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Alltagsgeschichte des Mittelalters

XI. 1. Die Geschichte des abendländischen Mönchtums

Das christliche Mönchtum entstand im Orient im 3. Jh. Hier lebten die Mönche nach ihrem großen Vorbild, Johannes dem Täufer, als Einsiedler oder Eremiten in den Wüsten Ägyptens, Syriens und Palästinas und hofften, zurückgezogen von ihren Mitmenschen, das ewige Heil ihrer Seele zu finden. Der Begründer des Mönchtums soll laut dem alten Testament aber Elija, der in der ersten Hälfte des 9. Jhs. v. Chr. als Prophet wirkte, gewesen sein.

In Ägypten lebten diese Eremiten jedoch nicht völlig isoliert voneinander, sondern bildeten lose Kolonien, in denen sie in strengster Enthaltsamkeit, auch Askese genannt, zur Vollkommenheit gelangen wollten. Als Wohnräume dienten ihnen im allgemeinen selbstgebaute Hütten, aber auch verfallene Ruinen oder aufgelassene Grabhöhlen, in denen sie den Tag mit endlosem Beten und fast unerträglichen Kasteiungen verbrachten. Körperlich dagegen wurde nur gearbeitet, um sich mit den lebensnotwendigen Dingen eindecken zu können. Als geistigen Mittelpunkt gab es in diesen Kolonien einen erfahrenen Mönchen, der aufgrund seiner Begabung, Frömmigkeit und Lebensweise zur Autoritätsperson für die anderen geworden war. Die Bindung zu ihm war frei gewählt und konnte jederzeit gelöst werden. Hatte man ihn aber als Autorität anerkannt, mußte man sich ihm auch unterordnen. In diesen Kolonien wohnte zwar jeder für sich, aber es gab doch auch einige gemeinsame Veranstaltungen, z.B. trafen sich alle Mönche einmal in der Woche beim Gottesdienst. Auch die Erzeugnisse ihrer Arbeit, z.B. geflochtene Matten, Körbe etc. wurden von einzelnen dazu bestimmten Mönchen gesammelt, zu den Märkten der Städte gebracht und verkauft. Von dem Erlös erwarb man sich die eigene nötige Kleidung und Nahrung.

Andere Mönche wiederum zogen es vor, nach dem Vorbild der Apostel in enger Gemeinschaft (Koinobitentum) zu leben. In ihrem durch eine Mauer von außen abgeschlossenen Wohnraum, dem Kloster, herrschte eine einheitliche Lebensweise in Nahrung, Kleidung, Arbeit und Gottesdienst. Und alle Mitglieder dieser Mönchsgemeinschaft hatten sich der Mönchsregel und dem Abt, dem sie bedingungslos gehorchen mußten, zu unterwerfen. Während im Eremitentum jeder Einsiedler selbst das Maß seiner Armut bestimmen konnte, durfte der Mönch im Koinobitentum nichts mehr sein Eigen nennen. Das Kloster als Gemeinschaft verfügte einzig und allein über Besitztümer und versorgte die Mönche mit dem Lebensnotwendigen, mit Gewändern, mit dem Essen und Trinken, mit den Betten etc.

Alles, was die Mönche erarbeiteten, die Erträge auf den Feldern, das Kopieren und Herstellen kostbarer Bücher, gehörte dem Kloster, das sich selbst als "Eigentum Christi" sah.

Vermutlich hatte ein Mann namens Pachomios in der ersten Hälfte des 4. Jhs. als erster diese Form von Klostergemeinschaft organisiert. Von ihm jedenfalls stammte die erste, ursprünglich in koptischer Sprache abgefaßte Mönchsregel, die später ins Griechische übersetzt und 404 n. Chr. von Hieronymus ins Lateinische übertragen wurde.

