den menschlichen Körpern eine neue Krankheit entdeckt worden ist. Sie wird die Französische Krankheit genannt und hat sich ausgebreitet in ganz Italien, Griechenland, Spanien und fast in der gesamten Welt. Von ihrer Veranlagung her schwächt sie die Glieder durch Gicht, besonders die Hände und Füße, und führt am gesamten Körper und im Gesicht zu Pusteln und geschwollenen, mit Flüssigkeit gefüllten Blasen. Hinzu kommen noch Fieber und Schmerzen in den Gelenken. Die gesamte Haut ist mit Pickeln übersät, einschließlich des Gesichtes bis zu den Augen, wie wir es von den Pocken her kennen, und bei den Frauen von den Oberschenkeln bis zur Vagina. Es ist eine solch schmerzende Krankheit, dass die Patienten den Tod wünschen. Diese Krankheit hat ihren Ursprung im Intimbereich und breitet sich durch Geschlechtsverkehr und auf keine andere Weise aus. Es wird gesagt, dass auch Kinder sie haben. Die Leute brauchen eine lange Zeit, um sich zu erholen, und alle sagen, es ist eine schmutzige Krankheit. Es sterben jedoch nur wenige an ihr. Viele sagen, dass sie von den Franzosen [in unser Land] gebracht wurde, dennoch haben diese sie auch [erst] seit den letzten zwei Jahren. Sie nennen sie die Italienische Krankheit." (in: Venice – Cítà Excelentissima – Selections from the Renaissance Diaries of Marin Sanudo. Edited by Patricia H. Labalme and Laura Sanguineti White. Translated by Linda L. Carroll. Baltimore 2008, S. 328-29)


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