Vollständiger Artikel - (in: Medicea – Rivista interdisciplinare di studi medicei, Nr. 3, Juni 2009, S. 28-37)
Caterina Sforza und die Geschichte der außergewöhnlichen Freundschaft zwischen den Sforza und den Medici
Am 28. Mai 2009 feierten wir den 500. Todestag einer der berühmtesten Frauen der italienischen Renaissance, des weiblichen Condottiere Caterina Sforza (1463-1509) (Abb. 1), die von ihren Zeitgenossen für eine der schönsten, anmutigsten und tapfersten Frauen der Welt gehalten wurde und die durch ihre zahlreichen Porträts, besonders denen aus der Werkstatt des Sandro Botticelli (1445/47-1510), unsterblich geworden ist. Ihren speziellen Todestag möchte ich zum Anlass nehmen, um über die außergewöhnliche Freundschaft ihrer Familie, der Sforza, und den Medici zu berichten, die nicht nur über mehrere Generationen hinaus zum Nutzen und Vorteil beider Dynastien währte, sondern deren Krönung schließlich Caterinas Heirat mit Giovanni de’ Medici „il Popolano“ (1467-1498) (Abb. 2) im Jahr 1497 werden sollte.
Diese wohl größte und innigste Freundschaft, die in der Geschichte jemals zwei mächtige Zeitgenossen eingegangen waren, wurde im Jahr 1434 zwischen dem florentinischen Bankier Cosimo de’ Medici (1389-1464) und dem größten Söldnerführer oder Condottiere seiner Zeit, Francesco Sforza (1401-1466), dem zukünftigen Herzog von Mailand, geschlossen.1 Cosimo de’ Medici, der älteste Sohn des erfolgreichen Bankiers Giovanni di Averardo de’ Medici (1360-1429), der im Gegensatz zu seinem Vater nicht mehr damit zufrieden war, nur Reichtum anzuhäufen, hatte sich bei seinen hohen politischen Ambitionen in Florenz schon bald die Feindschaft der anderen sehr wohlhabenden und einflussreichen florentinischen Familien wie der Strozzi, der Pazzi, der Acciaioli und vor allem der Albizzi zugezogen. Unter der Führung von Rinaldo degli Albizzi brachen im November 1433 die Feindseligkeiten gegen Cosimo de’ Medici schließlich offen aus.2 Rinaldo degli Albizzi hatte nämlich behauptet, dass Cosimo sich über seine Mitbürger erheben und sie allesamt versklaven wolle. Seine Hetzkampagne war so erfolgreich, dass die Stadt schon bald in Fraktionskämpfe und Anarchie versank. Cosimo de’ Medici wurde letztendlich ergriffen und im Turm des Palazzo Vecchio gefangen gesetzt. Es sah nicht gut für ihn aus. Man sprach sogar von seiner Hinrichtung. Durch die Bestechung einer der Mitverschwörer gelang es ihm jedoch, nach Venedig zu entfliehen.
Im Jahr 1434 riefen die Florentiner Cosimo de’ Medici zwar bereits wieder aus seinem Exil zurück, aber Letzterem war mittlerweile nur zu bewusst geworden, dass er, wenn er seine politischen Ziele verwirklichen wollte, dringend einen Freund benötigte, der mit der Waffe umgehen konnte und den man fürchtete, so dass seine Mitbürger es sich in Zukunft sehr gründlich überlegen würden, ihn noch einmal anzugreifen und gefangenzunehmen oder ihm sogar mit seiner Hinrichtung zu drohen. Um diese Zeit herum war Francesco Sforza der gefragteste Söldnerführer bzw. Condottiere Italiens. Jeder Fürst und jeder Stadtstaat in Italien buhlte um seine Gunst. Cosimo de’ Medici und Francesco Sforza waren sich vermutlich gegen Ende des Jahres 1430 oder zu Beginn des Jahres 1431 zum ersten Mal begegnet.3 Francesco Sforza, der als Söldnerführer des mailändischen Herzogs Filippo Maria Visconti († 1447) den militärischen Angriff von Venedig und dessen Verbündeten, Florenz, Savoyen, Ferrara, Mantua und Montferrat, in den Jahren 1425 bis 1428 abwehren sollte, war nach dem Friedensschluss zwischen den Gegnern wegen angeblicher Bestechung vom Feind und Verrat an seinem Dienstherrn, dem mailändischen Herzog, im Jahr 1428 ergriffen und im Schloss von Mortara in der Nähe von Vigevano gefangen gesetzt worden. In den zwei Jahren, in denen er dort in seinem Verlies schmachtete, wusste er nicht, ob sein ehemaliger Dienstherr Filippo Maria Visconti seine Drohung, ihn hinrichten zu lassen, in die Tat umsetzen würde.