Gegen Ende des 4. Jhs. gelangten die Mönchsgemeinschaften und die Eremitenkolonien vom Orient ins Abendland. Hier war seit 313 die christliche Religion der römischen Staatsreligion gleichgestellt worden. Aber schon im Jahr 380 konnte das Christentum den römischen Glauben als Ketzerei abstempeln und verbieten lassen. Dabei hatte der christliche Glaube und Kult selbst bereits viele heidnische und jüdische Elemente übernommen. Abaelard wies auf dieses Phänomen in einem Brief an Heloisa hin: "Viele Bräuche der heiligen Kirche stammen aus dem Heidentum oder Judentum, und die Kirche brauchte sie nur in edlere Form umzugießen. Die ganze Stufenleiter des geistlichen Standes vom Türhüter bis zum Bischof, die Verpflichtung zur Tonsur für alle Diener der Kirche, die Quatemberfasten, das Fest der süßen Brote, ja sogar der Schmuck des priesterlichen Ornates, einige Weihehandlungen und sonstige heilige Gebräuche, all das hat bekanntlich die Kirche von der Synagoge übernommen." (in: Abaelard, ebenda, S. 230)

Zudem erwähnte Abaelard noch, daß die Römer in ihrer Religion Flamines und Archiflamines hatten, die im Christentum die Bezeichnung Bischöfe und Erzbischöfe erhielten. Anstatt wie bei den Römern Götzen zu verehren, zogen die Christen die Reliquien der Heiligen vor. Und das hohe Ansehen des jungfräulichen Standes, daß die Priesterinnen der Vesta verkörpert hatten, wurde im Christentum durch die Nonnen übernommen, die nur im Gegenteil zu ihren römischen Vorgängerinnen beim Brechen ihres Keuschheitsgelübdes nicht gleich lebendig begraben wurden. Den Unterschied zwischen Mönchen und Priestern sah Hieronymus folgendermaßen:
"Wenn Du (gemeint ist ein Priester namens Paulus) das Amt eines Presbyters (Priesters) wahrnehmen willst, wenn Du Gefallen findest an der Würde oder Bürde des Bischofsamtes, dann mußt Du in Städten und festen Plätzen wohnen und Dein Heil suchen in der Rettung anderer. Willst Du aber sein, wie Du heißest, ein monachus, d.h. ein Einsiedler, was tust Du dann in den Städten, die in jedem Fall kein Aufenthalt für Einsiedler sind, sondern doch nur für Leute, denen es erst im dichtesten Gewühl recht wohl ist? Eine jede Lebensrichtung hat ihre Ideale... Um von uns Mönchen zu reden: Bischöfe und Presbyter mögen sich die Apostel und die Apostolischen Väter zum Vorbild nehmen und es sich angelegen sein lassen, nicht bloß deren Rang zu haben, sondern auch ihre Tugend... Die Begründer unseres Standes (Mönchsstandes) sind Elia und Elisa, unsere Führer sind die Söhne der Propheten, die weit draußen in der Einsamkeit hausten und sich am Jordanufer Hütten bauten." (in: Abaelard, ebenda, S. 258)

Die Verbindung zwischen Kloster und Kirche wurde im Konzil von Chalcedon im Jahre 451 in der Form geregelt, daß die Klöster den bischöflichen Diözesen, in denen sie sich befanden, unterstellt wurden. Den Bischöfen wurde zudem das Recht zugestanden, in ihren Amtsbereichen (Diözesen) Klöster zu gründen und Aufsicht über sie zu führen.

Im Gegensatz zum orientalischen Mönchtum wurde das abendländische von den Adligen finanziell und politisch gefördert.

Anfänglich begaben sich hauptsächlich Menschen des niederen Standes in die Klöster. Denn für die arme Bevölkerung war dieser Eintritt ganz bestimmt ein Weg zum Aufstieg in ein besseres Leben. Das Eremitentum dagegen spielte als religiöse Lebensform im Abendland keine so bedeutende Rolle wie im Orient. Auch wurde die Wissenschaftsfeindlichkeit der orientalischen Mönche nicht als Vorbild von den abendländischen Mönchen übernommen. Im Gegenteil, die "Brüder" zeichneten sich hier gerade durch ihre Gelehrsamkeit vor ihren Mitmenschen aus.

