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Bedeutende Königinnen bzw. Kaiserinnen des Frühmittelalters

Amalasuntha (um 502/03-535) - Die Königin der Ostgoten

Amalasuntha
Vermutlich Amalasuntha, die Königin der Ostgoten. Rome, Palazzo dei Conservatori.

Amalasuntha (oder Amalasuentha, Amalaswintha, Amalasuintha) wurde um 502 oder 503 und nicht, wie leider mittlerweile fast überall zu lesen ist, bereits um 495 als dritte uns namentlich bekannte Tochter des berühmten ostgotischen Königs Theoderich des Großen (454-526), eines der mächtigsten Herrscher des Frühmittelalters, in Ravenna geboren. (in: Robert Browning: Justinian and Theodora, London 1987 (revised edition), p. 104). Über ihr Leben und Wirken sowie über das ihrer Vorfahren und Nachkommen geben uns folgende Geschichtsschreiber der Spätantike bzw. des Frühmittelalters wichtige Informationen: der byzantinische Geschichtsschreiber Prokopios (oder Prokopius) von Caesarea (um 500 - um 562); der römische Geschichtsschreiber Flavius Magnus Aurelius Cassiodorus (um 485/87 - um 580/83), der Theoderich dem Großen als Magister officiorum und Amalasuntha und ihrem Sohn Athalarich als Praefectus praetorio diente; Anonymous Valesianus II., ein namentlich nicht bekannter Römer mit seinem Werk „Excerpta Valesiana“; der gallo-römische Diakon und spätere Bischof Magnus Felix Ennodius von Pavia (473/74-521) und der romanisierte Gote Jordanes († nach 551).

Väterlicherseits gehörte Amalasuntha zu der berühmten ostgotischen Dynastie der Amaler, die ihren Namen von ihrem legendären Vorfahren, dem König Amal, ableiteten (siehe: die Stammtafel der Amaler). Zur Zeit von Amalasunthas Großvater Theodemer († 474) und seinen zwei Brüdern Valamer († 468/69) und Vidimer († 473/74) lebten die Ostgoten in Pannonien (= Westungarn), das vom Südwesten des Plattensees bis zur Drau, einem Nebenfluss der Donau, reichte. Hier erblickte auch Amalasunthas Vater Theoderich im Jahr 454 das Licht der Welt.

Amalasunthas Mutter war die adlige Fränkin Audoflede (oder Audefleda) († nach 526), die eine Tochter des Merowingerkönigs Childerich I. († 481/82) und die jüngste Schwester des berühmten Merowingerkönigs Chlodwig I. († 511) war. Theoderich bat im Jahr 493 bei ihrem Bruder um ihre Hand, als er gerade seine Herrschaft in Italien antrat. Audoflede war bereits seine zweite Gattin. Der Name seiner ersten Gattin ist nicht bekannt. Von dem katholischen Geschichtsschreiber Jordanes erhielt diese den sie abwertenden Titel „Konkubine“. (in: Jordanes: The Origin and Deeds of the Goths, LVIII, 297, in: Charles Christopher Mierow: The Gothic History of Jordanes, Cambridge, New York 1966 (reprinted), p. 137). Aber die Töchter von Konkubinen wären auch zur Zeit von Theoderich dem Großen wegen ihres schweren Geburtsmakels nie die Gattinnen von Königen geworden. Bei Anonymous Valesianus (63) finden wir schließlich den richtigen Titel von Theoderichs ersten Gattin, nämlich „uxor (= Gattin)“. (in: John Moorhead: Theoderic in Italy, Oxford 1992, p. 51). Leider wird auch in dieser historischen Quelle ihr Name nicht genannt.

Wir wissen jedoch, dass der oströmische Kaiser Zeno I. (oder Zenon I.) († 491) gegen Ende 479/Anfang 480 in einen Konflikt mit dem thrakischen Goten Theoderich Strabo († 481) geriet und dringend die militärische Hilfe von Theoderich dem Großen benötigte. Hierbei versprach der Kaiser Letzterem die Ehe mit der Tochter des bereits verstorbenen weströmischen Kaisers Anicius Olybrius († 472) oder mit einer anderen Frau aus den höchsten Kreisen Konstantinopels. Als Theoderich schließlich ein Bündnis mit dem thrakischen Goten Theoderich Strabo vor dessen Tod im Jahr 481 schloss, wurde zur Festigung dieser Verbindung ebenfalls eine Ehe zwischen ihren Familien vereinbart.

Da Theoderich eine Heirat mit Anicia Juliana (um 460-vor 532), der Tochter des weströmischen Kaisers Anicius Olybrius, ausschlug, bleiben im Prinzip nur zwei Kandidatinnen übrig: eine weibliche Verwandte des thrakischen Goten Theoderich Strabo oder eine Frau aus den höchsten Kreisen Konstantinopels, vielleicht eine Verwandte des oströmischen Kaisers Zeno I. Wer auch immer die erste Gattin von Theoderich war, seine zweite Tochter erhielt sowohl einen gotischen als auch einen byzantinischen Namen: Sie hieß Ostrogotho-Ariagne oder Ostrogotho-Ariadne. Sie war also nach der oströmischen Kaiserin Ariadne oder Aelia Ariadne (um 450-515), der älteren Tochter des oströmischen Kaisers Leo I. und Gattin der oströmischen Kaiser Zeno I. († 491) und Anastasius I. († 518), genannt worden.

Theoderich der Große
Amalasunthas Vater, Theoderich der Große

Wie viele Kinder Theoderich dem Großen von seinen zwei Gattinnen insgesamt geschenkt wurden, wissen wir nicht. Nur drei seiner Töchter überlebten das Kindesalter und wurden Erwachsene. Aus seiner ersten Ehe gingen zwei Töchter hervor. Die erste, die den ostgotischen Namen Thiudigotho (oder Theodegotho) erhielt, wurde um 482 geboren. Die zweite, die mit einem ostgotisch-byzantinischen Namen, Ostrogotho-Ariagne oder Ostrogotho-Ariadne, bedacht wurde, erblickte das Licht der Welt um 488. Beide Töchter sollen laut Jordanes in Moesia, einer Region auf dem Balkan, in der in der Antike vorwiegend die Thraker lebten, geboren worden sein, was dafür spricht, dass ihre Mutter vermutlich die Tochter des thrakischen Goten Theoderich Strabo war.

Das Verhältnis zwischen Amalasunthas Vater und dem Kaiser Zeno I., der im Jahr 474 die Nachfolge von Kaiser Leo I. im oströmischen Reich angetreten war, war im Allgemeinen als sehr zuvorkommend und freundschaftlich zu bezeichnen, wenn es zuweilen auch Zeiten gab, in denen die beiden sich feindlich gesinnt waren. Im Jahr 476 hatte der Kaiser den Ostgoten Theoderich wegen seiner militärischen Hilfe nicht nur zum Heermeister am oströmischen Hof ernannt und damit zum „Patricius“ erhoben, ihm also die ranghöchste Position eines Befehlshabers im römischen Heer übertragen, sondern ihn auch noch nach germanischer Sitte als „Waffensohn“ adoptiert. Durch diese Form von Adoption waren zwar keine erbrechtlichen Ansprüche verbunden, aber Theoderich gehörte seit dieser Zeit nun zu den engsten Vertrauten des oströmischen Kaisers.

