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Damals, im 16. Jahrhundert ...

Die unzähligen Gänge beim adligen Festessen

Die festlichen Höhepunkte jedes hohen Adligen des 16. Jahrhunderts stellten die Hochzeiten und Taufen in der Familie oder bei Freunden und Bekannten dar. Sie boten nicht nur die Gelegenheit, Familienmitglieder, Verwandte und Freunde wiederzusehen, neue Bündnispartner zu gewinnen, Freundschaften zu bestätigen oder zu schließen, die zukünftigen Ehepartner zu finden, sich mit seinesgleichen sportlich in den unzähligen Turnieren und Wettspielen zu messen und / oder als Gastgeber zu imponieren, sondern auch um kräftig zu speisen und viel zu viel zu trinken. Kaum ein hoher adliger Herr des 16. Jahrhunderts litt nicht an starkem Übergewicht. Herzinfarkte und Schlaganfälle stellten daher bei ihnen sehr häufig die Todesursache dar. Je mehr Gäste zum festlichen Anlass erschienen, je ausgewählter und raffinierter die Speisen waren, je mehr man die Gäste zum Staunen bringen konnte, umso zufriedener durfte der Gastgeber sein.

So erschienen anlässlich der Hochzeit von Sidonie von Sachsen (1518-1575), einer Schwester des sächsischen Kurfürsten Moritz, und Erich II., dem Herzog von Braunschweig-Lüneburg-Calenberg (1528-1584), die am 17. Mai 1545 zelebriert wurde, etwa 350 Gäste, und für diese wurden allein 200 Rinder geschlachtet. Das Hochzeitsfest währte immerhin auch 11 Tage! (in: Helga-Maria Kühn, Eine „unverstorbene Witwe“ Sidonia Herzogin zu Braunschweig-Lüneburg geborene Herzogin zu Sachsen 1518-1575 – Ein aus Archivquellen nachgezeichneter Lebensweg, Hannover 2009, S. 43-44). Die Ehe verlief übrigens sehr unglücklich. Erich II. versuchte sich bereits im Jahr 1549 von seiner Gattin zu trennen. Als Grund zur Auflösung der Ehe nannte er, der mittlerweile zum Katholizismus übergetreten war, die Weigerung seiner Gattin, ihre Konfession ebenfalls zu wechseln. Als dies nicht als Grund zur Auflösung seiner Ehe akzeptiert wurde, versuchte er Sidonie seit 1572 als Hexe zu diffamieren, was ihm ebenfalls nicht gelang.

Anlässlich der Hochzeit von Magdalene von Sachsen (1507-1535), einer Cousine von Sidonie von Sachsen, mit dem zukünftigen Kurfürsten Joachim II. von Brandenburg (1505-1571), die am 6. November 1524 in Dresden zelebriert wurde, hielt man nicht nur voller Stolz fest, wer alles erschien, sondern auch wie viele Gäste insgesamt das Hochzeitsfest mit den Frischvermählten feierten. So zählten unter den Gästen Magdalenes Schwager, der Landgraf Philipp I. von Hessen, Magdalenes Onkel, Herzog Heinrich der Fromme, mit seiner Gattin, Katharina von Mecklenburg-Schwerin, und seinen Töchtern, Sibylle, Aemilie und Sidonie, entfernte Verwandte wie der sächsische Kurfürst Johann der Beständige mit seinem ältesten Sohn Johann Friedrich, Magdalenes Schwiegereltern, Kurfürst Joachim I. von Brandenburg, und seine Gattin, Elisabeth von Dänemark, Schweden und Norwegen, und ihre Kinder, Anna (1507-1567), Elisabeth (1510-1558), Margarete (1511-1577) und Johann (1513-1571). An der Hochzeit nahmen „24 Fürsten, 10 Fürstinnen, 119 geschmückte Frauen und Jungfrauen, 16 Grafen und eine merkliche Zahl von Rittern und Edlen“ teil, „welche mit ihren Dienern 2094 Pferde brauchten. Dazu kamen auch etliche von dem sächsischen Landadel mit ihren Edelfrauen und Töchtern ...“ (in: Ernst Daniel Martin Kirchner, Die Churfürstinnen und Königinnen auf dem Throne der Hohenzollern, Band 1, Berlin 1866, S. 291-292). Für Letztere wurden weitere 850 Pferde benötigt.

Schriftlich festgehalten wurden auch die vier Gänge des Hochzeitsessens. Im ersten Gang wurde Folgendes aufgetragen: „ein Auerhahn mit einer gehämmerten [geschlagenen] süssen Sahne, grünes Gemüse, Gebratenes, Mandeltorte, Confect; dabei ein Schauessen, nämlich Adam und Eva in einem Garten, zwischen ihnen ein grüner Baum mit einer Schlange, einen Apfel im Maul“; im zweiten Gang: „Schweine-Wildpret, gebratene Spanferkel, wilde Hühner; dabei ein Schauessen: Abraham seinen Sohn opfernd, ein Thurm von Zucker und Mandeln“; im dritten Gang: „Grüne Hechte, heisse Kuchen mit Oblaten, Pasteten, darin eine Rehkeule, vergoldet. Dabei als Schauessen: der Tod der heiligen Katharina in einem süssen Mandelmus“. Im letzten und vierten Gang gab es schließlich: „Gepresste Schweinsköpfe mit Aepfeln und Weinessig, Birnen in einer süssen Brühe, Gebackenes. Als Schauessen: eine hohe Galerte von Fischen, vergoldet, und die Arche des Noa [Noah] mit bei liegenden Oblaten von Zucker gebacken.“ (in: Ernst Daniel Martin Kirchner, Die Churfürstinnen und Königinnen auf dem Throne der Hohenzollern, Band 1, ebenda, S. 293).

Die Speisekarte anlässlich der Taufe des ersten Sohnes des berühmten Wilhelm von Oraniens (1533-1584) aus seiner zweiten Ehe mit Anna von Sachsen (1544-1577), der einzigen Tochter des sächsischen Kurfürsten Moritz, des Prinzen Moritz August Philipp, am 4. Februar 1565 in Breda enthielt Folgendes: Der erste Gang wies auf: „Rothe Carotten. Endivien. Granatäpfel. Citronen. Petersilie. Salat imperiale. Gefüllte junge Hühner. Grünes Kalbfleisch. Gebratene Kapaunen. Torten von Blanc manger [Mandelsulz]. Gefülltes Hammelfleisch. Kleine Pastetchen. Warme Wildpretspasteten. Gebratene junge Gaisen [Gamswild]. Gebratene Fasanen. Gebratene Löffelgänse. Gebratene Tauben. Gebratene Reiher. Gebratene wilde Gänse. Gebratene Pfauen“; der zweite Gang: „Gesottnes Hammelfleisch. Gesottnes Lammfleisch. Gesottne junge Gaisen. Junge versottne Hähne. Schweinewildpret. Hirschwildpret in Pfeffer. Warme Kapaunpasteten. Pasteten von Lammfleisch. Pasteten von Finken. Torten von Kalbfleisch. Gefuldirte (gefüllte?) Pasteten. Gebratenes Kalbfleisch. Sigotten (gigots) [Keulen] von Hammeln mit Haschée. Gebratene Feldhühner. Gebratene junge Hühner. Gebratene Krammetsvögel [Wacholderdrosseln]. Gebratene Kaninchen. Gebratener Auerhahn. Gebratenes Birkhuhn. Gebratenes Haselhuhn. Gebratene grobe Vögel. Kleine gebratene Vögel. Gebratene Sardellen. Oliven. Capern. Pommeranzen [Bitterorangen]. Citronen“; der dritte Gang: „Kalter Schwan. Kalter westphälischer Schinken. Geräucherte Zunge. Kaltes Hirschwildpret. Wildpretpastete. Calecutische Hühnerpastete [eine Art großer Hühner]. Fasanenpastete. Schwanpastete. Hasenpastete. Kaninchenpastete. Feldhühnerpastete. Reiherpastete. Wilder Schweinskopf. Saussissen de Bologne [Würstchen]. Blanc manger. Pastete von Schinken. Gelatine von Spanferkeln“, und der vierte Gang: „Parmesankäse. Confect von Birnen. Coriander. Englische Torten. Pframen Torten. Oblien, Rosquillen [spanisches Gebäck]. Zinkher Waffeln. Gekrönte Zinkher Kuchen. Gekrönte Rollen. Marcipan mit Pommeranzen. Früchte von Genua. Marmeladen. Succaden. Pingelanten. Pasteten von Aalen. Misquois. Pommeranzenblüthen. Römischer Caneel. Zinkher Rieten. Tortilles. Pistazien. Roffiolat gefoltiert. Mandeltorten. Zinkher Torten gefoltiert. Mousqueten.“ (in: Karl von Weber, Anna Churfürstin zu Sachsen, geboren aus Königlichem Stamm zu Dänemark: Ein Lebens- und Sittenbild aus dem sechzehnten Jahrhundert, Leipzig 1865, S. 104-107).

Im 16. Jahrhundert durften auf keinem fürstlichen Bankett die adligen Lieblingsgerichte, die Schwanen- und die Pfauenbraten, fehlen. Sehr beliebt waren auch die gebratenen Biberschwänze. Letztere und auch die gebratenen Bärentatzen galten als wahre Delikatesse. Bei den Obstsorten waren Quitten und Mispeln beliebt. Ja, es gab im 16. Jahrhundert eine ganze Reihe von Speisen und Getränken, die wir heute nicht mehr anrühren würden. Apropos Getränke: Der Kurfürst August von Sachsen liebte in seinem jungen Wein „einen Schuss Milch“!


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