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Frauenschicksale aus dem 15. und 16. Jahrhundert

Elisabeth I. von England (1533-1603) - Die größte Politikerin des 16. Jahrhunderts

Königin Elisabeth I. von England
Abb. 80: Königin Elisabeth I. von England

Elisabeth I. (Abb. 80), eine der bedeutendsten Herrscherinnen der europäischen Weltgeschichte, wurde als einziges Kind von Anne Boleyn (Abb. 81), der zweiten Gattin des englischen Königs Heinrich VIII., an einem Sonntag, den 7.9.1533, in Greenwich geboren. Ihre Kindheit und ihre Jugendzeit verliefen ebenso unerfreulich und dramatisch wie die ihrer Halbschwester Maria Tudor (Abb. 82). Bereits 1536/37 geriet sie nach der Hinrichtung ihrer Mutter und nach der Geburt ihres Halbbruders Eduard VI. als für unehelich erklärtes Königskind in Vergessenheit. Im Jahre 1543 wurde sie dann jedoch wie ihre Halbschwester Maria durch einen Parlamentsbeschluß wieder in die Thronfolge eingereiht.

Als Kind wurde sie von ihren Zeitgenossen als ein lebhaftes Geschöpf mit rotblonden Haaren, braunen Augen, sehr weißer Haut und als sehr intelligent beschrieben. Wie bei ihrem Bruder Eduard VI., zu dem sie zeitlebens ein sehr gutes Verhältnis hatte, war ihre Erziehung streng und umfassend. Ihre Hauslehrer, Richard Cox, John Cheke, William Grindal und Roger Ascham, stammten allesamt aus Cambridge und stellten entweder junge Gelehrte oder renommierte Autoren dar. Seit 1544 lebte sie am Hofe ihrer über alles geliebten Stiefmutter Catherine Parr (Abb. 83), zu der sie sich sehr hingezogen fühlte. Catherine Parr nahm auch großen Anteil an der theologischen Erziehung ihrer Stieftochter.

Sprachbegabt wie ihr Großvater Thomas Boleyn und ihre Mutter Anne Boleyn beherrschte Elisabeth schon als Zehnjährige das Französische und das Italienische perfekt. Auch in der spanischen Sprache konnte sie sich ausgezeichnet verständigen, was ihr später die Möglichkeit geben sollte, ohne Dolmetscher und mitunter ohne Wissen des Staatsrates mit fremden Gesandten zu verhandeln. Als Erwachsene war sie außerdem in der Lage, an den Universitäten mit den Gelehrten ohne Schwierigkeiten in Latein zu disputieren und in ihrer Freizeit lateinische und altgriechische Quellen zu übersetzen. Sie erhielt ferner Musikunterricht und spielte das Clavecin (Spinett) außergewöhnlich gut. Großes Interesse zeigte sie für die Politik und die Philosophie, weniger jedoch für die typischen Frauenbeschäftigungen wie Nähen, Sticken oder andere "weibliche" Fertigkeiten. Einer ihrer Lehrer, der führende englische Gelehrte Roger Ascham, schrieb im Jahre 1550 voller Stolz über seine Schülerin folgendes an seinen Freund Sturm in Straßburg: "Ihr Verstand hat keine weibliche Schwäche; ihre Beharrlichkeit kommt der eines Mannes gleich; ihr Gedächtnis behält dauerhaft, was es schnell auffaßt. Sie spricht Französisch und Italienisch so gut wie das Englische; sie hat sich oft mit mir in fließendem und richtigem Latein und im befriedigendem Griechisch unterhalten. Wenn sie Griechisch und Latein schreibt, gibt es nichts Schöneres als ihre Handschrift ... Ich tue nichts hinzu, mein lieber Sturm; es ist nicht nötig." (in: Ulrich Suerbaum, Das Elisabethanische Zeitalter, Stuttgart 1989, S. 93).