Im Jahr 484 ernannte Zeno I. seinen Waffensohn Theoderich zum Konsul für dieses Jahr, und im Jahr 488 sandte er ihn nach Italien, um dort erstens den Usurpator Odoaker (oder Flavius Odoaker) (um 433-493), der von seinen nichtrömischen Truppen bereits am 23. August 476 zum weströmischen König erhoben worden war, zu beseitigen und um zweitens in dieser Region endlich für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Dieser kaiserliche Befehl bot Theoderich die Möglichkeit, in Italien seine eigene Herrschaft aufzubauen (in: Prokopios von Caesarea, Die Geschichte der Kriege, Band V. i. 10). So machte Theoderich sich schließlich im Jahr 488 mit seinen Gefolgsleuten, Anhängern und einem großen Teil seiner Stammesangehörigen vom heutigen Nord-Bulgarien Richtung Italien auf. Es sollen insgesamt 100.000 Menschen gewesen sein, die unter seiner Führung in ein neues, fruchtbareres Gebiet geführt wurden. Und es befanden sich unter ihnen nicht nur Ostgoten, sondern auch Römer, Hunnen und Rugier.

Nach fünf Jahren Kämpfen gegen Odoaker konnte Theoderich seinen kaiserlichen Auftrag, dessen Beseitigung, schließlich am 15. März 493 erfüllen. Amalasunthas Vater glich, was seinen Charakter betraf, den rauen, kampflustigen Fürsten seiner Zeit. Denn kurz nachdem er mit Odoaker einen Friedensvertrag geschlossen und zur Absicherung dieses Vertrages sogar noch dessen Sohn Thela als Geisel erhalten hatte und er seinerseits selbst geschworen hatte, „kein Blut zu vergießen“, ermordete er seinen neuen Bündnispartner kaltblütig: „Das Bündnis zwischen den Kriegsgegnern [Odoaker und Theoderich] hielt jedoch nur zehn Tage. Als Odoaker am 15. März [493] das Lauretum, eine ehemalige Kaiserresidenz, betrat, um an einem Gastmahl des Goten teilzunehmen [zu der er von Theoderich persönlich eingeladen worden war], hielten ihn zwei von dessen Gefolgsleuten an seinen Händen fest. Als keiner der Anwesenden es wagte, ihn zu töten, zückte Theoderich selbst sein Schwert. … Mit einem Hieb spaltete er Odoakers Körper bis zur Hüfte. Abschätzig bemerkte er, dass wohl keine Knochen in dem Schuft seien. ... Noch am selben Tage wurden auf Befehl des Gotenkönigs alle Gefolgsleute Odoakers … soweit man ihrer habhaft werden konnte, umgebracht. Odoakers Bruder Onoulphos, der in eine Kirche geflohen war, wurde dort mit Pfeilen getötet. Odoakers Frau Sunigilda ließ man verhungern, nur Thela genoss als Geisel noch einen gewissen Schutz. Theoderich ließ ihn nach Gallien, wahrscheinlich zu den Westgoten, bringen. Als er von dort nach Italien floh, büßte auch er sein Leben ein.“ (in: Frank M. Ausbüttel, Theoderich der Große, Darmstadt 2012, S. 62).

Seit dieser Mordtat war ihr Vater der alleinige Herrscher über Italien. Sein Herrschaftsgebiet reichte von Italien, den Alpenprovinzen Raetia und Noricum bis zu den westlichen Balkanprovinzen Dalmatia und Pannonia. Im Jahr 497 musste der oströmische Kaiser Anastasius I. († 518), der Nachfolger des oströmischen Kaisers Zeno I., ‒ wenn auch widerstrebend ‒ den Ostgoten als König von Italien mit all seinen umfangreichen Machtbefugnissen anerkennen. Er ließ ihm sogar als Zeichen seiner Bestätigung die kaiserlichen Herrschaftszeichen wie das Purpurgewand, das Zepter und das Diadem überbringen. Theoderich war im Gegenzug bereit, die Suprematie des oströmischen Kaisers anzuerkennen. In einem seiner Schreiben an Anastasius I., verfasst um 508, lesen wir Folgendes: „Sie [die beiden Staaten, das west- und das oströmische Reich] müssen daher nicht nur in friedlicher Liebe miteinander verbunden werden, sondern es gehört sich auch, dass sie sich gegenseitig nach Kräften unterstützen.“ (in: Cassiodorus, Variae I,1,2-5.). Der Regierungssitz von Theoderich und seinen mindestens 20.000 Kriegern wurde Ravenna, das bereits seit 402 wegen seiner sicheren Lage zur Kaiserresidenz erhoben worden war. Und hier erblickte Amalasuntha nicht nur im Jahr 502 oder 503 das Licht der Welt, sondern hier wuchs sie auch auf.

Seit seiner Machtergreifung in Italien im Jahr 493 übte Amalasunthas Vater die oberste Gerichtsbarkeit aus und leitete die zivile Verwaltung. Er ernannte die römischen Senatoren, und er kontrollierte die Angelegenheiten der katholischen Kirche, was vielen an deren Spitze nicht gefiel. Theoderich war zwar ein Christ, aber er war kein Katholik, sondern ein überzeugter Arianer, der den Katholiken und den Juden gegenüber sehr tolerant war: „Wir können nicht die Religion befehlen, da niemand gezwungen werden kann, gegen seinen Willen zu glauben.“ (in: Cassiodorus, Variae II,27,2.). Die Römer verglichen ihn wegen seiner Glaubenstoleranz mit den römischen Kaisern Trajan und Valentinian I.

Wie ihr Vater, ihre beiden Halbschwestern, die Ostgoten und fast alle anderen germanischen Stämme wuchs Amalasuntha im arianischen Glauben – der Glaubenslehre des Priesters Arius von Alexandria († 336) ‒ auf. Obwohl Arius und seine Anhänger, die Arianer, im Jahr 325 im Konzil von Nicäa (oder Nicaea) für Ketzer erklärt worden waren, war Arius bereits um die Jahreswende 327/328 in einer weiteren Synode in Nicomedia (oder Nikomedia) wieder in den Schoß der Kirche aufgenommen worden. Doch wissen wir leider keine Einzelheiten über diese Synode und ihre Ergebnisse, da die orthodoxe/katholische Geschichtsschreibung hierüber das völlige Schweigen bewahrte. Nichts sollte jemals bezüglich der Wiederaufnahme des Priesters Arius und anderer „heikler Dinge“ hinsichtlich des Arianismus an die Öffentlichkeit gelangen. Da sowohl Konstantin der Große wie auch seine Mutter Helena im Grunde ihres Herzen Arianer waren – Konstantin wurde erst am Ende seines Lebens von dem arianisch gesinnten Bischof Eusebius von Nicomedia getauft ‒, standen Theoderich und seine Goten diesem berühmten Kaiser glaubensmäßig näher als z. B. der oströmische Kaiser Justinian und sämtliche Päpste ihrer Zeit. (in: Bruno Bleckmann: Konstantin der Große, Reinbek bei Hamburg 1996, S. 10, 103-105 und 128-129).