Durch die Stadt Lucca, die den Söldnerführer Francesco Sforza in ihrer kriegerischen Auseinandersetzung mit Florenz dringend benötigte und die daher den mailändischen Herzog um dessen Begnadigung bat, kam der Große Condottiere endlich wieder frei. Aber anstatt sich gegenüber den Einwohnern von Lucca für ihre Hilfe erkenntlich zu zeigen, nahm Francesco Sforza in diesem Fall in der Tat Bestechungsgelder von Florenz an und überließ Lucca seinem Schicksal.4 Für Cosimo de’ Medici war Francesco Sforza genau der Freund, den er für seine politischen Ziele so dringend brauchte. Die außergewöhnliche Freundschaft zwischen diesen beiden großen Persönlichkeiten der Renaissance sollte für Florenz schließlich das Ende des republikanischen Stadtstaates bedeuten. Cosimo de’ Medici und seine Nachkommen stellten fortan die Herren von Florenz, auch wenn sie klugerweise auf die äußeren Zeichen ihrer Macht und auf die entsprechenden Titel verzichteten. Ihre hohe Position in ihrer Vaterstadt wurde dank des Freundes Francesco Sforza unantastbar. Letzterer profitierte zudem ebenfalls reichlich von seiner Freundschaft mit einem der wohlhabendsten Männer des Abendlandes. Als es Francesco Sforza am 26. Februar 1450 gelang, vom mailändischen Volk zum neuen Herzog von Mailand, also zum Nachfolger seines im Jahr 1447 verstorbenen Schwiegervaters Filippo Maria Visconti, erklärt zu werden, verdankte er besonders der großen finanziellen Hilfe und der Diplomatie seines Freundes Cosimo de’ Medici, dass sich seine neue Dynastie etablieren und festigen konnte. Denn es gab viele hohe Adlige, die sich berechtigter fühlten, die neuen Herren von Mailand zu stellen, wie z.B. der französische Herzog Karl von Orléans († 1465), der spanische und neapolitanische König Alfonso I. (V.) von Aragon († 1458) und Kaiser Friedrich III. († 1493).5
Durch die Weigerung des Kaisers, Francesco Sforza zu seinem Lehnsmann bezüglich des mailändischen Herzogtums zu erheben, weil dieser seiner Meinung nach von zu niederer Herkunft war, war der neue Herzog gezwungen, ein großes und stets einsatzbereites Heer aufzustellen und ein Spionagenetz zu erschaffen, das über das gesamte Abendland reichte. Außerdem hatte er mit Hilfe einer riesigen Propagandamaschinerie nicht nur seine neuen Untertanen, sondern auch die italienischen Herrscher und die politische Elite der italienischen Stadtstaaten zu überzeugen, dass er und seine Nachkommen die rechtmäßigen Nachfolger des letzten mailändischen Herzogs aus dem Hause der Visconti stellten.6 Denn die einzige Tochter von Filippo Maria Visconti, Bianca Maria Visconti (1425-1468), war schließlich bereits am 23. Februar 1432 die Gattin von Francesco Sforza geworden. Die eigentliche Hochzeit hatte allerdings erst am 26. Oktober 1441 stattgefunden.