Anna Boleyn
Abb. 81: Anne Boleyn, die zweite Gattin von Heinrich VIII. von England
Maria Tudor
Abb. 82: Maria Tudor
Catharine Parr
Abb. 83: Catharine Parr, die sechste Gattin von Heinrich VIII. von England

Als ihr Vater, den sie vergötterte und bewunderte, am 28.1.1547 gestorben war, lebte sie zunächst mit ihrer Stiefmutter und deren neuem Gatten, Sir Thomas Seymour, in Chelsea, in Hanworth und schließlich im Sudeley Schloß. Aber das Dreierverhältnis wurde angeblich schon bald schwer belastet, da Thomas Seymour bereits kurz nach seinem Einzug mit Elisabeth zu flirten begonnen hätte. Catherine Parr bat – nach den Aussagen der einzigen Gewährsfrau für diese Geschichte, Mrs. Astley († 1565) (NICHT: Ashley), der Erzieherin und Hofmeisterin Elisabeths – von Eifersucht getrieben, um Elisabeths Auszug. Und so verließ die junge Prinzessin Pfingsten 1548 das Sudeley Schloß und zog nach Cheshunt.

Nachdem ihre Stiefmutter bereits im September 1548 am Kindbettfieber gestorben war, soll Thomas Seymour angeblich um ihre Hand angehalten haben. Vielleicht sollte – wenn es sich hierbei nicht um ein bloßes Gerücht gehandelt hat – Elisabeth ihn über den Tod seiner über alles geliebten Frau hinweghelfen! Bei dieser Werbung hätte jedoch nicht nur seine Liebe zu der jungen Prinzessin, sondern auch sein Machtwille eine bedeutende Rolle gespielt. Denn er wollte die Herrschaft seines Bruders Eduard Seymour, des Lordprotektors, stürzen und Ratgeber seines königlichen Neffen Eduard VI. werden. Seine Verschwörung wurde jedoch rechtzeitig entdeckt und mit seiner Hinrichtung 1549 beendet.

Als Elisabeths Halbbruder Eduard VI. am 6.7.1553 an der Schwindsucht gestorben war, kam ihre Halbschwester Maria Tudor auf den Thron. Während deren gesamter Regierungszeit versuchte die protestantische Opposition Elisabeth zum Haupt bzw. zur Schlüsselfigur ihrer Bewegung zu machen. Schließlich bot die junge Prinzessin für alle, die sich geschworen hatten, Maria aus Glaubensgründen oder auch später wegen ihrer spanischen Heirat abzusetzen, die einzige Alternative zur Königin.

Deswegen unterstellte ihr Maria Tudor auch, daß sie am Komplott des Thomas Wyatt, eines Sohnes des gleichnamigen Dichters, im Januar und Februar 1554 beteiligt war. Schließlich beeidigten Zeugen, daß die junge Prinzessin in Ashridge von Mitgliedern des Aufstandes besucht worden wäre. Daraufhin wurde Elisabeth mehrere Wochen lang im Schloß Whitehall gefangengehalten und, nachdem Wyatt unter der Folter ihre Mitwisserschaft gestanden hatte, in den Tower eingewiesen. Obwohl Thomas Wyatt seine Aussage diesbezüglich am 11.4.1554 auf dem Schafott kategorisch widerrief, blieb Elisabeth noch zwei weitere Monate hindurch Gefangene des Towers und mußte weiterhin jederzeit mit ihrer eigenen Hinrichtung rechnen.

Als sich ihre Gegner jedoch eingestehen mußten, daß die Beweise für Elisabeths Verurteilung nicht ausreichten, wurde sie nach Woodstock in Oxfordshire gebracht. Hier lebte sie in völliger Einsamkeit bis gegen Ende April 1555. Erst zu diesem Zeitpunkt durfte sie wieder als freier Mensch am Hofe ihrer Schwester leben. Da Maria und ihre Ratgeber Elisabeth als Brennpunkt der Opposition gegen die von der Königin geplante spanische Heirat sahen, wollte man sie durch eine Vermählung zuerst mit einem unbedeutenden deutschen Fürsten und dann seit 1555 mit dem Herzog Emanuel Philibert von Savoyen außer Landes schaffen. Aber Elisabeth weigerte sich strikt zu heiraten und war selbst durch Drohungen, nicht zu einer Einwilligung zu bringen.

