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01/08/2001

Rezension des Buches "Prettiest Love Letters in the world: Letters between Lucrezia Borgia and Pietro Bembo", 1503-1519 von Richard Shirley Smith and Hugh Shankland; David Godine Publisher, 2001

Pietro Bembo
Pietro Bembo, vor 1505

Dieses Werk, das bereits im Jahr 1985 zum ersten Mal unter dem Titel "Messer Pietro mio: Letters between Lucrezia Borgia & Pietro Bembo" erschien und jetzt den Zusatz "Prettiest Love Letters" erhalten hat, nur um die Verkaufszahl dieser Publikation voranzutreiben, betrachte ich als Betrug an allen Lesern und Leserinnen. Selbstverständlich erwarten jene – irregeführt durch den Titel – nun Liebesbriefe zwischen der Papsttochter Lucrezia Borgia, Herzogin von Ferrara, und ihrem Hofdichter, dem Venezianer Pietro Bembo, vorzufinden. Stattdessen werden sie nicht nur die unterwürfigen und für unseren Geschmack zuweilen "schwülstigen" Briefe des Letzteren an seine Dienstherrin Lucrezia Borgia, sondern auch seine Liebesbriefe an "f.f." lesen. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit handelt es sich bei der Letzteren um Nicola von Siena, die zu den Lieblingshofdamen von Lucrezia Borgia zählte und die in ihren Briefen an Pietro Bembo das Pseudonym "f.f." verwendete. Ihren Geliebten bittet sie daher, ihr ebenfalls unter diesem Namen zu schreiben. Jener hält sich jedoch zumindest in einem Fall nicht an diese Regel, wo er sie mit "Madonna N." anspricht (Brief XXX). Im Jahr 1505 findet diese Liebesbeziehung zwischen dem Hofdichter und der Hofdame schließlich ein abruptes Ende, da Nicola ein Mitglied der berühmten Trotti-Familie aus Ferrara heiratet.

Kardinal Bernardo Bibbiena
Kardinal Bernardo Bibbiena

Die Briefe, die in diesem Buch veröffentlicht wurden und die insgesamt betrachtet, einen sehr schönen Einblick in die Schreibweise der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts bieten, verlieren jedoch an Wert, weil die Autoren und der Verlag, um die Verkaufszahlen ihres Werkes zu fördern, die schriftlichen Nachlässe von Lucrezia Borgia mit denen von Bembos Geliebten "f.f." zusammen als "die Liebesbriefe von Lucrezia Borgia" herausgegeben haben. Man braucht nicht wie ich, Historiker zu sein, um diesen Betrug aufzudecken. Man muss einfach nur die Briefe lesen. Lucrezia Borgia wie auch eine ihrer Hofdamen mit dem Namen Lisabetta von Siena setzen sich sogar als Schlichter in dem Streit zwischen Pietro Bembo und "f.f." ein (siehe Briefe XXII und XXIII). Es gibt zudem nicht einen einzigen wissenschaftlichen Beweis für die Behauptung der Autoren, "f.f." wäre Lucrezia Borgia gewesen. Wie nicht anders zu erwarten ist, mussten jene sich der Gerüchteküche um die Borgias bedienen, um überhaupt irgendwelche Argumente für ihre Annahme vorlegen zu können. So führen sie den Besuch Lucrezias am Krankenbett Bembos an, um ihre Vermutung zu untermauern. Dabei hatte die liebenswürdige Herzogin von Ferrara, wie es auch die englische Königin Elisabeth I. tat, nicht nur sämtliche ihrer kranken Diener und Dienerinnen und Hofdamen aufgesucht, um ihnen freundliche Worte zuzusprechen und ihnen Zuversicht auf ihre Genesung zu geben, sondern auch in aller Regelmäßigkeit die Hospitäler in ihrer Herrschaft mit ihrem Besuch bedacht, um ihren armen Untertanen ebenfalls die gleiche Aufmerksamkeit widerfahren zu lassen. Außerdem war den Autoren nicht einmal die Tatsache bewusst, dass die Herrscher, weiblich oder männlich, sehr selten selbst zur Feder griffen. Sie hatten ihre Sekretäre oder Hofdamen, denen sie ihre Briefe diktierten. So verkündigen die Autoren in ihrem Buch, dass alle Briefe von Lucrezia – sprich der gleichen Hand – geschrieben worden wären. Dabei können Sie im Brief XXXV des Pietro Bembo, geschrieben am 17. Juni 1513 in Rom, selbst nachlesen, dass dieser aus Eifersucht, weil sein Kollege Bernardo Bibbiena von Lucrezia Borgia einige Zeilen aus deren eigenen Hand erhalten hatte, ebenfalls die Herzogin von Ferrara bat, ihn bitte auch mit dieser Auszeichnung zu beglücken.

Bücher wie "Prettiest Love Letters in the world: Letters between Lucrezia Boriga and Pietro Bembo" werden leider der wahren Lucrezia Borgia nicht im geringsten näher kommen. Aber dies war wohl von den Autoren und dem Verlag auch nie bezweckt gewesen!

Buch und e-Book
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