In der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts waren die Goten von einem Jünger von Arius, dem gotischen Missionsbischof Ulfilas oder Wulfila († 383), zum Arianismus geführt worden. Ulfilas hatte für sie auch ein Alphabet entwickelt, um das gesprochene Gotische in einer Schrift festhalten zu können, und er hatte für sie die Bibel ins Gotische übersetzt. Die Dreifaltigkeitslehre der orthodoxen und der katholischen Kirche vom „Vater, Sohn und Heiligen Geist“ lehnten die Goten als Arianer ab. Für sie war Jesus Christus weder wesensgleich noch gleichrangig mit Gott, da er in menschlicher Gestalt auf Erden gelebt hatte. Er war Gott daher gegenüber untergeordnet bzw. nachrangig. (in: Eleanor Duckett: Medieval Portraits from East to West, London 1972, S. 10; Bruno Bleckmann, Konstantin der Große, ebenda, S. 101; Robert Browning: Justinian and Theodora, id., p. 15).

Amalasuntha hatte ihre beiden Halbschwestern Thiudigotho und Ostrogotho-Ariagne nie persönlich kennengelernt. Als sie geboren wurde, waren jene bereits längst verheiratet und lebten bei ihren Ehemännern. Thiudigotho wurde um 494 die Gattin des Westgotenkönigs Alarich II. und Ostrogotho-Ariagne um 500 die Gemahlin des burgundischen Thronfolgers Sigismund. Zum Zeitpunkt von Amalasunthas Geburt lebten am Hofe ihres Vaters nur die Kinder ihrer Tante Amalafrida (um 470/74 – um 523/26): ihr Cousin Theodahad († 536), geboren um 490, und ihre Cousine Amalaberga († nach 540), geboren um 498/99. Zusammen mit diesen erhielt sie von ihrem Vater eine hervorragende Erziehung nach römischem Vorbild. Im Sommer 510 trat eine vornehme ältere Römerin mit dem Namen Barbara am Hof ihres Vaters ihren Posten als Erzieherin an, die mit Sicherheit für einen Teil des Unterrichtes der Prinzessin Amalasuntha verantwortlich war.

Amalasuntha beherrschte schließlich das Gotische, das Griechische und das Lateinische vollkommen, sowohl gesprochen als auch geschrieben, und galt wie so viele Mitglieder ihrer Familie als sehr gebildet. Das hatte sie im Prinzip ihrem Vater zu verdanken, der um 459 als Fünfjähriger als Geisel seiner Familie nach Konstantinopel geschickt worden war und dort als Schützling des oströmischen Kaisers Leo I. († 474) zehn Jahre lang eine umfassende römische Erziehung erhalten hatte, die er zeitlebens sehr schätzen sollte: „In seinen [Theoderichs] Briefen an den Philosophen Boëthius bemerkte er später einmal, dass er sich mit gebildeten Menschen gerne über die Geheimnisse der Mathematik unterhalte sowie über Kunst und Musik spreche.“ (in: Frank M. Ausbüttel: Theoderich der Große, ebenda, S. 20). Auch seine jüngste Schwester Amalafrida hatte für einige Zeit am byzantinischen Hof gelebt und war im Jahr 487 sogar als Gesellschafterin der Kaiserin Ariadne beschrieben worden. (in: Cassiodorus, Variae IV,1,2., und John Moorhead, Theoderic in Italy, id., p. 88 and endnote 100).

Theoderich war besonders stolz auf die gebildeten Frauen in seiner Familie. Seinem Schwager, dem Vandalenkönig Thrasamund († 523), der im Jahr 500 seine Schwester Amalafrida geheiratet hatte, schrieb er im Jahr 511 Folgendes: „Wiewohl wir, wie es uns Gott eingab, zur Festigung der Eintracht entweder unsere Nichten hingegeben oder unsere Töchter verheiratet haben, die von verschiedenen Königen erbeten wurden, schätzen wir niemandem etwas Ähnliches gewährt zu haben, als daß wir unsere Schwester [Amalafrida], die Krönung des Amalergeschlechts, zu Eurer Gemahlin gemacht haben – eine Frau, die Eurer Klugheit ebenbürtig ist, nicht nur eine Respekt gebietende Zierde für das Königreich, sondern ebenso im Stande, bewundernswerten Rat zu erteilen. … [Es geht in diesem Schreiben um die Aufnahme von Gesalech, dem unehelichen Sohn des erschlagenen Westgotenkönigs Alarich II. und Gegenkönig von Theoderichs Enkel Amalarich, bei Thrasamund, der von diesem mit Geldern versorgt wurde, um schließlich seinen Kampf gegen Theoderich fortsetzen zu können] … Du [Thrasamund] von vielfältiger Lektüre erfüllt, pflegtest andere über die Sitten zu belehren – wo bleibt das [nun]? Hättest Du dies mit unserer Schwester besprechen wollen, hätte Euch das keineswegs passieren können, weil sie weder zugelassen hätte, daß man den Bruder beleidigt hätte, noch, daß man den Gatten in solcher Situation findet! ...“ (in: Cassiodorus, Variae V, 43,1., in: Briefe des Ostgotenkönigs Theoderich der Große und seine Nachfolger – Aus den „Variae“ des Cassiodor; herausgegeben von Ludwig Janus, eingeleitet, übersetzt und kommentiert von Peter Dinzelbacher, Heidelberg 2010, S. 62-63).

Theoderichs Neffe Theodahad war sogar wegen seiner großen Liebe zur lateinischen Literatur und zur platonischen Philosophie allgemein bekannt. Überdies schrieb er lateinische Verse. Auch Theoderichs Enkel Athalarich, Amalasunthas Sohn, sollte später Unterricht bei einem Grammatiker erhalten. Aber die Erziehung gerade seines Neffen Theodahad und seines Enkels Athalarich entsprach so wenig seiner eigentlichen Vorstellung, wie ostgotische Jungen erzogen werden sollten, denn er selbst war ein Krieger durch und durch und wünschte, dass sämtliche gotische Jungen wie er fähige Krieger wurden. Daher sollten jene auch so früh wie möglich das Kriegshandwerk erlernen und sich ständig in Wettkämpfen im Bogenschießen und Speerwerfen üben und Scheingefechte ausführen.

Amalasuntha selbst lernte ihren Vater weniger als den kampflustigen, unbesiegbaren Haudegen, sondern eher als den großen Politiker kennen. Nach vielen Jahren der Kriegsführung entschied Theoderich sich, als er in Italien sesshaft geworden war, mehr für die Diplomatie, um Konflikte mit seinen Nachbarn und mit seinen Untertanen zu beheben, als für das Kriegshandwerk. Letztere hielten ihn deshalb für einen fürsorglichen, umsichtigen, vorausschauenden und sehr gerechten Herrscher. (in: Prokopios von Caesarea V, i, 27-28). Um den Frieden in seinem Königreich zu sichern, entschloss Theoderich sich bereits im Jahr 493, sich durch Heiraten mit den bedeutendsten germanischen Königen seiner Zeit zu verbinden. So bat er nach seinem Sieg über Odoaker im Jahr 493 den merowingischen Frankenkönig Chlodwig I. um die Hand von dessen jüngsten Schwester Audoflede. An Letzteren schrieb er zudem Folgendes: „... Die Herrscher verbinden sich durch Verwandtschaft, auf dass getrennte Völker sich eines gleichen Willens rühmen sollen und sich im Sammelbecken der Eintracht vereint die Wünsche der Völker verbinden können.“ (in: Cassiodorus, Variae III,4,1.).