Das Verhältnis zwischen den beiden Halbschwestern blieb somit wie bisher gespannt. Noch im Juli 1557 hatte sich Maria einer Nachfolge Elisabeths ganz energisch widersetzt, "da sie von einer ehrlosen Frau geboren wurde, die sowohl die Königin, ihre Mutter, als auch sie selbst so schmählich behandelt hat." (in: David M. Loades, ebenda, S. 406).

Es dauerte bis zum 28.10.1558, bis Maria Tudor in einem Kodizill endlich die Rechte ihrer Schwester anerkannte. Am 7.11.1558, elf Tage vor ihrem Tode, teilte sie Elisabeth schließlich mit, daß sie mit deren Thronfolge einverstanden sei, aber von ihrer Halbschwester verlange, daß diese ihre (Marias) Schulden begleiche und die katholische Religion erhalte.

Am 18.11.1558, als Maria gestorben war, konnte Elisabeth nach einer wechselvollen Jugend und nach lebensgefährlichen Situationen in den Jahren 1554-1555 als 25-jährige ihre Herrschaft als Königin von England antreten. Ihr Königreich war zu dieser Zeit jedoch alles andere als wohlhabend und unangreifbar. Die militärische Stärke hatte in dem französischen Krieg, den ihre Halbschwester auf Wunsch ihres spanischen Gatten begonnen hatte, katastrophal abgenommen. Die Finanzen waren völlig zerrüttet – Maria Tudor vererbte ihrer Nachfolgerin Schulden in Höhe von 260.500 englischen Pfund –, und der Kredit des Landes war gleich null!

Das englische Volk aber war begeistert von seiner neuen Königin, da sie "rein englisch" war: "In ihr ist kein Tropfen spanischen oder fremden Bluts, sondern sie ist hier unter uns rein englisch geboren und uns daher von Natur aus zugehörig." (in: Neville Williams: Elisabeth I. von England. Beherrscherin eines Weltreichs, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1988, S. 52). Und so zeigten ihre Untertanen am 15.1.1559, dem Inthronisationstag Elisabeths, durch Jubel und Tränen ihre Freude! Der alten Königin Maria Tudor dagegen wurde nicht im geringsten nachgetrauert.

Der Historiker Elton beschreibt Elisabeth "als Tudor durch und durch", d. h., von Natur aus gebieterisch, eigenwillig und egozentrisch. Keines von Heinrichs VIII. Kindern hatte tatsächlich soviel Ähnlichkeit mit ihm wie diese Tochter. Außerdem hatte sie auch viele Seiten von ihrer Mutter geerbt. So war sie schlau, weltzugewandt, konnte hart wie Stahl sein, besaß einen sehr scharfen Verstand, war eitel, zäh, trotzig, egozentrisch, von Natur gebieterisch, sehr neugierig, geizig, launisch, ungeduldig, jähzornig, rachsüchtig, aber auch eine Meisterin der Selbstbeherrschung, wenn es politisch von Vorteil war, keine Gefühle zu zeigen. Wenn die Politik es gebot, hatte sie auch keine Bedenken zu heucheln und zu lügen. Sie galt zudem als unbeugsam eigenwillig, prunksüchtig – was ihre Kleidung betraf –, sehr listig, schlagfertig, vorsichtig und umsichtig und theologisch sehr belesen.

