kleio Logo

Weblog

21/12/2011

Gibt es wirklich so etwas wie historische Romane? Das gepriesene Werk der Amerikanerin Elizabeth Loupas: Die zweite Herzogin

Als Historikerin, die sich seit den letzten 24 Jahren intensiv mit dem Mittelalter und der Renaissance beschäftigt hat, ist es für mich leider mittlerweile unmöglich geworden, historische Romane zu lesen. Was heute unter dem Titel "historischer Roman" von den Verlagen herausgegeben wird, hat die Bezeichnung "historisch" nämlich nicht im Geringsten verdient. Auch wenn vom Verlag und der Presse behauptet wird, dass der Autor oder die Autorin sich seit vielen Jahren intensiv mit der historischen Epoche beschäftigt hat, in der ihre Geschichte spielt. Als Beispiel möchte ich das hochgelobte Werk der Amerikanerin Elizabeth Loupas, "Die zweite Herzogin", erwähnen. Nein, ich habe dieses Buch nicht gelesen. Schon die Kurzbeschreibung in amazon.de hat mich davon zurückgehalten: "Man sagt, er habe sie umgebracht ... Diese Warnung erhält die junge Barbara von Habsburg am Vorabend ihrer Hochzeit mit Alfonso d'Este. Der dunkle Herzog steht im Verdacht, seine erste Frau, die bildschöne Lucrezia Borgia, vergiftet zu haben. Ob dasselbe Schicksal auch ihr bestimmt ist? Inmitten von Verschwörungen, Intrigen und Bündnissen am Hofe nimmt Barbara ihr Schicksal selbst in die Hand ... Liebe, Neid und Intrigen am Hofe von Ferrara: ein berauschendes Sittengemälde der italienischen Renaissance."

Da rollen sich wirklich die Fußnägel auf! Dabei hat dieses Buch angeblich viele Auszeichnungen bekommen und ist bei uns sogar im angesehenen Rowohlt Verlag übersetzt und herausgegeben worden. Über die Autorin liest man zudem Folgendes: "Elizabeth Loupas war Werbetexterin, Redakteurin, Marketingleiterin und hat Englische Literatur unterrichtet, bevor sie Autorin wurde. Ihre Leidenschaft (neben dem Schreiben) gilt der Kunstgeschichte, besonders die Präraffaeliten haben es ihr angetan. Die Autorin hasst Hausarbeit, kaltes Wetter und zu enge Schuhe. Sie liebt Tiere, ihren Kräutergarten und Popcorn. Zusammen mit ihrem Mann und zwei Beagles lebt sie am Trinity River in Texas.

Die deutschen Leser und Leserinnen sind zudem von ihrem Werk hellauf begeistert, da die Autorin die Geschichte des 16. Jahrhunderts angeblich so treffend und spannend vermitteln könnte. Dabei hat die Autorin vermutlich nicht ein einziges Geschichtsbuch für ihren historischen Roman in ihren Händen gehabt. Hat sie doch bei ihrer männlichen Hauptfigur Alfonso I. d'Este und Alfonso II. d'Este, also Großvater und Enkel, durcheinandergebracht. Lucrezia Borgia war nämlich nicht die erste Gattin von Alfonso II. d'Este, über den die Autorin eigentlich schreiben wollte, sondern die zweite, sehr geliebte Gattin seines gleichnamigen Großvaters. Die erste Gattin von Alfonso II. d'Este war Lucrezia de' Medici, eine Tochter des florentinischen Großherzogs Cosimo I. de' Medici, die bereits im Alter von 15 Jahren an Tuberkulose verstarb und übrigens nicht von ihrem Gatten umgebracht wurde. Seine zweite Gattin war in der Tat Barbara von Österreich, eine Tochter des Kaisers Ferdinand I. Da wir nicht sehr viel über sie wissen, eignet Letztere sich natürlich sehr gut als Hauptfigur in einem Roman. Aber warum hat man nicht ein Porträt von ihr auf dem Cover abgebildet? Ach ja, ich vergaß, die Autorin hat ja keine Ahnung, dass es Porträts von dieser Habsburgerin gibt. Daher hatte ihr Verleger wohl Ippolita della Rovere, die erste Gattin von Antonio von Mailand und Aragon, als Ersatz-Coverbild für "Barbara von Habsburg" ausgesucht.

Was die Quantität der herausgegebenen sogenannten historischen Romane angeht, kommen wir Leser und Leserinnen des 21. Jahrhunderts darin fast um. Aber was ist aus der Qualität geworden? Anscheinend ist diese in unserer schnelllebigen Zeit auf der Strecke geblieben! Gut Ding will [aber] Weile haben!!! Wer also glaubt, sich geschichtliches Wissen mit der Hilfe von "historischen Romanen" aneignen zu können, irrt sich gewaltig!