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02/05/2021

Wieder ein Jahr älter

von der Pastorin Hiltrud Warntjen

Wieder ein Jahr älter

"Leben ist ein Geschenk, mehr als Du denkst, mehr als Du hoffen kannst. Leben ist ein Geschenk, mehr als Du kennst. Leben, Leben ist mehr ... ist ein Geschenk." Wunderbar besingt dies neue geistliche Lied der Gruppe Ruhama das Leben.

"Mehr als du hoffen kannst!" Ja, so ist es. Gerade habe ich Geburtstag gefeiert. Mit etwas Familie. Und ein paar Freundinnen. So viele Jahre schon - geschenkt. Und die Zeit vergeht. Nimmt mich mit in ihrem Galopp. Kaum beginnt ein neues Lebensjahr, geht es bald schon wieder seinem Ende entgegen. Jahr um Jahr scheint sich das Tempo noch zu steigern.

"Leben, Leben ist mehr ... ist ein Geschenk!" Jede Geburt birgt immer schon den Tod in sich. Wenn ich das annehme, empfange ich freundlich das Geschenk, älter zu werden. Immer älter. Dann nimmt mir die voranschreitende Zeit nichts. Sondern gibt mir, im Gegenteil, etwas Kostbares.

"Mehr als du denkst!" Schon wieder ein Jahr älter! Wie die Zeit vergeht! Gerade noch lief mein Körper zur Höchstform auf! Da geht das Leben auch schon seinem Ende entgegen. Allzu schnell ist die Mitte überschritten. Kaum ist der Sommer da, schon werden die Tage wieder kürzer. Noch zeigen sich bunte Blüten, noch stehen Bäume in vollem Grün. Und ahnen doch schon den unerbittlich nahenden Abschied des Sommers.

"Leben ist ein Geschenk!" Beizeiten die Jugend loslassen. Beizeiten sich neu machen. Sich immer wieder neu erfinden. Neugierig bleiben. Meine Gedanken erinnern die vorbeirasenden Monate und Jahre. Bis in die ferne Kindheit, in der die großen Ferien wirklich und wahrhaftig noch groß waren. Heute ist es, als läge zwischen zwei Weihnachten nur ein Wimpernschlag. Kaum hat etwas begonnen, so ist es auch schon wieder zu Ende.

"Mehr als du kennst!" Doch: ist es nicht besser, älter zu werden? Als nicht älter zu werden? Ja, ich lebe gern. Schaue in der sommerlichen Schwüle auf meine Lebenszeit. Aus Jahren werden Tage, Stunden, Minuten. Je weiter, je feiner ich schaue, kommt es mir vor, als sei mein Leben nicht eins gewesen, sondern zwei, drei, viele. Blicke ich über den heutigen Tag, ist auch der Morgen schon eine Ewigkeit her. Was war los in den letzten Stunden? Was sah ich, hörte ich, spürte ich, dachte ich, sagte ich, tat ich?

"Mehr als du hoffen kannst!" Lasse ich meine Zeit verstreichen? Oder laufe ich ihr hinterher? Lasse ich andere über sie bestimmen? Oder entscheide ich selbst, was ich mit ihr anfange? Wage ich mich hinaus ins Leben? Nachdenklich trete ich vor den Spiegel. Sehe ein Gesicht, das mehr als nur ein paar charmante Lachfältchen hat. Die jungen Jahre sind ganz eindeutig vorbei. Will ich sie zurück? Mich erneut vom kleinsten Windhauch verunsichern lassen? Nein. Das alles will ich nicht mehr. Früher war nicht alles besser. Die Welt war nicht größer. Die Möglichkeiten nicht unbegrenzter. Das erzählen wir gern, um über unsere Bequemlichkeiten hinwegzutäuschen. So tausche ich gern meine jungen Jahre gegen das bewusste Älterwerden. Beeinfluss, was in mir los ist. Entscheide, welchen Zielen ich mich verschreibe: Kontrolle oder Freiheit? Dahinvegetieren oder Leben?

"Leben ist ein Geschenk!" Verantwortung übernehmen für das, was in mir geschieht. Sorge tragen für mich. Selbst bestimmen, was in mir noch wachsen, reifen soll. So verliert das Altern seinen Schrecken. Und ich erkenne: die eigentliche Angst ist nicht die vor dem Tod. Sondern die vor dem Leben. Das Schlimmste, was uns passieren kann: im Sterben erkennen, nicht richtig gelebt zu haben: das Geschenk nicht ausgepackt, das Talent nicht erkannt, den Ruf der Seele nicht erhört, den Sinn nicht erfasst.

"Leben ist ein Geschenk!" Für mich ist da nur dieser Weg: aus der Angst vor meiner Endlichkeit mitten in sie hineingehen! Ja, ich altere. Ja, es wird vorbei gehen. Ja, es kann wehtun. Und doch will ich wachsen und blühen in den kräftigen und warmen Farben des Herbstes. Mich gut aufgehoben fühlen im Kreis des Lebens. Freudig auf das blicken, was ich schon erkenne. Bunt soll es sein. Überraschendes, Unvorhersehbares mitbringen. Ganz da sein will ich für das Geschenk. Ausprobieren, was sich mir bietet. Nicht stehenbleiben. Weitergehen, weitermachen, neugierig sein. Mich begeistern lassen. Vertrauen, was auch kommt. Dass Türen sich öffnen, durch die ich hindurch schreiten will. Immer wieder. Ein Jahr älter, ein Jahr hoffnungsvoller, ein Jahr zuversichtlicher. Alles bleibt möglich. "Leben ist ein Geschenk!" Aus Gottes Hand.

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