Der heilige Benedikt von Nursia
Abb. 60: Der heilige Benedikt von Nursia († 547) verkündet hier von seinem Katheder aus den Mönchen, Nonnen, Bischöfen, Kardinälen und dem Papst Gregor dem Großen († 604), der mit seiner Tiara links zu seinen Füßen kniet, seine Regel, die Benediktregel, die die bedeutendste Mönchsregel des Abendlandes werden sollte. Im Hintergrund werden in den drei romanischen Fenstern wichtige Ereignisse im Leben des heiligen Benedikts dargestellt, wie der Gang seines Schülers Maurus über das Wasser, um dem ertrinkenden Bruder Placidus zu retten (links), der Versuch des Priesters Florentius den heiligen Benedikt mittels eines vergifteten Brotes zu töten (Mitte), und Benedikts Erleuchtung.

Von Italien breitete sich das Mönchswesen nach Südfrankreich und auf die britischen Inseln aus. Dabei entstanden durch die Verschiedenheit der Völker und Sitten, der Kleider- und Speisevorschriften, der Form der Liturgie viele unterschiedliche Klosterregeln. Die meisten Anordnungen waren jedoch nur kurze Zeit gültig und wurden schon bald durch neue ersetzt. Nur die Regel, die von Benedikt von Nursia († um 547) (Abb. 60) für seine Mönchsgemeinschaft in Monte Cassino geschrieben wurde, sollte in die Geschichte eingehen. Gegen Ende des 7. Jhs. gelangte diese Benediktregel nach England, von wo aus sie durch zwei Geistliche, Willibrord († 739) und Bonifatius († 754), ihren Weg nach Deutschland und ins westliche Frankreich fand.

Seit dem 8. Jh. versuchten die Geistlichen, diese Mönchsregel auf Synoden und mit kaiserlicher Hilfe zur einzig gültigen römischen Klosterregel erklären zu lassen.

Durch die Benediktregel konnte jedoch nicht alles, was das Leben im Kloster betraf, geordnet und festgelegt werden. Deshalb ergänzte man sie durch Consuetudines, Ausführungsbestimmungen, die von Kloster zu Kloster verschieden sein konnten. Wer aber war nun im Besitz der allein richtigen Consuetudo?

Wegen dieser Frage brach ein großer Streit zwischen den Klöstern aus. Im 10. Jh. kam es zu der längst erwarteten ersten Abspaltung. Das burgundische Kloster Cluny hielt neben der Benediktregel ihre "cluniazensische" Consuetudo für das gottgefällige Leben im Kloster für die beste und einzig zum Heil führende Ausführungsbestimmung. Im 12. Jh. spalteten sich von ihnen die Zisterzienser ab, die neben der Benediktregel ihre "zisterziensische" Consuetudo für die einzig richtige hielten.

Im 11. Jh. kam es zu einer Krise im Mönchtum, da viele Mönche ihre Großklöster verlassen hatten, um als Eremiten das wahre Heil zu finden. Einige versuchten eine neue mönchische Lebensform zu finden, in der Koinobitentum und Eremitentum miteinander verbunden wurden, wie z.B. die Kamaldulenser und die Kartäuser. Bei ihnen hatte jeder Mönch sein eigenes Haus, das am großen Kreuzgang lag. Kirche und Gemeinschaftsräume befanden sich in unmittelbarer Nähe ihrer Wohnbauten.

Im 13. Jh. entstanden als weitere neue Orden, die Franziskaner und die Dominikaner, die Karmeliten und die Augustinereremiten. Alle vier waren große Bettelorden, die in den mittlerweile zahlreich entstandenen Städten ihr geistliches Betätigungsfeld sahen.


Lesetipps:
  • Die Benediktregel: Eine Anleitung zu christlichem Leben. Zürich, Einsiedeln, Köln 1982 (2. Auflage) (sehr interessant!)
  • Frank, Karl Suso: Grundzüge der Geschichte des christlichen Mönchtums, Bd. 25. Darmstadt 1975
  • Kronenberg, Martin: Im Geiste des heiligen Benedikts, S. 20-25, in: Praxis Geschichte (6/1989)
  • Nigg, Walter: Benedikt von Nursia – Der Vater des abendländischen Mönchtums. Freiburg im Breisgau 1979

als Buch
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