Mit Hilfe der berühmtesten Humanisten seiner Zeit wie Francesco Filelfo (1398-1491), Pier Candido Decembrio (1392/99-1477) und Antonio de’Minuti und den mailändischen Kanzleiangestellten Lodrisio Crivelli (1412-1488) und Giovanni Simonetta († 1491), die die Aufgabe erhalten hatten, die glorreiche Laufbahn des berühmten Söldnerführers zu beschreiben und dessen Machtübernahme in Mailand zu verteidigen und zu rechtfertigen, ging Francesco Sforza schließlich als der große Befreier des mailändischen Volkes, das schwer unter dem Terrorregime der Ambrosianischen Republik und den Angriffen der Venezianer und Savoyarden gelitten hatte, in die Geschichte ein.7
Mit Hilfe der Künstler, der Maler, Bildhauer und Architekten seiner Zeit, erreichte das mailändische Herzogspaar jedoch noch ein weitaus größeres Publikum, denn wie im Mittelalter konnten auch in der Renaissance rund 90% der Bevölkerung nicht lesen und schreiben. Während in der Propaganda, die sich des Wortes bediente, die Hauptfigur Francesco Sforza war, standen in der Propaganda, die sich der Malerei bediente, seine Gattin Bianca Maria Visconti und ihr ältester Sohn Galeazzo Maria Sforza oder die gesamte Familie im Mittelpunkt. Für die Propaganda mit Hilfe der Malerei boten sich die Kirchen und Klöster, die im gesamten Mittelalter und in der Renaissance zahlreich und häufig aufgesucht wurden, als ideale Ausstellungsplätze an. In ihnen fand man daher Bianca Maria Visconti und ihren ältesten Sohn in ganz Ober- und Mittelitalien auf unzähligen Altartafeln und Fresken als die Heilige Jungfrau mit dem Jesuskind verewigt. Francesco Sforza ist – wenn er überhaupt in diesen heiligen Bildszenen auftritt – häufig in aller Bescheidenheit als Heiliger Joseph oder als ein anderer Heiliger am Bildrande zu entdecken. Die Botschaft dieser Gemälde war, dass durch Bianca Maria Visconti und ihre Kinder die Visconti-Erblinie fortlebt. Francesco Sforza diente dem letzten weiblichen Visconti-Sprössling sozusagen nur als „Hilfsmittel“ zur Fortführung ihres berühmten mailändischen Adelsgeschlechtes.8
Von keiner Dynastie aus dem Mittelalter und der Renaissance sind so viele Altartafeln und Porträts erstellt worden wie von den Sforza und zwar mit Hilfe der berühmtesten Maler ihrer Zeit, für die der beste Freund des neuen mailändischen Herzogs, Cosimo de’ Medici, sorgte. So standen im Dienste von Francesco Sforza und seiner Gattin unter anderem Fra Angelico (1387-1455), Benozzo Gozzoli (1420-1498), Paolo Uccello (1397-1475), Francesco di Pesellino (1422-1457), Fra Filippo Lippi (1406-1469), Neri di Bicci (1419-1491), Antonio Pollaiuolo (1431/32-1498) und dessen jüngerer Bruder Piero Pollaiuolo (1441-1496) und Alessio Baldovinetti (1425/26-1499).9 Cosimo de’ Medici lieh seinem Freund nicht nur diese Maler aus, er stellte auch reichlich Hilfsgelder für dessen Propagandamaschinerie von der florentinischen Regierung und Darlehen von der mailändischen Medici-Bank, die im Jahr 1452 in erster Linie für den herzoglichen Hof eröffnet worden war, zur Verfügung.10 Francesco Sforza und seine Söhne Galeazzo Maria und Lodovico il Moro nutzten die Großzügigkeit ihrer florentinischen Freunde jedoch so freigebig aus, dass die mailändische Medici-Bank bereits im Jahr 1478 ihren Bankrott anmelden musste.11