Wie ihr Vater verstand sie es, Befehle zu erteilen und sich unwidersprochen durchzusetzen. Außerdem war sie eine ausgezeichnete Reiterin, eine leidenschaftliche Jägerin und Tänzerin und begeisterte Musikerin und Theaterbesucherin. Sie komponierte in ihrer Jugend wie ihr Vater einige kleine Musikstücke, spielte meisterhaft das Clavecin und unterstützte und förderte Musiker, Komponisten, aber auch Schauspielertruppen, wo sie nur konnte. Letztendlich war nur ihr zu verdanken, daß es trotz des zunehmenden puritanischen Einflusses, dessen Anhänger die Schauspiele als Götzendienste verbieten wollten, in ihrem Königreich seit 1583 ein Volkstheater und mehrere feste Theatergebäude gab. 1583 gründete sie obendrein ihre eigene Schauspieltruppe "Queen Elizabeth's Men", die nicht nur in ihren Schlössern, sondern auch in den Städten und auf dem Lande auftrat.

Besonders jedoch lobten ihre Zeitgenossen ihre Redekunst. Als Meisterin der Rhetorik wußte sie genau, das richtige Wort zur richtigen Zeit zu sagen, egal ob sie zu den ausländischen Gesandten, ihren Staatsräten, den Parlamentsmitgliedern, ihren Soldaten oder zum einfachen Volk sprach. Sie fühlte instinktiv, wann sie zu sprechen und wann sie aufmerksam zuzuhören hatte, wann sie lächeln und wann sie feierlich werden mußte. Ihre Reden wurden vom Volk stets mit Rührung verfolgt, wie z.B. folgende: "Ich versichere Euch, daß kein Fürst seine Untertanen mehr liebt und daß es keinen gibt, dessen Liebe der Unseren gleichkommt. Es gibt keinen Juwel, so kostbar er auch sein mag, der mir teurer wäre als der Juwel Eurer Liebe. Sie gilt mir mehr als alle Reichtümer der Welt; denn deren Wert kann man schätzen, während ich Liebe und Dankbarkeit für unschätzbar halte. Und wenn Gott der Herr mich auch hoch erhoben hat, so sehe ich doch meinen höchsten Ruhm darin, daß ich mit Eurer Liebe regiert habe. Daß Gott mich zur Königin erkoren hat, macht mich nicht so glücklich, wie, daß ich die Königin eines solchen Volkes sein darf." (in: Neville Williams, ebenda, S. 306).

Jeden Sommer unternahm sie zudem, wie ihr Vater es getan hatte, Reisen durch ihr Land, um unter anderem Kontakt mit ihren Landeskindern aufnehmen zu können. Außerdem hatte jeder Untertan freien Zugang zu ihr, auch noch in der Zeit als mehrere Attentatsversuche ihr gegenüber bekannt geworden waren und ihre Staatsräte um ihr Leben fürchteten. Eine diesbezüglich aufschlußreiche Szene beschreibt der Historiker Williams: "Als der Gerichtsherr Bendloes sie (Elisabeth I.) in Huntingdonshire auf einer ihrer Rundreisen begrüßen wollte, sagte er zu ihrem Kutscher: »Halt mal den Wagen an, guter Freund, damit ich mit der Königin sprechen kann!« Über dieses unmögliche Verhalten mußte Elisabeth so laut lachen, »als hätte man sie gekitzelt«, und um den Armen nicht der Lächerlichkeit preiszugeben, reichte sie ihm die Hand zum Kuß." (in: Neville Williams, ebenda, S. 208). Auf einer ihrer Rundreisen wurde sie auch für einen Stadtschöffen, dem nach seiner lateinischen Rede vor der Königin die Knie zitterten, unvergeßlich. Denn sie gestand ihm folgendes: "Man hat mir berichtet, Sie hätten Angst, mir ins Gesicht zu sehen und frei vor mir zu sprechen, aber Sie haben bestimmt nicht soviel Angst vor mir wie ich vor Ihnen." (in: Neville Williams, ebenda, S. 213).

