"Das beste Heilmittel gegen die Pest nach den Doktoren von Paris, Montpellier und Bologna, mehrfach mit Erfolg angewandt und für wahr befunden. Und es ist niemals beobachtet worden, daß nicht alle gerettet und von der Pest befreit wurden, die das folgende Regiment eingehalten haben.
Als erstes soll sich jeder von Unmäßigkeit im Essen und Trinken hüten, davor, zu lange wach zu sein, anstrengende schwere Arbeit zu verrichten, ins Schweiß- oder Wasserbad zu gehn, häufig und lange in Menschenansammlungen sich aufzuhalten, lange zu fasten, nachts viel auf der Straße herumzulaufen (oder) häufigen Umgang mit Frauen zu haben. Zorn, Unzufriedenheit, Traurigkeit des Herzens, alle Baumfrüchte mit Ausnahme der sauren: all das soll man vermeiden, soweit man das kann und vermag, und man soll fröhlich sein und niemals allzu ängstlich. Auch soll man vor allem seinen Frieden mit Gott machen, denn wer Frieden mit Gott hat, der hat vor der Pest viel weniger Angst. Auch muß man gutes Essen zu sich nehmen und gute Getränke; man darf nicht zu früh aufstehen und die Fenster und Türen frühmorgens nicht öffnen, ehe die Sonne nicht eine Weile geschienen hat. Auch ist ferner gut, daß einer, wenn er reich ist, ein kräftiges Feuer von trockenem Holz morgens und abends in seinem Zimmer brennen läßt.
Des weiteren soll man viel Weinessig zu sich nehmen, wann immer man kann. Auch ist es gut, morgens, ehe man aus dem Hause geht, Hände, Nase und Ohren mit Rosenwasser und Weinessig einzureiben ...
Was die Arzneien (betrifft), die man dagegen nehmen soll, so handelt es sich um Theriak, Pest-Pillen, Rosen-Zubereitungen sowie gepulvertes electuarium liberaus; und zwar (soll man) dabei folgendermaßen (vorgehen), nämlich fünf Tage nacheinander morgens das Pulver (nehmen), am sechsten Tag Pillen, am siebten Tag Theriak: und von dem soll man eine Stunde nach Mitternacht so viel wie eine Bohne mit einem Löffel Wein einnehmen und danach neun Stunden fasten ...
Und wenn der Fall eintritt, daß jemand infolge schlechter Lebensführung die Pest bekommt, der soll sich unverzüglich dreifach purgieren, eh' er etwas ißt oder trinkt bzw. schläft, und zwar auf folgende Weise: Als erstes soll er unverzüglich zu derjenigen Ader lassen, die der Stelle, wo er die Pestbeule fühlt, am nächsten liegt und zwar auf ebenderselben Seite (denn niemals darf man an der gesunden Seite (zu Ader lassen) und (so den Krankheitsstoff) am Herzen vorbeileiten: das wäre tödlich!), und man soll eine große Menge Blut lassen nach Anweisung des Arztes, der das Lassen besorgt, und diesen Aderlaß darf man keinen Augenblick hinauszögern; man muß ihn vornehmen, so früh wie sich das einrichten läßt. Zweitens ist nach dem Aderlassen eine Arznei angezeigt, die soll man anschließend nehmen für den Fall, daß vom Pesthauch der Luft etwas im Körper zurückgeblieben sein sollte; und die nimmt man dann ein, und sie führt zu starken Schweißausbrüchen und treibt das Gift hinaus durch die Poren der Haut. Und dies sind die alleredelsten köstlichsten Arzneien, die je gefunden wurden gegen die obengenannte Krankheit. Am wichtigsten ist freilich, daß man vor dem Pestfieber Reißaus nimmt, denn die Krankheit ist sehr ansteckend." (Nach W. L. Braekman und G. Dogaer, Spätniederländische Pestvorschriften, in: Medizin im mittelalterlichen Abendland, hrsg. von G. Baader und C. Keil, Darmstadt 1982, S. 460ff, zu lesen in dieser leicht veränderten Form, in: Geschichte betrifft uns, 3/88, S.9)
Die beste Prophylaxis war: fuge, recede, redi! Fliehe, weiche, kehre zurück. Was auch viele reiche Bürger, sobald der erste Pestfall in ihrer Stadt gemeldet wurde, taten. Die weniger vermögenden versuchten sich – wie bereits erwähnt – mit Präservativmitteln zu schützen. So nahm man das Pulver von gedörrten und geriebenen Kröten zu sich, trug solche gedörrten Kröten in Säckchen genäht als Amulette auf der Brust oder stellte Salben aus gedörrten Kröten, Spinnen und Skorpionen her. Auch das Riechen an Böcken und das Einatmen des Gestanks toter Hunde wurde empfohlen.