Außerdem sorgte Cosimo de’ Medici durch seine hohen diplomatischen Fähigkeiten dafür, dass der Krieg zwischen Francesco Sforza und Venedig, der im Jahr 1452 ausgebrochen war, unter seiner Vermittlung am 18. April 1454 in einem Friedensvertrag zwischen den ehemaligen Feinden endete, der 25 Jahre in Kraft bleiben sollte und dem sich bereits kurze Zeit später der neapolitanische König Alfonso I. (V.) und Papst Nikolaus V. († 1455) anschlossen.12 Francesco Sforza hatte in diesem Friedensvertrag zwar die Städte Bergamo, Brescia und Crema an Venedig abtreten müssen, aber dafür blieben er und seine Untertanen nun erst einmal für einige Jahre von weiteren Kriegen verschont.13 Jetzt konnte er endlich zusammen mit seiner Gattin mit dem Wiederaufbau des Herzogtums beginnen, das durch die jahrelangen Kämpfe finanziell und wirtschaftlich völlig heruntergekommen war. Jeder Staat, der zudem diesem Defensivbündnis beigetreten war, musste mit der kollektiven Strafe der anderen rechnen, falls er es trotzdem wagen sollte, einen seiner Bündnispartner anzugreifen. Im Abendland des 15. Jahrhunderts, in dem es ständig Kriege gab, kam es daher zwischen diesen fünf italienischen Verbündeten innerhalb der nächsten 30 Jahre nur zu fünf kurzen feindlichen Auseinandersetzungen.14
Francesco Sforza vergaß nie, wem er seinen Erfolg und die Festigung seiner Dynastie in Mailand besonders zu verdanken hatte, nämlich seinem Freund Cosimo de’ Medici, den er ehrfurchtsvoll mit „Vater“ adressierte. Letzterer nannte den mailändischen Herzog und ehemaligen Söldnerführer sogar „mein Gott auf Erden“.15 Beide legten großen Wert darauf, dass ihre enge Freundschaft, die sie mit dem Motto „SEMPER“ (lat.: für immer) bekräftigten, für jeden ihrer Zeitgenossen sichtbar war. So ließen sie sich nicht nur gemeinsam auf Altartafeln und Fresken darstellen (Abb. 3 und Abb. 4), sondern besuchten sich auch gegenseitig sehr häufig. Galeazzo Maria Sforza (1444-1476), der älteste Sohn von Francesco Sforza, war daher des Öfteren bei den Medici als Gast in Florenz zu finden, so z.B. in den Jahren 1459 und 1471, in denen er mit seinem großen und prächtig gekleideten Gefolge stets für viel Aufsehen sorgte. In den Aufzeichnungen eines florentinischen Chronisten lesen wir anlässlich seines Besuches im Jahr 1459 Folgendes: „... das schönste Geschöpf, das zu unseren Lebzeiten jemals gesehen wurde, der ehrbarste und edelste Herr, der sehr gut auch der Sohn des Gottes Mars hätte sein können, beehrte uns erneut mit einem Besuch“.16
Selbstverständlich fehlten die Medici-Freunde auch nicht bei den feierlichen Anlässen der Sforza. So war der berühmte Enkel von Cosimo de’ Medici, Lorenzo der Prächtige (1449-1492), als Stellvertreter seines schwer an der Gicht leidenden Vaters, Piero de’ Medici, anlässlich der Hochzeit der mailändischen Prinzessin Ippolita Maria (1445-1488), der älteren Tochter von Francesco Sforza, mit dem neapolitanischen Thronfolger Alfonso II. (1448-1495) im Mai 1465 unter den Gästen in Pavia zu finden.17 Über eine ganze Woche wurden bei dieser Gelegenheit kostspielige Tanzveranstaltungen, riesige Bankette, glänzende Turniere und aufregende Jagdausflüge geboten. Die enge