Elisabeth war auch nicht zimperlich, hatte Gefallen an derben Scherzen, verfügte über einen drastischen Humor, lachte lauthals und ohrfeigte bei ihren Wutausbrüchen zuweilen auch ihre Hofdamen und Höflinge.

Wie ihre Halbschwester war sie außerdem kurzsichtig und litt bereits in jungen Jahren an Wassersucht, eine wohl wie die Schwindsucht bei den Tudors häufig auftretende Erbkrankheit.

Jedoch im Gegensatz zu ihrem Vater aß und trank Elisabeth zeitlebens nur mäßig und zeigte sich im Gegensatz zu ihren Geschwistern eher religionstolerant. Sie tendierte wohl mehr zur protestantischen Seite, hielt jedoch auch einige katholische Bräuche hoch. Kerzen, Kruzifixe und Prozessionen gehörten für sie einfach zur Kirche. Am liebsten hätte sie es auch gesehen, daß der Klerus auf seine Heiratserlaubnis verzichtet hätte, da ihrer Meinung nach der geistliche Beruf ein Leben ohne Familie erfordere. Aber sie setzte ihre persönlichen Vorstellungen nicht per Parlamentsbeschluß durch, da sie die Religion für eine persönliche Angelegenheit jedes einzelnen hielt. Trotzdem sah sie in ihrem Titel "Oberste Statthalterin der englischen Kirche" keinen leeren Ehrennamen. Sie entwarf selbst Richtlinien für Kirchenvisitationen, beteiligte sich an der Auswahl der Gebete für ein revidiertes Kollektenbuch und wirkte bei der Besetzung der geistlichen Ämter aktiv mit.

Erst nachdem sie 1570 von Papst Pius V. für exkommuniziert erklärt worden war und Papst Gregor XIII. die englischen Katholiken zu ihrer Ermordung aufgefordert hatte und in seinem Namen Jesuiten ihr Königreich in hoher Zahl und unerlaubterweise überschwemmten, wurden die Katholiken ihres Landes aus politischen, nicht aus religiösen Gründen verfolgt. Wer sich nun weigerte, den Suprematseid zu leisten, d.h. sie als Oberhaupt der englischen Kirche anzuerkennen, machte sich automatisch als Verschwörer verdächtig und mußte mit Geld- und Gefängnisstrafen und in härteren Fällen mit der Ausweisung oder der Hinrichtung rechnen.

Von ihrer Mutter scheint Elisabeth zudem nicht nur die braunen Augen geerbt zu haben, sondern auch deren bestrickenden Charme. So war die junge Königin zwar keine Schönheit im landläufigen Sinne, konnte aber viele Männer faszinieren. An der Bewunderung ihrer Höflinge, der Gesandten und männlichen Gäste für sie weidete sie sich regelrecht und verlangte von ihnen außerdem die ausgesuchtesten Komplimente bis ins hohe Alter hinein, als ihre grauen Haaren bereits längst unter einer roten Perücke verschwunden waren und sich kaum noch Zähne in ihrem Mund befanden.

Aber geheiratet hatte sie selbst nie. 1535 war zwar schon der jüngste Sohn von Franz' I. als ihr zukünftiger Gatte im Gespräch, aber nachdem sie für unehelich erklärt worden war, war sie für den europäischen Heiratsmarkt lange Zeit nicht von Interesse. Als ihre Halbschwester Maria auf dem englischen Thron saß, versuchte man sie dann unter anderem mit dem Herzog von Savoyen zu vermählen, aber sie weigerte sich – wie bereits erwähnt – hartnäckig.

Als Elisabeth schließlich Königin war, warben natürlich eine Reihe von Männern um ihre Hand. Schon kurz nach dem Tod Marias bot sich ihr Schwager Philipp II. als Gatte an. Es folgten der Herzog Adolf von Holstein, der schwedische Thronerbe Erik XIV., die habsburgischen Brüder Ferdinand II. und Karl, der russische Zar Iwan IV., der Schreckliche, und die französischen Herzöge Henri von Anjou und Franz-Hercule von Alençon. Auch einige Engländer wurden als mögliche Gatten genannt, so z.B. Lord Robert Dudley (1533-1588), Graf von Leicester, dem sie fast 30 Jahre lang bis zu seinem Tode die Treue hielt. Letztendlich heiratete sie jedoch keinen von ihnen. Niemandem gelang es, durch eine eheliche Verbindung mit ihr über England zu herrschen. Als Elisabeth älter wurde, deutete sie ihren Krönungsring als die Vermählung mit ihrem Volk, und wie eine treue Gattin legte sie deshalb diesen Ring bis kurz vor ihrem Tode nicht mehr ab.

Vielleicht hatte sie Probleme, sich einem Mann sexuell ganz hinzugeben, vielleicht wollte sie sich niemandem – auch nicht ihrem Ehemann – unterordnen und ihre Unabhängigkeit bewahren, vielleicht sah sie ihr Amt als Herrscherin wie das Amt eines Geistlichen, der nach ihrer Meinung ebenfalls nicht heiraten sollte, um ganz für seine Schützlinge zur Verfügung stehen zu können. Sie selbst äußerte des öfteren, daß sie ihr persönliches Glück dem Wohle des Volkes opfern und deshalb nicht heiraten wolle. Den wahren Grund werden wir wohl nie erfahren! Öffentlich äußerte sie sich zu diesem Thema jedoch folgendermaßen: "... es hat Gott dem Allmächtigen gefallen, Uns so zu schaffen, daß Wir Uns nie zu einer Hingabe entschließen konnten, die zu eigenen Nachkommen hätte führen können – worüber Wir nicht um Unseretwillen betrübt sind, sondern nur deshalb, weil Wir merken, wie unendlich glücklich Unser Volk über die Gewißheit wäre, später von niemand anders als von Unseren eigenen Nachkommen regiert zu werden." (in: Neville Williams, ebenda, S. 303).

Ihre Hof- und Ehrendamen, ihre Günstlinge und ihr Volk stellten ihre Familie dar. So war sie, falls jemand aus ihrer engeren Umgebung erkrankte, stets persönlich an deren oder dessen Krankenbett zu finden, um den hoffentlich Genesenden mit Speise zu versorgen und um ihm oder ihr tröstende Worte zuzusprechen. Als mit der Zeit ihre Liebsten – ihre Freunde, ihre Hof- und Ehrendamen – um sie herum gestorben waren, fiel sie allmählich in eine tiefe Depression, obwohl sie körperlich noch in hervorragender Verfassung war. Im März 1603 bemerkten die Menschen in ihrer näheren Umgebung, daß sie allmählich des Lebens müde geworden war und den Tod herbeiwünschte. Am 24.3.1603 verschied sie schließlich. Der Chronist Stow bemerkte zu ihrem Tod: "Nie zuvor hat man in der Geschichte einen solchen allgemeinen Schmerz erlebt, nie zuvor hat ein Volk, eine Zeit oder ein Staat den Tod seines Monarchen so tief beklagt." (in: Neville Williams, ebenda, S. 312).

Elisabeth, die als erster englischer Monarch ihrem Zeitalter ihren Namen gegeben hatte, war nach 44 Jahren und 127 Tagen Herrschaft gestorben. Von ihrem Volk wurde ihr Tod tief und ehrlich beklagt.

