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08/11/2011

Was mich auf die Palme bringt!

Vielleicht geht es Ihnen wie mir und Sie finden es wie ich sehr frustrierend, auf ungerechtfertigte Kritiken nicht reagieren zu können. So las ich vor Kurzem eine Kritik über mein Buch "Lucrezia Borgia – Das Leben einer Papsttochter in der Renaissance", an dem ich mittlerweile seit über 20 Jahren arbeite, da man gerade in den letzten Jahren in dem englischsprachigen Raum den wahren Borgias – die alles andere als unheimlich waren – auf die Spuren kommt. Die Kritik über mein Buch stammte von einem Anonymen, kurz "ein Leser" genannt, von dem wir immerhin wissen, dass er in Münsterlingen (Schweiz) zu Hause ist. Er betitelte seine Rezension, die er am 22. Mai 2010 schrieb, mit: "Ein Kinderbuch?" und hatte Folgendes zu meinem Buch zu sagen: "Auf die Empfehlungen meiner Vor-Rezensenten habe ich dieses Buch gekauft. Leider ist es nicht ausreichend als Kinderbuch gekennzeichnet. Reich bebildert, in einfacher, munterer Erzählweise wird das Schicksal der Borgia-Dynastie berichtet. Die Fakten werden korrekt aneinandergereiht, die Autorin hat recherchiert. Für einen schnellen, einfachen, unkritischen Überblick ist das Buch gut genug. Aber für jeden ernsthaft interessierten Leser über 12 Jahre möchte ich zu diesem Thema das Buch "Der unheimliche Papst" von Volker Reinhardt empfehlen."

Immerhin erhielt ich großzügigerweise drei Sterne!

Am gleichen Tag, dem 22. Mai 2010, schrieb dieser anonyme Leser aus der Schweiz auch eine Rezension über das Buch "Der unheimliche Papst: Alexander VI. Borgia 1431-1503" von Volker Reinhardt, über dessen "unheimliche" Vorgehensweise bei der Verbreitung von Geschichtswissen ich mich bereits ausführlich in meinem Weblog "Neutralität und Objektivität in der Wiedergabe historischer Ereignisse und Gestalten" und bei Juan Borgia ausgelassen habe. In diesem Fall wurde die Rezension mit "Grosser Überblick" betitelt und liest sich folgendermaßen: "Geschichten aus dem Zeitalter Alexander VI werden ob ihrer Skandalträchtigkeit gern und oft publiziert. Dieses Buch geht zurück auf die Originalquellen und ist um detailgetreue historische Wahrheitsfindung bemüht. Sehr sorgfältig berichtet der Autor den Lebensweg und die Karriere von Rodrigo Borgia und seiner Familie. Die politischen Verwicklungen Europas in der frühen Renaissance finden Eingang. Der Autor setzt die unterschiedlichen "Spieler" der Zeit sehr anschaulich in Beziehung zueinander und erleichtert das Verständnis der damaligen Entscheidungen. Ob allerdings die Motivation des Papstes wirklich nur und ausschliesslich dem Wohl der Familie galt, wie das Buch immer wieder betont, stellt vielleicht seine Handlungsweise etwas zu einschichtig dar - da wünschte sich der Leser eine etwas detailliertere psychologische Analyse. Ein wissenschaftliches, objektives, gründliches Buch, das dennoch - ich stimme meinem Vor-Rezensenten vollkommen zu - in einer lebendigen Sprache geschrieben wurde. Der "Tagesspiegel" nannte das Buch einen "Vatikankrimi" - so liest es sich auch, man kann es kaum aus der Hand legen. Das umfangreiche Literaturverzeichnis hilft demjenigen Leser weiter, der sich noch intensiver mit der Zeit beschäftigen möchte. Karte und Stammbaum erleichtern die Orientierung in den damaligen Wirren. Ein Punkt Abzug, weil der C.H.Beck-Verlag eine ungewöhnlich kleine Schriftart gewählt hat, die das Lesen sehr erschwert. Das hätte dieses spannende Buch besser verdient."

Man muss sich fragen, was diesem anonymen Leser das Recht gibt, sich als sogenannter Fachmann der italienischen Renaissance auszugeben und mein Buch als Kinderbuch abzuwerten, da es anhand von zeitgenössischen historischen bildlichen Quellen, nämlich den herrlichen Porträts der Renaissance, zeigt, wie die Leute, über die wir hier schließlich reden, ausgesehen haben, und das Buch von Volker Reinhart, dem es an jeglicher Objektivität im Umgange mit zeitgenössischen Quellen fehlt, in den Himmel zu loben. Okay, der anonyme Leser hat auch dem Buch von Volker Reinhardt nicht fünf Sterne, sondern nur vier Sterne gegeben (wegen der kleinen Druckschrift). Wir Historiker haben übrigens seit den detaillierten psychologischen Fehlanalysen von Sigmund Freud von "detaillierten psychologischen Analysen", die der anonyme Leser bei Volker Reinhardt so vermisste, Abstand genommen! Fünf Sterne ist schließlich nur er, der Rezensent aus der Schweiz, wert. Man fragt sich nur, warum er eigentlich nicht über den neuesten Wissensstand bezüglich der Borgia informiert ist und warum er nicht die einseitige Darstellungsweise von Volker Reinhardt erkannt hat (wie wohl alle wahren Kenner der italienischen Renaissance).

Ich habe selbstverständlich keine Ahnung, was er zudem persönlich als 11-jähriger und ungehörig weiser Junge gelesen hat. Aber seine persönliche Empfehlung, dass alle Leser über 12 Jahre lieber zum Buch von Volker Reinhardt als zu meinem Buch greifen sollen, folgen Sie bitte nicht. Das Bildmaterial ist in diesem Buch z.T. absolut nicht zu gebrauchen. Ja, es sind in der Tat neun kleine Bilder vorhanden, was der anonyme Leser wohl gerade noch ertragen konnte, denn in diesem Fall wird das Werk nicht zum Kinderbuch degradiert. Die Zuweisung der Bilder zu bestimmten historischen Gestalten entbehrt jedoch, immer wenn es sich nicht um Münzen handelt, jeder Wissenschaftlichkeit. Die Geschichte der Borgia ist zudem auch in meinem Buch etwas zu komplex für einen "normalen" 12-Jährigen, mit dem natürlich unser außergewöhnlich hoch begabte anonyme Leser nicht verglichen werden kann. Außerdem möchte ich nicht, dass noch weitere Leser mit dem Unsinn von Volker Reinhardt "infiziert" werden. Ist der nämlich erst einmal in Ihren Köpfen, dann ist er kaum noch "ausrottbar".

Andererseits sage ich mir selbst, müsste ich diese Kritik doch als Kompliment auffassen. Schließlich bin ich dank meiner pädagogischen Fähigkeiten in der Lage, Geschichtsbücher zu schreiben, die jeder lesen kann, was leider viele Historiker nicht können (denken Sie nur an Ihren Geschichtsunterricht in der Schule!) und wozu man auch besonders im C.H. Beck Verlag nicht ermuntert wird. Hier ist schließlich Prestige die Devise und nicht Wissensvermittlung!

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