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Alltagsgeschichte des Mittelalters

V. 1.7. Die Ehen der Unfreien

Nach dem römischen und dem germanischen Recht durften die Unfreien nicht heiraten. Denn eine vollgültige Ehe setzte die freie Geburt der Ehegatten voraus. Im fränkischen Reich der Merowinger konnten die Unfreien jedoch seit dem 6. Jh. Ehen eingehen, wenn diese mit der Zustimmung ihres Grundherrn und unter Beachtung bestimmter Formen geschlossen wurden. In der Karolingerzeit wurde ihnen schließlich das Heiratsrecht zugestanden.

Für den Grundherrn war es am günstigsten, wenn beide unfreien Ehepartner aus seiner Grundherrschaft stammten. Waren die Gatten aus unterschiedlichen Grundherrschaften, schied die Frau z.B. trotz ihrer Verheiratung und ihrem eventuellen Wegzug nicht aus ihrem angeborenen Hörigkeitsverhältnis aus. Schließlich wollte ihr Grundherr nicht eine Arbeitskraft verlieren und sie dem benachbarten Grundherrn schenken. Darum wurde die Regelung getroffen, daß die aus dieser Ehe stammenden Kinder zwischen beiden Herren aufgeteilt wurden. Die Kirche versuchte oft vergeblich, die schmerzliche Trennung der Familien durch den getrennten Verkauf unfreier Eheleute und deren Kinder zu verhindern.

Ein Thema muß bei diesem Komplex natürlich noch behandelt werden: das ius primae noctis.

Wer hatte nun das Recht, die Unfreie zu entjungfern, der Ehegatte oder der Grundherr?

"Es ist nicht überliefert, inwieweit die Herren – übrigens auch die Geistlichen – von ihrem Recht Gebrauch machten, in der Brautnacht den Bräutigam bei der Braut zu ‚vertreten‘: Erhalten sind jedoch zahlreiche Berichte, nach denen die Braut freigekauft wurde. Manche Bräute, schreibt Epperlein, hatten ihrem Grundherrn so viel Käse oder Butter zu entrichten, ‚als dick und schwer ihr Hintern war‘. Auch Geld wurde anstelle der Jungfer gern und reichlich entgegengenommen. Geld, das im Laufe der Zeit typische Spottnamen bekam: Jungfernzins, Stechgroschen, Schürzenzins und Hemdschilling, um nur einige aufzuzählen. Aber wenn man weiß, wie arm die Landbevölkerung war, kann man sich vorstellen, daß viele Frauen ihrem Grundherrn wohl oder übel zu Willen sein mußten, wenn dieser auf seinem ‚Recht‘ bestand." (in: Gabriele Becker u.a., ebenda, S.56)

Ein absolutes Heiratsverbot bestand bei den Geistlichen, den Epileptikern und den Insassen von Siechenhäusern, also kranken und gebrechlichen Menschen, die auf Hilfe von außen angewiesen waren. Wollten letztere trotzdem heiraten, hatten sie das Siechenhaus zu verlassen.


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