Maria Stuart
Abb. 84: Maria Stuart

In ihrer Regierungszeit hatte sie für eine lange Friedenszeit gesorgt, in der sich nicht nur die Finanzen erholen konnten. Sie ließ andere Könige und Fürsten Kriege führen - auch zu ihrem Vorteil - und vermied so lange wie möglich eigene kriegerische Auseinandersetzungen, da diese ihrer Meinung nach nur Geld verschlangen und außerdem zuviel "gutes englisches Blut" kosteten. Als Philipp II. sie und ihr Land im Auftrag des Papstes und zur Rettung des Katholizismus angriff, verlor der Aggressor 1588 seine berühmte Armada. Nichts in Elisabeths Regierungszeit hat zu ihrem Ruhm so beigetragen wie dieser Sieg über die spanische Flotte Philipps II., die allgemein für unschlagbar gehalten wurde. Ihre Rede anläßlich dieses Krieges, die sie, trotz der großen Gefahr einem Attentat zum Opfer zu fallen, vor ihren Truppen gehalten hatte, zeigte wieder einmal ihre rhetorische Fähigkeit: "Mein geliebtes Volk! Es ist Uns von einigen, die um Unsere Sicherheit besorgt waren, geraten worden, auf Unserer Hut zu sein, wenn Wir uns unter eine bewaffnete Menge begeben, und Uns vor Verrätern in acht zu nehmen. Aber ich versichere euch, ich habe kein Verlangen, im Mißtrauen gegen mein treues und mir liebevoll ergebenes Volk zu leben. Sollen die Tyrannen sich fürchten. Ich habe immer so gehandelt, daß ich, bei Gott, meine größte Stärke und Sicherheit in den treuen Herzen und der Liebe meiner Untertanen gefunden habe. So bin ich denn heute, wie Ihr seht, zu euch gekommen, nicht zu meiner Erholung und Zerstreuung, sondern weil ich entschlossen bin, mitten in der Schlacht unter euch allen zu leben oder zu sterben, für meinen Gott, mein Königreich und für mein Volk, meine Ehre und mein Blut zu opfern, wenn es sein muß. Ich weiß, ich habe nur den Körper einer schwachen, hilflosen Frau. Aber ich habe das Herz und den Mut eines Königs, und noch dazu eines Königs von England, und ich spotte des Gedankens, daß ein Parma (= Alessandro Farnese, der neue Statthalter der Niederlande und bedeutender Befehlshaber unter Philipp II.) oder Spanier oder irgend sonst ein Fürst in Europa es wagen sollte, die Grenzen meines Reiches zu überschreiten; ehe durch meine Mitschuld Schande über mein Land kommt, will ich selbst zu den Waffen greifen und will selbst euer General und Richter sein und jeden von euch für seine Tapferkeit in der Schlacht belohnen. Ich weiß, daß ihr bereits für euren Eifer Lohn und Ehre verdient habt, und Wir geben euch Unser königliches Wort, ihr sollt beides erhalten." (in: Neville Williams, ebenda, S. 271-272.)

Als Kind ihrer Zeit und ihres Landes beteiligte Elisabeth sich auch finanziell an den Handels- und Kaperfahrten ihrer berühmten Seeleute John Hawkins († 1596), Francis Drake († 1596) und Walter Raleigh († 1625) und machte dabei reichlichen Gewinn!

Starke Nerven zeigte sie bei den vielen Attentatsversuchen, die seit der Gefangennahme von Maria Stuart (Abb. 84) im Jahre 1568 erfolgten. Obwohl das englische Parlament die Hinrichtung der ehemaligen schottischen Königin, die des Mordes an ihrem zweiten Gemahl, Henry Darnley Stuart (1546-1567), verdächtigt wurde, schon 1572 gefordert hatte, gab Elisabeth ihre Zustimmung dazu erst 1587, nachdem Maria Stuarts Beteiligung an dem Attentatsversuch gegen sie im Jahre 1586 eindeutig nachgewiesen werden konnte.

Am Ende ihrer langen Regierungszeit hatte Elisabeth im Gegensatz zu ihren Vorfahren zudem zum erstenmal erreicht, daß die schottischen Grenzländer und walisischen Marken voll in ihr Königreich integriert waren und Irland unter fester englischer Kontrolle stand. Ihrem Nachfolger, dem schottischen König Jakob VI., dem Sohn Maria Stuarts, hinterließ sie ("ihr") England als einen einheitlichen, mächtigen und nationalbewußten Staat.

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