Freundschaft von Francesco Sforza und Cosimo de’ Medici sollte sich in der engen Freundschaft zwischen Ippolita Maria Sforza und Lorenzo de’ Medici, die bei diesem Fest im Jahr 1465 begann, fortsetzen. Ippolita Maria und Lorenzo interessierten sich beide sehr für die klassische Literatur. Ihre Liebe zu dieser Wissenschaft teilten sie fortan in ihren zahlreichen Briefen und auf ihren weiteren persönlichen Begegnungen miteinander.18 Nach den Hochzeitsfeierlichkeiten in Pavia brach Ippolita Maria gemächlich zu ihrem Gatten nach Neapel auf. Ein mehrwöchiger Zwischenstopp wurde hierbei bei den Medici in Florenz eingelegt, von denen sie sich erst im August 1465 trennte. Lorenzo de’ Medici und Ippolita Maria Sforza wurden wie ihr Großvater bzw. Vater Freunde fürs Leben (Abb. 5). So war Lorenzo de’ Medici jederzeit bereit, Ippolita Maria aus ihren finanziellen Notlagen herauszuhelfen, wie auch Letztere, die eine sehr unglückliche Ehe mit ihrem Gatten Alfonso II. führte, nicht die geringsten Bedenken hatte, für ihren Bruder Galeazzo Maria und ihren Freund Lorenzo de’ Medici als Spionin am Hofe ihres Schwiegervaters, des neapolitanischen Königs Ferrante († 1494), und ihres Gatten tätig zu sein.19
Lorenzo de’ Medici war auch am 25. Juli 1469 als Stellvertreter seines Vaters bei der Taufe des ersten Sohnes des mailändischen Herzogs Galeazzo Maria Sforza, Gian Galeazzo II. Maria (1469-1494), in der Kathedrale von Mailand zu finden. Neben dem Grafen von Urbino, Federigo da Montefeltro (1422-1482), und dem Herrn von Bologna, Giovanni II. Bentivoglio (1443-1508), stellte er den dritten Taufpaten des neugeborenen Prinzen aus dem Hause der Sforza. Lorenzo de’ Medici sollte diese Funktion auch bei den noch folgenden drei Kindern des mailändischen Herzogs, Ermes Maria (1470-1503), Bianca Maria (1472-1510) und Anna Maria (1476-1497), übernehmen.20
Die Verbindung der Sforza und der Medici war so eng, dass sich der Hofarzt von Francesco Sforza, Benedetto Reguardati da Norcia, des Öfteren in Florenz aufhielt.21 Denn wenn immer einer der Familienmitglieder der Medici schwer erkrankte, dann hatte sich dieser dorthin aufzumachen. Anstatt einen der örtlichen Ärzte herbeizurufen, nahmen die Medici es gern in Kauf, etwas länger auf die Ankunft des Arztes ihres mailändischen Freundes zu warten.
In der Renaissance, in der die Symbolik eine so bedeutende Rolle spielte und in der jede hohe Dynastie ihre speziellen Embleme, Symbole und Farben besaß, anhand derer ihre Mitglieder in den herrlichen Porträts dieser Epoche relativ leicht zu identifizieren sind, wurde die enge Freundschaft zwischen den Sforza und den Medici auch in ihren Porträts mit Hilfe ihrer spezifischen Symbole gezeigt. So schmückte sich ein Urenkel von Cosimo de’ Medici, Piero II. de’ Medici (1472-1503), in seinem bekanntesten Porträt mit dem Freundschaftssymbol der Sforza, der Schleife (am Halsausschnitt) (Abb. 6).22 Um beim Betrachter oder der Betrachterin dieses Gemäldes zu verhindern, dass er aufgrund dieses Sforza-Symbols für ein Mitglied der mailändischen Dynastie gehalten wird, ließ sich Piero II. de’ Medici noch zusätzlich mit einer Münze, auf der das Profil seines berühmten Urgroßvaters Cosimo de’ Medici zu sehen ist, abbilden.
Zum Bruch der Freundschaft zwischen den Sforza und den Medici kam es erst, als Francesco Sforzas ehrgeiziger Sohn Lodovico il Moro (1451-1508) den Herzog von Mailand, seinen Neffen Gian Galeazzo II. Maria, und dessen Sohn Francesco Maria „il Duchetto“ (1492-1512) vom mailändischen Thron verdrängen wollte. In dieser familiären Auseinandersetzung zwischen Onkel und Neffen stand Lorenzo de’ Medici auf der Seite des Letzteren, seinem Patenkind Gian Galeazzo II. Maria, der zwar der rechtmäßige Erbe auf dem mailändischen Herzogsstuhl war, der aber gegen seinen mächtigen Onkel keine Verbündete gewinnen konnte. Das Ende der Freundschaft zwischen den Medici und den Sforza sollte für beide Familien tragische Folgen haben. Die Medici verloren hierdurch den Schutz, den sie über mehrere Jahrzehnte von den Sforza gegenüber ihren persönlichen Feinden erhalten hatten. In dieser Situation wurde schließlich das Attentat gegen Lorenzo und seinen jüngeren Bruder Giuliano (1453-1478) am Ostersonntag, dem 26. April 1478, in der Kathedrale von Santa Maria del Fiore, begangen, das Lorenzo zwar überleben sollte, jedoch nicht sein Bruder. Für die Sforza bedeutete das Ende der Freundschaft mit den Medici den Verlust eines wichtigen Verbündeten im politischen Mächtespiel in Italien und im Abendland. Lodovico il Moro, der sich dank des Kaisers Maximilian I. seit 1495 Herzog von Mailand nennen durfte, verlor im Kampf gegen den französischen König Ludwig XII. nicht nur seine Herrschaft, sondern starb außerdem in französischer Gefangenschaft am 17. Mai 1508 im Schloss Loches. Mit ihm endete im Prinzip die Herrschaft der Sforza im Herzogtum von Mailand.
Aber nicht alle Mitglieder der Sforza folgten dem Beispiel von Lodovico il Moro bezüglich der Medici. So pflegte die älteste illegitime Tochter des mailändischen Herzogs Galeazzo Maria Sforza, Caterina Sforza, weiterhin die Freundschaft mit den Medici und der Stadt Florenz, die sie wie ihr Großvater Francesco Sforza und ihr Vater Galeazzo Maria Sforza gegen sämtliche Feinde, besonders die Venezianer, mit der Waffe in der Hand verteidigte.23 Überdies verliebte sie sich in ein Mitglied des Hauses Medici, das sie im August 1496 wegen der Einfuhr von Getreide aus ihrer Herrschaft von Imola und Forlì nach Florenz aufgesucht hatte. Es handelte sich bei ihm um Giovanni de’ Medici „il Popolano“ (1467-1498), einem Großneffen von Cosimo de’ Medici. Dem mailändischen Gesandten von Lodovico il Moro Sforza, Francesco Tranchedini, der den Auftrag erhalten hatte, herauszubekommen, ob Caterina Sforza es bereits gewagt hatte, ohne die Erlaubnis ihres Onkels eine heimliche Ehe mit diesem Medici einzugehen, beschrieb Giovanni de’ Medici in einem persönlichen Gespräch am 1. Januar 1497 noch einmal die enge Verbundenheit zwischen den Sforza und den Medici mit folgenden Worten: „... obwohl er und sein Haus wie schon immer bereit gewesen wären, ihr Leben und ihre Macht für die Letzteren [das Haus Sforza] aufs Spiel zu setzen, so eng wären schließlich die Schicksale der beiden Familien miteinander verbunden.“24 Caterina krönte die außergewöhnliche Freundschaft ihres Großvaters Francesco Sforza mit Cosimo de’ Medici durch ihre Heirat mit Giovanni de’ Medici (Abb. 7). Aus ihrer glücklichen Ehe sollte der größte Condottiere Italiens, Giovanni dalle Bande Nere (1498-1526) (Abb. 8), hervorgehen, der der Stammvater der Großherzöge von der Toskana wurde, in denen sich letztendlich das Blut der Sforza mit dem der Medici vereint hatte.
Fußnoten:
- D. Muir, A History of Milan under the Visconti, London 1924, S. 157
- E. Micheletti, Portrait einer Familie – Die Medici in Florenz, Florenz 1998, S. 7
- M. Vogt-Lüerssen, Die Sforza I: Bianca Maria Visconti – Die Stammmutter der Sforza, Norderstedt 20082, S. 23
- D. Muir, A History of Milan under the Visconti, London 1924, S. 151
- M. Vogt-Lüerssen, Die Sforza I: Bianca Maria Visconti – Die Stammmutter der Sforza, Norderstedt 20082, S. 50-57
- M. Vogt-Lüerssen, Die Sforza I: Bianca Maria Visconti – Die Stammmutter der Sforza, Norderstedt 20082, S. 58-74
- G. Ianziti: Humanistic Historiography under the Sforzas – Politics and Propaganda in Fifteenth-Century Milan, Oxford 1988, S. 71
- M. Vogt-Lüerssen, Die Sforza I: Bianca Maria Visconti – Die Stammmutter der Sforza, Norderstedt 20082, S. 58-74
- M. Vogt-Lüerssen, Die Sforza I: Bianca Maria Visconti – Die Stammmutter der Sforza, Norderstedt 20082, S. 70-71
- V. Ilardi, Studies in Italian Renaissance – Diplomatic History, London 1986, S. 28
- V. Ilardi, Studies in Italian Renaissance – Diplomatic History, London 1986, S. 29
- B. Schimmelpfennig, The Papacy, New York 1992, S. 244
- V. Ilardi, Towards the Tragedia d’Italia: Ferrante and Galeazzo Maria Sforza, friendly enemies and hostile allies, S. 91-122, in: Abulafia, David (Editor), The French Descent into Renaissance Italy 1494-95 – Antecedents and Effects, Aldershot and Brookfield 1995, S. 96
- M. Vogt-Lüerssen, Die Sforza I: Bianca Maria Visconti – Die Stammmutter der Sforza, Norderstedt 20082, S. 99
- V. Ilardi, Studies in Italian Renaissance – Diplomatic History, London 1986, S. 27
- B. Dei, La Chronica dall’anno 1400 all’ anno 1500, Firenze 1984, S. 67
- M. Vogt-Lüerssen, Die Sforza I: Bianca Maria Visconti – Die Stammmutter der Sforza, Norderstedt 20082, S. 110
- E. S. Welch, Between Milan and Naples: Ippolita Maria Sforza, Duchess of Calabria, S. 123-136, in: Abulafia, David (Editor), The French Descent into Renaissance Italy 1494-95 – Antecedents and Effects, Aldershot and Brookfield 1995, S. 131
- E. S. Welch, Between Milan and Naples: Ippolita Maria Sforza, Duchess of Calabria, S. 123-136, in: Abulafia, David (Editor), The French Descent into Renaissance Italy 1494-95 – Antecedents and Effects, Aldershot and Brookfield 1995, S. 131
- M. Vogt-Lüerssen, Die Sforza II: Caterina Sforza – Tochter einer Krieger-Dynastie, Norderstedt 2008, S. 44-45
- V. Ilardi, Studies in Italian Renaissance – Diplomatic History, London 1986, S. 27
- M. Vogt-Lüerssen, Die Sforza I: Bianca Maria Visconti – Die Stammmutter der Sforza, Norderstedt 20082, S. 189-190
- M. Vogt-Lüerssen, Die Sforza II: Caterina Sforza – Tochter einer Krieger-Dynastie, Norderstedt 2008, S. 207-219
- P. D. Pasolini, Catherine Sforza, London 1898, S. 216