Die Opfer seiner Bündnispolitik waren seine weiblichen Familienangehörigen. Seine älteste Tochter Thiudigotho hatte um 494 den Westgotenkönig Alarich II. († 507) zu heiraten, dem sie im Jahr 502 seinen Sohn Amalarich († 531) schenkte. Im Jahr 500 verheiratete Theoderich seine Schwester Amalafrida und seine zweite Tochter Ostrogotho-Ariagne. Seine Schwester Amalafrida hatte ihren ersten Gatten zwischen 498 und 500 verloren, als er sie zur Gattin des ebenfalls verwitweten Königs der Vandalen, Thrasamund, bestimmte. Auf ihrem Weg in ihre neue Heimat, Nordafrika, gab er ihr als Begleitung eine Schutztruppe, aus 1.000 vornehmen Goten und 5.000 Kriegern bestehend, mit, die mit ihr zusammen bei den Vandalen leben sollte. Thrasamund erhielt mit Amalafrida noch die Hafenstadt Lilybaeum (heute: Marsala) an der Westküste von Sizilien als Mitgift überreicht. Theoderichs Tochter Ostrogotho-Ariagne wurde die Gattin des burgundischen Thronfolgers Sigismund (oder Sigimund) († 523), des älteren Sohnes des burgundischen Königs Gundobad († 516). Sie schenkte ihrem Gatten mindestens zwei Kinder: Siegerich (oder Sigerich) († 522) und Suavegotta (oder Suavegotho) († nach 523).

Aber bereits im Jahr 507 zeigte sich, dass der von Theoderich so sehr gewünschte Frieden unter den germanischen Königen durch diese Heiratsbündnisse nicht garantiert werden konnte. Theoderichs Schwager, der Merowingerkönig Chlodwig I., und dessen vier Söhne hatten kein Interesse an einem immerwährenden Frieden. Sie waren nur an der Vergrößerung ihres Machtbereiches interessiert. So erklärten sie im Jahr 507 dem westgotischen König Alarich II., einem Schwiegersohn von Theoderich, den Krieg. Theoderich rief daraufhin die Burgunder, die Heruler, die Warnen und die Thüringer zu einem Bündnis gegen den fränkischen Aggressor Chlodwig I. auf: „Schickt daher Ihr, die das Bewusstsein Eurer Tapferkeit Euch aufrichtet und die Ihr angesichts einer so abscheulichen Dreistigkeit erzürnt seid, Eure Gesandten zugleich mit den meinen und denen unseres Bruders, des [burgundischen] Königs Gundobad, an den Frankenkönig Chlodwig, damit er unter Abwägung eines gerechten Verfahrens von dem Konflikt mit den Westgoten ablässt und die Gesetze der Völker achtet oder damit er den Angriff aller hinnimmt, der meint, den Willen so vieler missachten zu müssen.“ (in: Cassiodorus, Variae III,3,2.). Merklich erzürnt wandte Theoderich sich auch an seinen Schwager Chlodwig I. persönlich: „Jener Konflikt möge aufhören, sobald einer von Euch als Besiegter bedauert werden kann. Werft das Schwert weg, die Ihr zu meiner Schande kämpfen wollt. Mit dem Recht des Vaters und Freundes untersage ich es Euch. Jener wird uns und unsere Freunde zu Feinden haben, der glaubt, solche Mahnungen, was wir nicht annehmen, missachten zu müssen.“ (in: Cassiodorus, Variae III,4,3-4).

Um sein Bündnis mit den Thüringern zu festigen, hatte sich schließlich auch seine Neun- oder Zehnjährige hochgebildete Nichte Amalaberga seiner Heiratspolitik zu opfern. Sie wurde um 508 mit dem thüringischen Thronfolger Herminafried, dem Sohn des thüringischen Königs Bisinus, verheiratet. Zu diesem Anlass schrieb Theoderich an den Bräutigam Herminafried Folgendes: „Im Verlangen, Euch unserer Verwandtschaft anzusippen, vereinen wir [Dich] mit dem geliebten Pfand unserer Nichte; die Gottheit segne es! Damit sollt Ihr, der Ihr aus königlichem Geschlecht abstammt, durch den Glanz des Amalerblutes jetzt noch weiter leuchten! Wir schicken zu Euch die Zierde von Hof und Haus, die Vermehrung des [königlichen] Geschlechts, treuen Rates Trost und allersüßeste Gattenliebe. Möge sie sowohl mit Euch die Herrschaft nach dem Recht innehaben als sie auch die Situation Eurer Nation zum Bessern bringen soll.
Das glückliche Thüringen wird besitzen, was Italien heranbildete, eine gelehrte Frau von Bildung, in Sitten erzogen, ein Schmuck nicht nur dem Geschlecht nach, sondern auch hinsichtlich weiblicher Würdigkeit, so daß Eure Heimat nicht weniger durch ihre Sitten erglänzen wird als durch ihre
[eigenen] Triumphe.
Indem wir somit mit gebührender Huld grüßen, tun wir kund, daß wir bei der Ankunft Eurer Gesandten den bestimmten Preis
[Kaufehe!] empfangen haben für eine gewiß unschätzbare Sache, aber entsprechend dem Brauch [unserer] Völker: nämlich die Pferde gekleidet in der Farbe des Silbers, wie zur Hochzeit ziemlich. [Theoderich lobt die Pferde der Thüringer]... Auch wir haben freilich [an Euch] geschickt, was fürstlicher Brauch erforderte, aber nichts Größeres konnten wir darbringen, als daß wir Euch mit dem Schmuck einer solchen Frau verbanden. Der Himmel möge Eure Ehe schützen, damit, so wie uns sachliche Geneigtheit verband, unsere Nachkommen auch verwandtschaftliche Gunst verpflichten möge.“ (in: Cassiodorus, Variae IV,1., in: Briefe des Ostgotenkönigs Theoderich der Große und seine Nachfolger – Aus den „Variae“ des Cassiodor, ebenda, S. 64-65).

Mit Sicherheit war Chlodwig I. zum Krieg gegen die Westgoten von dem oströmischen Kaiser Anastasius I. ermuntert worden, dem die Herrschaft des ostgotischen Königs Theoderich in Italien schon lange ein Dorn im Auge war. Schließlich wurden dem Merowingerkönig nach seinem Angriff gegen die Westgoten vom oströmischen Kaiser als „Belohnung“ auch die Zeichen eines römischen Konsuls überbracht. Für Theoderich stellten die Jahre 507 bis 509 eine sehr schwierige Zeit dar. Sein Schwager Chlodwig I. ging in der Schlacht gegen den westgotischen König Alarich II., die im Jahr 507 südlich von Poitiers stattfand, als großer Sieger hervor. Sein Schwiegersohn, der Gatte seiner bereits verstorbenen ältesten Tochter Thiudigotho, Alarich II., verlor bei dieser kriegerischen Auseinandersetzung sein Leben. Mit seinem Tod endete der Krieg jedoch nicht. Die fränkischen Truppen drangen unter Chlodwig I. und seinem ältesten Sohn Theuderich I. bis nach Albi, Bordeaux und Toulouse und in die Auvergne vor. Außerdem nahmen nun auch noch die stets opportunistisch gesinnten Burgunder am Krieg gegen die Westgoten teil. Unter ihrem König Gundobad drangen jene sogar bis nach Barcelona vor. Theoderich selbst war nicht in der Lage, den Westgoten militärisch sofort zu helfen. Gegen Ende des Jahres 507 oder zu Beginn des Jahres 508 griff eine oströmische Flotte, die aus 100 Kriegsschiffen und 100 Schnellbooten bestand und die eine Besatzung von 8.000 bewaffneten Kriegern aufwies, sein italienisches Königreich an. Der oströmische Kaiser Anastasius I. hatte diesen Angriff in der Tat gründlich geplant. An zwei Fronten konnte Theoderich nicht kämpfen. Die Ostküste Italiens erlitt durch die oströmische Kriegsflotte bis nach Tarent hinunter schwere Verwüstungen. In dieser kritischen Situation erhielt Theoderich auch keine militärische Unterstützung vom Gatten seiner Schwester Amalafrida, dem Vandalenkönig Thrasamund, da jener sich für eine wohlwollende Neutralität zu Gunsten des oströmischen Kaisers entschieden hatte.

Theoderich musste sich schließlich eingestehen, dass seine Bündnispolitik den Krieg nicht beenden konnte. Wenn die Diplomatie also nichts brachte, dann mussten die Waffen wieder sprechen. Es ging schließlich um seinen Enkel Amalarich, den Sohn seiner verstorbenen Tochter Thiudigotho und des in der Schlacht bei Poitiers gefallenen westgotischen Königs Alarich II., der im Jahr 502 geboren worden war. Er rief deshalb zum Krieg gegen die Franken und die Burgunder auf. Alle gotischen Krieger hatten sich hierfür am 24. Juni 508 mit ihren Waffen und Pferden bei ihm am Hofe von Mailand einzufinden. Der Kriegsschauplatz sollte Gallien sein. Und selbstverständlich nahm Theoderich ebenfalls am Feldzug teil. Das gotische Königtum war schließlich ein Heerkönigtum. Jeder seiner Gegner sollte nun sehen, dass er, wenn er auch der Diplomatie in seinen politischen Handlungen den Vorrang gab, jederzeit wieder zu den Waffen greifen konnte, und wehe dem, der seinen Zorn erregt hatte. Und in der Tat ging Theoderich dank seines schlagkräftigen Heeres aus dieser kriegerischen Situation der Jahre 507 bis 509 als der mächtigste Herrscher des westlichen Europas hervor. Einer seiner Heerführer, der Graf Ibba, tötete mit seinen Soldaten mehr als 30.000 Franken und befreite Narbonne und Arles, die sich vorwiegend gegen burgundische Truppen hatten wehren müssen. Ein anderes ostgotisches Heer unter ihrem Anführer Mammo plünderte Gallien im Jahr 509 und kehrte schließlich mit reicher Beute nach Italien zurück. Theoderich selbst konnte Carcassonne, in dem sich der Schatz des Westgotenkönigs, seines Enkels Amalarich, befand, von seinen fränkischen Belagerern befreien und in seine Gewalt bringen.

Da sein Enkel Amalarich, der seit 507 nun mit Amalasuntha in Ravenna lebte, noch ein kleines Kind war, wurde Theoderich sein Regent. Das Westgotenreich sollte sich zudem, solange sein Enkel noch unmündig und nicht waffenfähig sei, in Personalunion mit seiner eigenen Herrschaft befinden. Ein Teil des westgotischen Königreiches, das Gebiet südlich der Durance zwischen der Rhône und den Alpen, gliederte er jedoch direkt seinem Herrschaftsbereich ein. Im Jahr 511 übertrug Theoderich die Königswürde der Westgoten schließlich auf seinen mittlerweile 9-jährigen Enkel Amalarich. Da dieser jedoch immer noch minderjährig war, regierte Theoderich das Westgotenreich als sein Vormund weiterhin. Dies sollte er noch bis zu seinem Tode im Jahr 526 tun, obwohl Amalarich bereits im Jahr 518 die Volljährigkeit erreicht hatte. Da Theoderich nicht gleichzeitig in Italien und in Spanien anwesend sein konnte, entsandte er einen Mann seines Vertrauens, einen Goten namens Theudis, als seinen Stellvertreter nach Spanien. Als Befehlshaber der westgotischen Truppen und auch wegen seiner guten verwandtschaftlichen Beziehungen zur Oberschicht in Spanien – er heiratete eine reiche Frau aus dieser Oberschicht ‒ wurde jener schon bald der eigentliche Herr der Iberischen Halbinsel.

Am 27. November 511 starb der Merowingerkönig Chlodwig I., der sich Theoderich wegen seiner Vorgehensweise in den Jahren 507 bis 509 zum Feind gemacht hatte. Nach seinem Tod wollte Theoderich sich mit dessen vier Söhnen, seinen Neffen Theuderich I., Chlodomer, Childebert I. und Chlothar I., aussöhnen und schlug zur Festigung ihrer neuen Freundschaft eine Heirat ihrer Schwester Chlothilde († 531), geboren um 499, mit seinem Enkel Amalarich vor. Die vier Merowingerkönige erklärten sich einverstanden, und so lebte die fränkische Prinzessin Chlothilde seit 512 an seinem königlichen Hof in Ravenna als die Gattin des westgotischen Königs Amalarich. In der Antike, im Früh- und im Hochmittelalter lag das Heiratsalter bei Frauen bei 12 Jahren, oder wenn bei ihnen die Menstruation eintrat. (in: Carolyn L. Connor: Women of Byzantium, New Haven and London 2004, p. 48). Die Männer dieser Zeitepoche waren, als sie zum ersten Mal heirateten, etwas älter. Sie wurden im Alter von 16 Jahren rechts-, waffen- und heiratsfähig. Im Jahr 515 war es schließlich auch an der Zeit für die Verheiratung von Amalasuntha, die mit Sicherheit nicht, wie uns die Historiker der letzten zwei Jahrhunderte weismachen wollten, um 495 das Licht der Welt erblickte. Wofür sie übrigens auch kein historisches Quellenmaterial vorlegen können. Amalasuntha war nie und nimmer 20 Jahre alt, als sie heiratete. Das Heiratsalter für das weibliche Geschlecht lag schließlich bei 12 Jahren. Ihr Vater brauchte zudem dringend einen männlichen Erben, den ihm seine Gattin Audoflede nicht hatte schenken können. Denn, wie bereits erwähnt, das ostgotische Königtum war ein Heerkönigtum. Die Könige waren die obersten Kriegsherren, die ihre Truppen in eigener Person in die Schlachten zu führen hatten. Daher war eine Frau an der Spitze des ostgotischen Königtums unvorstellbar.

Und außerdem hätte jede Frau, die erst mit 20 Jahren geheiratet hätte, Anlass zu vielen Spekulationen gegeben. Warum konnte ihr Vater sie nicht, wie es der Brauch ihrer Zeit war, früher verheiraten? War sie missgebildet? Oder geistig schwer zurückgeblieben? Ein Cousin des oströmischen Kaisers Justinian, der beliebte und erfolgreiche byzantinische Heerführer Germanus, fand keine standesgemäßen Ehepartner für seine drei Kinder, seine zwei Söhne Justin und Justinian und seine Tochter Justina, weil er sich den Hass der Gattin seines kaiserlichen Cousins, der Kaiserin Theodora, zugezogen hatte. Als seine Tochter Justina bereits 18 Jahre alt war, verheiratete er sie im Jahr 545 in aller Heimlichkeit mit einem Mann niederen Standes, damit ihr Ruf als Frau nicht völlig ruiniert wurde: “... this marriage is described, as the last desperate resort to Germanus to save his daughter Justina – she was already eighteen years of age – from the social disgrace involved in failure to marry.” (in: Procopius of Caesarea: The Anecdota or Secret History. With an English Translation by H. B. Dewing, Volume VI. London and Cambridge 1935, pp. xi , 57).

Amalasuntha, die der byzantinische Geschichtsschreiber Prokopios von Caesarea als eine große Schönheit beschrieb, die männlichen Mut aufwies und zudem klug, charmant, kultiviert und hochgebildet war, wurde im Jahr 515 im Alter von 12 oder 13 Jahren von ihrem Vater mit einem gewissen Eutharich oder Eutharich Cilliga verheiratet, über den wir so gut wie nichts wissen. Wir können nicht einmal sagen, ob er zum Zeitpunkt seiner Heirat ein junger oder ein alter Mann war, denn wir kennen sein Geburtsjahr nicht. Wir kennen eigentlich auch nicht das Jahr, in dem er starb. Die heutigen Historiker haben beschlossen, ihn im Jahr 523 sterben zu lassen, da die historischen Quellen nach diesem Jahr von ihm schweigen. Was eine sehr unwissenschaftliche Schlussfolgerung ist, da die historischen Quellen mit sehr wenigen Ausnahmen generell über ihn schweigen. Wie hat Theoderich den Gatten seiner Tochter Amalasuntha gefunden? Was für Charakterzüge besaß er, dass er von Theoderich zum Schwiegersohn und zu seinem Nachfolger gewählt wurde? Von dem nicht gerade besonders zuverlässigen gotischen Geschichtsschreiber Jordanes erfahren wir, dass es sich bei ihm um einen aus Spanien stammenden Goten handeln soll, der mit Theoderich entfernt verwandt war. Sie sollen denselben Ur-Ur-Ur-Urgroßvater gehabt haben. (in: Frank M. Ausbüttel, Theoderich der Große, ebenda, S. 130). Eutharich sei der Sohn eines gewissen Veterich, der Enkel von Beremud und von Thorismud und ein Nachkomme der Amaler gewesen (in: Jordanes: the Origin and Deeds of the Goths, LVIII, 298). Sein berühmter Vorfahre, sein Ur-Ur-Urgroßvater Ermanarich (oder Hermanarich) († 376), sei zudem ein jüngerer Bruder von Vultuulf, dem Ur-Ur-Urgroßvater von Theoderich, gewesen. (in: Charles Christopher Mierow: The Gothic History of Jordanes, id., p. 41). Jordanes erzählt uns zudem, dass es sich bei Eutharich zum Zeitpunkt seiner Heirat mit Amalasuntha um einen jungen Mann gehandelt hätte, und er beschrieb ihn als sehr weise, tapfer und trotz der vielen Kämpfe, in die er bereits verwickelt gewesen wäre, ohne körperliche Entstellungen oder Schwächen. Aber war Eutharich im Jahr 515 wirklich noch ein junger Mann, wie Jordanes behauptet? In einer anderen historischen Quelle wird davon gesprochen, dass er das gleiche Alter wie der oströmische Kaiser Justin († 527) aufwies, der um 450 geboren wurde. (in: John Moorhead, Theoderic in Italy, ebenda, p. 201).

Wer immer auch dieser mysteriöse Mann Eutharich gewesen ist, Theoderich war nach der Hochzeit seiner Tochter Amalasuntha und seines Schwiegersohnes sehr darum bemüht, ihn als seinen Nachfolger vorzustellen. Im Jahr 518 brachte Amalasuntha ihren von allen Ostgoten so heißersehnten Sohn Athalarich auf die Welt. Über sein Geburtsjahr gibt uns Prokopios von Caesarea Auskunft: „Nach seinem [Theoderichs] Tod [im Jahr 526] ging das Königtum auf Athalarich, dem Sohn von Theoderichs Tochter, über; er war acht Jahre alt und war unter der Aufsicht seiner Mutter Amalasuntha erzogen worden.“ (in: Prokopios von Caesarea, V. ii, 1.). Leider wird heute für sein Geburtsjahr eher die Aussage von Jordanes herangezogen, der berichtet, dass, als Theoderich spürte, dass er nicht mehr lange zu leben hätte, er die gotischen Grafen und Stammesführer zusammenrief und seinen Enkel Athalarich zum nächsten König ernannte: „Er [Athalarich] war ein Junge, kaum 10 Jahre alt ...“ (in: Jordanes, The Origin and Deeds of the Goth, LIX, 304; in: Charles Christopher Mierow: The Gothic History of Jordanes, id., p. 138). Dieses „kaum 10 Jahre alt“ wurde von den Historikern dahin interpretiert, dass Athalarich bereits im Jahr 516 geboren worden sei. Aber Jordanes zeigt in seinem Werk Getica deutlich, dass er sich mit den Familienverhältnissen der Amaler und auch des Kaisers Justinian nicht besonders gut auskannte. Wir müssen seine Quellen also mit Vorsicht lesen. Außerdem bestätigen die historischen Quellen, die das weitere Leben von Athalarich behandeln, dass er nur im Jahr 518 geboren worden sei kann.

Amalasuntha schenkte nur noch einem weiteren Kind das Leben: ihrer Tochter Matasuntha (oder Mataswintha, Matasuentha, Matasuintha), die gegen Ende des Jahres 524 das Licht der Welt erblickt haben muss. Denn als jene gegen Ende des Jahres 536 mit dem Ostgoten Witiges verheiratet wurde, hatte sie laut Prokopios von Caesarea gerade das vorgeschriebene Heiratsalter erreicht, das heißt, sie war gerade 12 Jahre alt geworden. (Prokopios von Caesarea, Die Geschichte von den Kriegen, V, xi, 27). Ihr Vater Eutharich kann somit also nicht schon im Jahr 523 gestorben sein.

Im Jahr 518, in dem Amalasuntha ihrem Vater seinen Enkel Athalarich gebar, ereignete sich noch etwas weiteres Erfreuliches für Theoderich. Am 9. Juli 518 starb der oströmische Kaiser Anastasius I. im Alter von 87 Jahren, dessen feindliche Gesinnung gegenüber Theoderich jedem bekannt war. Vor 27 Jahren hatte dieser durch seine Heirat mit der Kaiserin Ariadne, der Tochter des oströmischen Kaisers Leo I. und Witwe seines Vorgängers Zeno I., die Legitimation erhalten, zum oströmischen Kaiser erhoben zu werden. Sein Nachfolger wurde nun ein gewisser Justin († 527), der von sehr niederer Herkunft war und wohl um 450 geboren wurde. Zur Zeit der Herrschaft des oströmischen Kaisers Leo I. († 474) war Justin noch ein junger Bauer, der in einem Dorf namens Vederiana oder Bederiana in der Provinz Thracia lebte und der sich schließlich mit zwei anderen jungen Bauern auf nach Konstantinopel machte. Dort traten alle drei in die Armee ein und wurden letztendlich vom Kaiser höchstpersönlich wegen ihrer Körpergröße und ihrer Körperstärke als Mitglieder seiner Palastwache ausgesucht. Justin stieg unter dem späteren oströmischen Kaiser Anastasius I. letztendlich bis zum Befehlshaber der kaiserlichen Leibwache auf.

Die Informationen, die Theoderich über diesen neuen Kaiser Justin erhielt, beschrieben jenen als intelligent, mutig und ehrgeizig. Seine Familie bedeutete ihm zudem sehr viel. Mit seiner Gattin Lupicina († 524), die sich als Kaiserin Euphemia nennen ließ, hatte er zwar keine Kinder, aber er besaß vier Neffen, Söhne seiner zwei Schwestern. Zu den Letzteren gehörten sein bereits erwähnter Neffe Germanus († 550), ein brillanter und erfolgreicher Feldherr, und dessen jüngeren Brüder Justin († vor 550) und Boraides († vor 548), die ebenfalls die Militärlaufbahn beschritten hatten, und sein hochintelligenter Neffe Petrus Sabbatius († 565), der sehr wissbegierig war und Stunden über seinen Büchern verbringen konnte und der von den vier Neffen Justins am wenigsten Interesse an einer militärischen Ausbildung zeigte. Im Jahr 527 sollte dieser sich als Justins Nachfolger auf dem oströmischen Kaiserthron selbst „Flavius Petrus Sabbatius Justinianus“ oder kurz „Justinian“ nennen (siehe: die Stammtafel der oströmischen Kaiser Justin und Justinian).

Justin konnte seine Besteigung auf den Kaiserthron nicht legitimieren, denn es stand im Jahr 518 keine Kaisertochter zur Verfügung, die er hätte heiraten können. Das bedeutete, seine Thronbesteigung konnte von ehrgeizigen und erfolgreichen Militärs jederzeit infrage gestellt werden. Er brauchte daher mächtige Verbündete wie z. B. den ostgotischen König Theoderich. Diese unsichere Situation des neuen Kaisers nutzte Letzterer sogleich aus, um die Nachfolgefrage in seinem eigenen Königreich zu klären. Justin war auch sofort bereit, Theoderichs Schwiegersohn Eutharich nicht nur offiziell als dessen Nachfolger im weströmischen Reich anzuerkennen, sondern diesen auch im Jahr 519 als seinen Waffensohn zu adoptieren, sowie Theoderich selbst einst von dem oströmischen Kaiser Zeno I. als Waffensohn angenommen worden war. Außerdem erhob Justin Eutharich noch zu seinem Mitkonsul des Jahres 519. Die Verleihung des Konsulats an seinen Schwiegersohn ließ Theoderich sowohl in Rom als auch in Ravenna mit prächtigen Triumphzügen feiern. In Rom fanden überdies zusätzlich noch aufwendige Kämpfe mit Tieren im Amphitheater statt, die hierfür extra aus Afrika importiert werden mussten. Außerdem wurden die ostgotischen wie die römischen Untertanen Theoderichs anlässlich der Verleihung des Konsulats an Eutharich noch reichlich beschenkt. Im Laufe der nächsten Jahre übertrug Theoderich seinem Schwiegersohn immer mehr Aufgaben in der Verwaltung seines Reiches, um ihn als seinen Nachfolger gründlich auf seine bevorstehenden Aufgaben als König vorzubereiten.

Im Jahr 522 ereignete sich etwas Tragisches in Amalasunthas Familie. Nachdem ihre Halbschwester Ostrogotho-Ariagne um 518/20 gestorben war, hatte deren Gatte, der burgundische König Sigismund, sich noch einmal verheiratet. Bei der Auserwählten handelte es sich um eine Frau aus dem ehemaligen Gesinde von Ostrogotho-Ariagne, die dem burgundischen König schließlich noch zwei weitere Söhne, Gisclahad und Gundobad, schenken sollte. Sigismunds Sohn aus seiner ersten Ehe mit Ostrogotho-Ariagne, Siegerich, hatte seine Stiefmutter als Gattin seines Vaters nie akzeptiert. Der berühmte frühmittelalterliche Geschichtsschreiber der Merowinger, Gregor von Tours (538/39-594), sah es jedoch etwas anders. Für ihn hatte die Stiefmutter an dem schlechten Verhältnis zu ihrem Stiefsohn schuld. So lesen wir bei ihm über das Ereignis des Jahres 522 Folgendes: „... die [zweite Gattin von Sigismund] behandelte sehr hart, wie es Stiefmütter zu tun pflegen, diesen [Stief-] Sohn mit Feindseligkeiten und Streit. Daher schwoll an einem Festtage, als der Jüngling an ihr die Kleider seiner Mutter sah, ihm die Galle und er sagte: ‚Du verdientest es nicht, daß diese Kleider deinen Leib bedecken, denn ich weiß, sie gehörten einst deiner Herrin, meiner Mutter.‛ Da ward jene voller Ingrimm und reizte mit falschen Reden ihren Gemahl gegen den Sohn. ‚Dieser, sagte sie, trachtet voll Arglist danach, dein Reich zu gewinnen, er will dich töten und dann seine Herrschaft auch über Italien ausbreiten, denn er möchte das Reich, das sein Großvater Theoderich in Italien hatte, für sich gewinnen. Aber er weiß freilich, daß er bei deinen Lebzeiten dies nicht erreichen kann, und nur wenn du fällst, wird er steigen.‛ Durch solche und ähnliche Reden verführt und auf den Rat seines schändlichen Weibes hörend, ward er ein verruchter Kindesmörder. Denn als der Jüngling einst vom Weine trunken war, hieß er ihn nach Tische zur Ruhe gehen, und im Schlafe legte man ihm ein Tuch unter den Kopf, schürzte es unter dem Kinn, und erdrosselte ihn, indem zwei Diener das Tuch an sich zogen.“ (in: Decem Libri Historiarum III, 5, S. 149).

Sigismund bereute dieses Verbrechen schon kurz danach aus tiefstem Herzen: „Darauf ging er zu den heiligen Männern von St. Maurice [den Mönchen des Klosters Saint-Maurice d’Agaune], verharrte dort viele Tage in Weinen und Fasten und bat um Vergebung.“ (in: Decem Libri Historiarum III, 5, S. 149). Leider endete dieser unglückselige Vorfall nicht mit seiner Reue. Theoderich fühlte sich als Großvater des Ermordeten zur Blutrache verpflichtet (in: Martina Hartmann, Die Königin im frühen Mittelalter, ebenda, S. 28). Er konnte und wollte den Mord an seinem Enkel nicht ungesühnt lassen und erhielt von den merowingischen Königen Chlodomer, Childebert I. und Chlothar I., drei Neffen seiner Gattin Audoflede, militärische Unterstützung. Nur deren Halbbruder Theuderich I., der älteste Sohn des merowingischen Königs Chlodwig I., der Sigismunds und Ostrogotho-Ariagnes Tochter Suavegotta kurz nach 517 geheiratet hatte ‒ sie war seine zweite Gattin geworden ‒, hielt sich aus diesem Krieg gegen seinen Schwiegervater heraus. Die in diesem Krieg eroberten burgundischen Gebiete versprachen Theoderich und die Merowinger unter sich aufzuteilen. Theoderich selbst nahm nicht persönlich an dieser kriegerischen Auseinandersetzung teil. Er beauftragte seinen erfahrenen ostgotischen Feldherrn Tuluin mit diesem Feldzug.

Sigismund verlor nach dem Einfall der Ostgoten und der Merowinger in sein Königreich jegliche Unterstützung von seinen Gefolgsleuten, wurde an die Merowinger ausgeliefert und im Jahr 523 zusammen mit seiner zweiten Gattin und seinen zwei kleinen Söhnen ‒ die beiden Jungen waren höchstens drei und zwei Jahre alt ‒ von Chlodomer bei Colomna, einem Dorfe im Gebiet von Orléans, in einen Brunnen geworfen und ertränkt. Nach der Ermordung von Sigismund war für Theoderich den Großen das Gebot der Blutrache erfüllt, und seine Truppen verließen wieder das burgundische Königreich, in dem nun Sigismunds Halbbruder Godomar II. zum nächsten König von Burgund aufstieg.

Auch die Jahre 523 bis 526 bereiteten dem ostgotischen König Theoderich viele Sorgen und Probleme. Am 6. August 523 starb der ihm gegenüber stets freundlich gesinnte Papst Hormisdas. Dessen Nachfolger wurde der ehemalige Diakon Johannes. Mit diesem erzkatholischen und intoleranten neuen Papst, der keinen Hehl aus seiner großen Sympathie für den oströmischen Kaiser Justin und besonders für dessen mächtigen Neffen Justinian machte, und seinen Freunden, den ebenfalls erzkatholischen und intoleranten römischen Senatoren Symmachus und dessen Schwiegersohn Boëthius, geriet der Arianer Theoderich in den nächsten Jahren in schwere Konflikte. Boëthius, der dem ostgotischen König schon seit September 522 als Magister officiorum diente, hatte sich am königlichen Hof wegen seines sehr arroganten Verhaltens bereits innerhalb eines Jahres viele Feinde gemacht. Das Amt des Magister officiorum, des Oberhofmarschalls, war übrigens der höchste Posten, den man am königlichen Hof einnehmen konnte. Der Magister officiorum war für das Zeremoniell und die Staatspost und deren Kuriere verantwortlich, das heißt, er beaufsichtigte auch die königlichen Büros, die für den Schriftverkehr zuständig waren.

Drei Monate zuvor, am 6. Mai 523, war auch Theoderichs Schwager, der Vandalenkönig Thrasamund, gestorben. Sein Nachfolger wurde sein 66-jähriger katholischer Cousin Hilderich (oder Hilderic) († 533), der Sohn des Königs Hunerich (oder Huneric) († 484) und der Kaisertochter Eudocia (Tochter des Kaisers Valentinian III.), der sogleich eine dem oströmischen Kaiser Justin und dem neuen Papst Johannes gegenüber freundliche Politik betrieb. Theoderichs Schwester Amalafrida und ihre ostgotischen Begleiter, die immer noch bei ihr lebten, begannen wegen ihres arianischen Glaubens um ihr Leben zu fürchten und flohen bereits kurz nach dem Tode von Thrasamund in den Süden zu den Berbern. In der Nähe der nordafrikanischen Stadt Capsa (heute: Cafsa in Tunesien) wurden sie jedoch gefangen genommen, in Kerker geworfen und mit dem Vorwurf, einen Umsturz gegen Hilderich geplant zu haben, vermutlich um 526/527 allesamt getötet. (in: John Moorhead, Theoderic in Italy, ebenda, p. 247 und Cassiodorus, Variae 9.1). Theoderich, der sehr um seine geliebte Schwester und ihre Gefolgschaft besorgt war, plante sogleich, nachdem er von ihrer Gefangennahme informiert worden war, das Vandalenreich anzugreifen und ordnete den Bau von 1.000 Schnellbooten an, die in Zukunft auch gegen die Kriegsschiffe der oströmischen Kaiser und überdies zu friedlichen Zwecken verwendet werden sollten wie z. B. beim Transport von Getreide. So lesen wir in einem Schreiben Theoderichs an seinen Praefectus praetorio Abundantius bezüglich der geplanten Flotte Folgendes:„... Du hast den durch Deine Schöpfung wiederhergestellten Staat bereichert: Es gibt nichts [mehr], was uns der Grieche [der oströmische Kaiser Justin] vorwerfen oder worob der Afrikaner [der Vandalenkönig Hilderich] uns beleidigen könnte. Eben das sehen sie mit Neid bei uns erblühen ...“ (Cassiodorus, Variae V, 17, in: Briefe des Ostgotenkönigs Theoderich der Große und seine Nachfolger – Aus den „Variae“ des Cassiodor, ebenda, S. 48).

Schließlich kam es im Jahr 523 auch noch zu einem schweren Zwischenfall am königlichen Hof von Theoderich. Cyrianus, ein Referendar des ostgotischen Königs, beschuldigte einen gewissen Faustus Albinus Iunior, der ein Familienmitglied des berühmten Geschlechtes der Decier war, Briefe an den oströmischen Kaiser Justin gesandt zu haben, die gegen die Königsherrschaft Theoderichs gerichtet waren, also zum Sturz des ostgotischen Königs aufforderten. Boëthius wusste von diesen Briefen und setzte sich trotzdem vehement für Faustus Albinus Iunior ein. Damit hatte er sich ebenfalls verdächtig gemacht. Schließlich wurde das Fünfmännergericht, das Standesgericht der Senatoren, in Rom unter der Leitung des Stadtpräfekten einberufen, um über den Fall zu verhandeln. Dieses Fünfmännergericht, und nicht Theoderich, fällte das Urteil über Boëthius und Faustus Albinus Iunior, und es verurteilte Boëthius und vermutlich auch Faustus Albinus Iunior wegen Landesverrates zum Tode. (in: Frank M. Ausbüttel: Theoderich der Große, ebenda, S. 134-135). Außerdem wurden ihre Güter und ihr Vermögen konfisziert.

Das Todesurteil an Boëthius wurde irgendwann in den Jahren 524 bis 526 vollzogen (in: John Moorhead, Theoderic in Italy, ebenda, p. 225). Er wurde mit dem Beil auf dem Calventianischen Landgut, das sich in der Nähe von Mailand oder Pavia befand, hingerichtet. Sein Schwiegervater Symmachus, der sich um die Rehabilitierung seines Schwiegersohnes bemühte, wurde im Jahr 525, ebenfalls wegen Hochverrates, hingerichtet. Auch seine Besitztümer wurden konfisziert. Die katholische Kirche hat später aus den beiden erzkatholischen römischen Senatoren Märtyrer ihres Glaubens gemacht. Die katholischen Freunde von Boëthius brachten zudem über den großen ostgotischen König Theoderich viele Lügen in Umlauf, die schließlich für viele Jahrhunderte für wahre Begebenheiten gehalten wurden. So wird Theoderich bei ihnen als ein ungebildeter Ketzer und habgieriger Tyrann dargestellt, der nur eines im Sinn hatte, der katholischen Kirche schweren Schaden zuzufügen. