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Alltagsgeschichte des Mittelalters

III. 2.5. Die mittelalterliche Kriegführung

Der König oder Fürst konnte seine Vasallen, Lehnsmänner und Freien zu der Teilnahme an einen Heereszug nur zwingen, wenn er in der Lage war, überzeugend darzustellen, daß es sich um einen "gerechten" Krieg handele. Denn der Krieg wurde grundsätzlich als Anrufung Gottes und als großer "Zweikampf" gesehen, bei dem nur derjenige, der das Recht auf seiner Seite hatte, von Gott Hilfe erwarten konnte. Bei einem "ungerechten" Krieg waren die Gefolgsleute weder zum finanziellen noch militärischen Beistand verpflichtet.

Waren die Vasallen, Lehnsmänner und Freien bereit zu kämpfen, konnte mit den gegnerischen Truppen Ort und Zeit der stattzufindenen Schlacht vereinbart werden. Hinterhalte zu stellen, war (theoretisch!) strikt verboten, denn sie widersprachen der ritterlichen Ehre!

Wie es im Heer kurz vor einer Schlacht aussehen konnte, beschreibt Helmut Hiller bei Otto I., als dieser sich im Jahre 954 gerade in den Kampf gegen die Ungarn begeben wollte:
"Nachdem das Heer geordnet und vollzählig war, setzte König Otto zur Vorbereitung auf die Schlacht einen Tag des gottesfürchtigen Fastens und frommen Gebetes fest. Die Männer verziehen sich gegenseitig ihre Reibereien und Unfreundlichkeiten und gelobten einander wie auch ihren Führern alle Hilfeleistung im Kampf. Nicht wenige von ihnen mögen eine Zwiebel der wilden Gladiolen, die man auch Siegwurz oder – beinahe noch hoffnungsvoller – Allermannsharnisch nannte, bei sich getragen haben, denn ein solches Amulett machte nach damaligem Glauben hieb- und stichfest und ließ die Wunden besser heilen. Der König selbst tat das Gelübde, im Falle eines Sieges in Merseburg zu Ehren des Feuermärtyrers Laurentius ein Bistum zu gründen und die dort begonnene Pfalz in eine Kirche umzubauen." (in: Helmut Hiller, Otto der Große und seine Zeit, München 1980, S. 163)

Die Heere selbst waren nie sehr groß.

Kaiser Otto IV. († 1218) versuchte sogar mit nur 1 500 Berittenen und 7 500 Fußsoldaten, Frankreich zu erobern. Was ihm jedoch mißlang! Das zahlenmäßig stärkste Heer im Mittelalter soll Eduard III. von England im Jahre 1347 bei der Belagerung von Calais aufgeboten haben. Es wies über 32 000 Mann auf.

Im allgemeinen ritt den Heeren ein Fahnenträger voran, der das besondere Ziel der gegnerischen Truppen war. Denn das Entreißen der Fahne, die zur Sammlung der Kämpfenden diente und auf der häufig ein Schutzheiliger oder das Wappen des Fürsten abgebildet war, konnte schon zum Sieg führen. Die "Fahnenlosen" wurden dadurch nämlich völlig demoralisiert!

Das Heer selbst bestand aus drei Abteilungen oder "Haufen". Vorne befand sich die Vorhut aus Bogenschützen und Armbrustschützen, in der Mitte die Ritter und Fußsoldaten und hinten die Nachhut. Außerdem mußten noch Wagen und Packpferde mit Proviant, Zelten, Belagerungswerkzeugen, Zusatzwaffen und lebendes Schlachtvieh mitgenommen werden. Der Ritter belastete sich auf dem Marsch nur mit seinem Schwert. Der Ringpanzer, der Topfhelm und der Schild befanden sich in den genannten Wagen. Dem Heereszug folgten schließlich noch Kaufleute und Prostituierte, die bei solchen Gelegenheiten reichlich Gewinn machten.

Am Tage wurde marschiert, und in der Nacht wurde das Lager aufgeschlagen, das den römischen Feldlagern nachgeahmt wurde. Die Fürsten ließen ihre kostbaren Zelte aufbauen, vor denen auch die Heeresfahne aufgepflanzt wurde. Die Ritter bildeten Zeltgemeinschaften. Wachmannschaften hatten dieses Nachtlager vor Überraschungen zu warnen.

Am Tag der Schlacht wurde morgens erst noch die Messe gelesen. Dann ging es schließlich mit Schlachtgesang und Kriegsgeschrei, begleitet von Pauken, Trommeln, Hörnern und Posaunen in den Kampf. Das Fußvolk hatte mit dem Angriff zu beginnen. Die Ritter folgten.

Geriet das Heer in eine gefährliche Situation und mußte sich verteidigen, versuchte man die Gegner durch in den Boden gesteckte Speere und Fußangeln zurückzuhalten. Den Troß, also die Wagen mit den Lebensmitteln, Zelten und Restwaffen, schützte man durch Sicheln, die an den Wagendecken angebracht worden waren.

Die Ritter wurden in ihren Kämpfen stets von ihren Knappen und Waffenknechten begleitet, die aber nur ins Kampfgeschehen direkt eingreifen durften, wenn ihr Herr stürzte oder in Lebensgefahr schwebte. Im Gegensatz zur Neuzeit trugen die Kämpfer im Mittelalter keine Uniform. Das erschwerte gerade durch das Tragen von Plattenpanzern und Topfhelm die Freund-Feind-Unterscheidung.

Wer war wer? Um zu wissen, wen man schonen und wen man töten mußte, wurden die Wappenbilder der Kämpfenden auf dem Schild, der Schabracke, auf der Lanze, am Waffenkleid und eventuell noch am Topfhelm angebracht.

Diese Wappenbilder, die gegen Ende des 11. Jhs. in Frankreich schon erblich geworden waren, entwickelten sich im 13. Jh. zu einem festen Familienzeichen. So konnten Herolde, die nach einer langen Lehrzeit von 7 - 8 Jahren in der Wappenkunde ausgebildet wurden, anhand ihrer Bücher jedem Wappen ein spezielles Geschlecht zuordnen.

Wieviel Menschen in solchen mittelalterlichen Schlachten starben, ist schwer zu sagen. Die mittelalterlichen Geschichtsschreiber waren nicht immer unparteiisch. Sie liebten es, die Zahl der Toten ihrer Favoriten so gering wie möglich erscheinen zu lassen, während die Gegner manchmal das Dreifache ihrer Heeresstärke verloren hatten.

Den Siegern einer Schlacht, die ohne Verletzungen davongekommen waren, winkten Bankette, Siegesfeiern, fürstliche Mahlzeiten etc. Die verwundeten Sieger dagegen erhielten kaum Pflege. Nach dem Gemetzel wurden die eigenen Toten bestattet und die gefallenen, ehemaligen Feinde, nachdem Leichenfledderer ihnen die Rüstung, Ringe, Schwerter und Kettenhemde abgenommen hatten, verbrannt.

"Ritterlich" waren die Kämpfe wirklich nicht zu bezeichnen.

König Peter III. von Aragon († 1285) ließ in seiner Schlacht gegen die Franzosen das Wasser der Pferdetränken vergiften. 30 000 Pferde sollen dabei umgekommen sein.

Im Krieg zwischen Flandern und Frankreich legten die Flamen Fallgruben mit spitzen Pfählen an, auf denen die französische Ritterschaft aufgespießt wurde.

Der nichtadlige Gefangene, der "kleine Mann", wurde mißhandelt, eingekerkert, gefoltert oder schon auf dem Schlachtfeld hingerichtet, damit sich der Sieger nicht mit unnützem "Gepäck" herumärgern mußte.

"Hinterlist und Grausamkeit haben zwar meistens die Praxis der adligen Fehde- und Kriegführung bestimmt, aber es gibt auch Beispiele dafür, daß Gebote der Fairneß berücksichtigt wurden, daß man sich scheute, einen unbewaffneten Gegner zu überfallen oder daß man nicht zu mehreren gegen einen kämpfen wollte. Es gibt auch Beispiele für die Schonung von besiegten Gegnern, für die Freilassung auf Ehrenwort, für die anständige Behandlung von Gefangenen, wenn es sich dabei auch eher um Ausnahmefälle gehandelt haben dürfte." (in: Joachim Bumke, ebenda, 2. Bd., S. 439)

Adlige Gefangene gab der Sieger gegen Lösegeld oder im Austausch mit anderen hohen Gefangenen wieder frei. Das geforderte Lösegeld wurde dann jeder Stadt und jeder Grafschaft des Herrn abverlangt. Auch die Geistlichkeit mußte ihren Bonus leisten.

Im allgemeinen hatte man aber als adliger Gefangener nichts zu befürchten. Es sei denn, man wurde die Geisel deutscher Fürsten! Denn diese Herren scheuten nicht einmal davor zurück, selbst Könige wie Diebe in Eisen und Ketten zu legen. Richard Löwenherz konnte davon ein Lied singen!

Selbst im grausamen Hundertjährigen Krieg (14. Jh.) zwischen den Franzosen und Engländern wußte man, wie man adlige Geiseln zu behandeln hatte. Die französischen Geiseln mußten in England mit ihren mitgebrachten Dienern zwar auf ihre eigenen Kosten leben, aber man versuchte sie zumindest mit Banketten und Festen bei guter Laune zu halten. Sie durften sich in England frei bewegen und auch ihrer beliebten Jagd nachgehen.

Im 14. Jh. war es schließlich vorbei mit den "ritterlichen" Kämpfen, denn die Feuerwaffen wurden im Heer eingeführt, und manche Fürsten bevorzugten statt der Ritter von nun an die "skrupellosen" Söldner.

Die Feuerwaffen wurden im Jahre 1241 zum erstenmal von den Mongolen in der Schlacht bei Liegnitz gegen schlesische Ritter verwendet. Ihre Ladungen konnten die Rüstungen mit Leichtigkeit durchschlagen.

Im 14. Jh. erfand ein Franziskanermönch namens Berthold Schwarz das Schießpulver, das bei den Chinesen und Mongolen schon Jahrhunderte vorher in Gebrauch war. Auch das "Griechische Feuer", ein Gemisch aus Salpeter, pulverisiertem Schwefel, ungereinigtem Ammoniaksalz, Harz und Terpentin, ließ die Kämpfe noch grausamer werden.

"Man konnte es in flüssiger Form verwenden – dabei trat es als fauchende Flamme aus Kupferrohren aus, ähnlich wie bei einem modernen Flammenwerfer – oder eine Sprengmischung für Handgranaten daraus herstellen. Die Mischung wurde in dünnwandige Tonkrüge gefüllt, die handgerecht waren und etwa 20 - 30 m weit geworfen werden konnten. Die Öffnung des Kruges wurde mit einem Verschluß aus Leinwand oder starkem Papier versehen, den in Schwefel getauchte Schnüre festhielten. Die Schnüre hingen in den Topf hinein und wurden kurz vor dem Wurf angezündet. Wenn der Tonkrug zerplatzte, löste mindestens eine der Zündschnüre die Explosion aus." (in: Ernle Bradford, ebenda, S. 85)

Im 14. Jh. wurden schließlich auch noch die Kanonen als neue Waffen eingeführt. Sie wurden mit Blei- oder Steinkugeln bedient. Die größte Kanone im Mittelalter wurde 1453 bei der Beschießung von Konstantinopel benutzt. Sie hatte eine Rohrlänge von fast neun Metern und feuerte Kugeln von ungefähr 550 kg ab. Da das Kanonenrohr vor dem Nachladen erst wieder abkühlen mußte, konnte pro Stunde aber nur ein Schuß von ihr abgegeben werden!

In Anbetracht dieser neuen mörderischen Erfindungen waren die Ritter bereit, das Kämpfen den Söldnern zu überlassen. Söldner gab es nicht erst im Spätmittelalter, sondern schon im 10. Jh.! Zu dieser Zeit waren sie aber nur die Handlanger der Ritter und mußten die Sachen erledigen, die für "unritterlich" galten, wie z.B. unnötige Gefangene töten.

Im 14. Jh. bestanden die Armeen in Frankreich, Savoyen, in der Lombardei und in einigen anderen oberitalienischen Staaten fast ausschließlich aus Söldnern. Sie trugen spärlichere Rüstungen als die Ritter und besaßen somit mehr Bewegungsfreiheit. Die Söldnertruppen waren wohl organisiert und zeichneten sich durch große Disziplin aus. Ihre Kampfkraft stellten sie dem Meistbietenden zur Verfügung. An Verträge wurde sich dabei nicht groß gehalten. Mit der Zeit wurden diese Söldnertruppen zu einer wahren Plage, denn sie erpreßten systematisch Geld von befestigten Städten und tyrannisierten reich und arm. Erst im 15. Jh. gelang es dem französischen König Karl VII. den söldnerischen Erpressungen und Gewaltandrohungen ein Ende zu bereiten, indem er diese gesetzlosen Kompanien in sein stehendes Heer integrierte.


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