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Damals, im 16. Jahrhundert ...

Der so ganz andere Papst, Papst Hadrian VI.

Papst Hadrian VI.
Papst Hadrian VI.

Nach den Päpsten Sixtus IV. (+ 1484), Alexander VI. (+ 1503), Julius II. (+ 1513) und Leo X. (1521), die entweder auf sehr großem Fuß gelebt hatten und/oder nur auf den Vorteil ihrer Familienmitglieder bedacht gewesen waren oder Italien mit Krieg überzogen hatten, muss Papst Hadrian VI. seine Mitmenschen und auch seine geistlichen Kollegen, ob hoch oder niedrig, durch sein völliges "Anderssein" in wahres Erstaunen versetzt haben. Viele werden große Probleme gehabt haben, diesen Papst überhaupt zu begreifen. Musste er wirklich Jesus Christus in dessen Bescheidenheit folgen? Wo waren die prächtigen Feiern im Vatikan geblieben? Warum wurde das Geld nicht mehr mit beiden Händen aus dem "päpstlichen" Fenster geworfen, damit sich jedermann daran bereichern konnte? Dies fragten sich nicht nur die venezianischen Botschafter, nachdem sie den Papst persönlich kennengelernt hatten. Marino Sanudo (1466-1536) hielt ihre schriftlichen Bemerkungen bezüglich des Papstes Hadrian VI. am 25. Mai 1523 in seinen Notizen fest: "Dieser Papst steht lange vor Tagesanbruch auf, sagt seine Kanzlei, und kehrt dann ins Bett zurück bis zum Morgengrauen, wenn er [wieder] aufsteht und die Messe zelebriert. Wenn er seine liturgischen Gewänder abgelegt hat, verbringt er mehrere Stunden im Gebet und nach einer Weile lässt er seinen Kaplan die Messe halten, während er sie besucht. Nur danach lässt er andere zu sich kommen und gewährt ihnen eine kleine Anzahl von Audienzen. Hierin ist er ziemlich sparsam, besonders weil sein Mangel an Erfahrung ihn unentschlossen macht, so dass seine erste Antwort in jeder Angelegenheit, ob es sich um eine große oder kleine handelt, "Videbimus" [Wir werden sehen] ist. Er weigert sich, Ratschläge von auch nur einem seiner Kardinäle zu suchen, traut nicht einmal dem höchst ehrwürdigen [Kardinal] Campeggio, der ihm beträchtlich geholfen hat, so dass er wenige Angelegenheiten vorantreibt und [schließlich] jeder unglücklich ist ... Der Papst wünscht, einen großen Teil des Tages dem Studium zu widmen; er ist nicht zufrieden, nur zu lesen, sondern wünscht auch zu schreiben und zu verfassen. Dies lenkt ihn von seinen päpstlichen Pflichten ab, so dass zwischen Messen, Gebeten, Hauptmahlzeit, (Zwischendrin)-Schläfchen, dem Studium, dem Gottesdienst und dem Abendessen der Großteil des Tages belegt ist, so dass er nur wenige Audienzen gewähren kann. Darüber hinaus gibt es an drei Morgen in der Woche, am Montag, am Mittwoch und am Freitag, die gewöhnlichen Konsistorien, zu denen noch zusätzlich häufig die speziellen Versammlungen der Kardinäle kommen.

Der Papst gibt am Tag nur einen Dukaten für seine Lebensmittel aus. Am Abend nimmt er diesen aus seiner eigenen Tasche heraus und gibt ihn seinem persönlichen Haushofmeister, dabei sagt er, "Kaufe davon das Essen für morgen." Seine Kost besteht aus einigem Kalb-, Rindfleisch, Hühnchen, manchmal gewöhnlichen und sehr einfachen Fischsuppen, die man normalerweise zu den Nachtwachen an Feiertagen zu sich nimmt. Er brachte eine Frau aus seinem eigenen Land [Flandern] mit, die für ihn kocht und die sein Bett macht und die seine Kleidung wäscht. Hinter seiner Kammer hat er einen Studierraum voll mit Büchern, wo er studiert und wo er die Mehrzahl seiner geheimsten Audienzen hält ..." (in: Venice – Cítà Excelentissima – Selections from the Renaissance Diaries of Marin Sanudo. Edited by Patricia H. Labalme and Laura Sanguineti White. Translated by Linda L. Carroll. Baltimore 2008, S. 181-182).


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