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Begegnungen mit Zeitgenossen der Renaissance

Unbekannter Maler: Franz-Hercule von Alençon, der Herzog von Anjou

Franz-Hercule von Alençon, der Herzog von Anjou
Franz-Hercule von Alençon, der Herzog von Anjou

Franz-Hercule von Alençon, Herzog von Anjou

Franz-Hercule von Alençon wurde als achtes Kind von Katharina de' Medici (Abb. 274) und Heinrich II. († 1559) (Abb. 275), dem König von Frankreich, am 18.3.1555 geboren. Ursprünglich hieß er eigentlich Hercule, wurde aber – wie es in den adligen Kreisen häufig üblich war – nach dem Tode seines ältesten Bruders, Franz II. († 1560) (Abb. 276), nach diesem benannt.

Katharina de' Medici, um 1555
Abb. 274: Katharina de' Medici, um 1555
Heinrich II. von Frankreich
Abb. 275: Heinrich II. von Frankreich
 
Franz II. von Frankreich, 1560
Abb. 276: Franz II. von Frankreich, 1560
Karl IX. von Frankreich, 1572
Abb. 277: Karl IX. von Frankreich, 1572

Seine Zeitgenossen berichten sehr unterschiedlich von ihm. Er galt als kränklich, klein, treulos, schwierig, unberechenbar, skrupellos, brutal, eitel und besaß eine blütenzarte Haut oder, wie andere behaupteten, ein von Pockennarben entstelltes Gesicht. Auch die Aussage, er hätte einen riesenhaften Auswuchs auf der Nase gehabt, der angeblich zu dem Beinamen „Der Mann mit den zwei Nasen“ geführt hätte, ist weder durch sein Bildnis noch durch andere, nicht auf Gerüchten basierenden Beschreibungen zu bestätigen. Tatsache war jedoch, daß er seine beiden Brüder, Karl IX. (geb. am 27.6.1550) (Abb. 277) und Heinrich III. (geb. am 20.9.1551) (Abb. 278), über alles haßte und besonders auf Heinrich wegen seiner bevorzugten Stellung bei der Mutter sehr eifersüchtig war. Um sich von seinen Brüdern grundlegend zu unterscheiden, trat er als protestantisch gesinnter französischer Prinz auf, der bereits 1573 von den Flamen gebeten wurde, den Oberbefehl ihrer Truppen gegen die Spanier zu übernehmen.

Heinrich III. von Frankreich
Abb. 278: Heinrich III. von Frankreich

Seit 1578 bestand für ihn überdies die Möglichkeit, König von England zu werden, da er als Heiratskandidat Elizabeths I. (Abb. 279) große Chancen hatte. Auch sein Bruder Heinrich III. kam schon einmal im Jahre 1570 als zukünftiger Gatte der englischen Königin ins Gespräch. Da Heinrich jedoch unmögliche Forderungen (z.B. nach freier Religionsausübung) im Falle einer Eheschließung stellte, wurde der Plan damals zu den Akten gelegt. Der 24-jährige Franz-Hercule und die 46-jährige Elizabeth I., zwischen denen seit 1578 ein reger Briefkontakt bestand, trafen sich im August 1579 inkognito an ihrem Hof. Da die zeitgenössischen englischen Berichte ihn als klein, mit einem von Pockennarben entstellten Gesicht und einer unförmigen Knollennase beschrieben hatten, war Elizabeth angenehm überrascht, das, wie sie betonte, Gegenteil vorzufinden. Sie fand Franz-Hercule keineswegs häßlich und genoß seine Verehrung und seine temperamentvoll dargebrachten Liebesschwüre. Und wie allen ihren Günstlingen gab sie auch ihm einen Spitznamen. Er hieß bei ihr hinfort nur noch „ihr Frosch“. Der venezianische Gesandte erzählte, daß Elizabeth I. dem französischen Prinzen täglich höchstpersönlich seine Schokolade ans Bett bringen würde, und daß Franz-Hercule sich ihr in einem fleischfarbenen Trikot gezeigt habe, um Gerüchte zu widerlegen, er sei verwachsen.

Elizabeth I. von England, um 1580
Abb. 279: Elizabeth I. von England, um 1580

Auch nach diesem ersten Aufenthalt in England schrieben sich Elizabeth und Franz-Hercule fleißig weiterhin Briefe. Derweil hatten die Generalstände der Niederlande Franz-Hercule im Jahre 1580 angeboten, ihn als Souveränen, als Herzog von Brabant, anzuerkennen. Seit dem 19.2.1582 war er sozusagen ihr König geworden. Elizabeth, die er im Oktober 1581 ein zweites Mal in England besucht hatte, unterstützte ihn bei seinen niederländischen Unternehmungen finanziell recht großzügig. Sie schien wirklich eine starke Zuneigung für ihn empfunden zu haben. Trotzdem erklärte sie ihm bei seinem Besuch 1581, daß sie „ihr Glück dem Wohle ihres Volkes opfern und nicht heiraten wolle“. Franz-Hercule nahm es gelassen hin und blieb noch mehrere Monate an ihrem Hof. Was „die ewige Jungfrau“ Elizabeth I. sehr erfreute. Auch weiterhin tauschten die beiden Liebesbriefe miteinander aus. Vielleicht stimmen die Gerüchte, daß Elizabeth durch besondere Erlebnisse in ihrer Jungmädchenzeit Angst vor der Sexualität hatte und nicht wagte, ihre eigenen körperlichen Wünsche zu erfüllen. Seit 1583 zeichnete sich bei Franz-Hercule jedoch bereits die Krankheit, vermutlich Tuberkulose, ab, an der er am 10.6.1584 sterben sollte.

Elizabeth ordnete sofort nach Bekanntgabe seines Todes Hoftrauer an und soll für die nächsten Wochen kaum ansprechbar gewesen sein. Sie hatte ihren „Frosch“ sehr gern gehabt und vergaß bis zu ihrem eigenen Ableben im Jahre 1603 nicht ein einziges Mal seinen Todestag, der für sie stets ein Trauertag war.


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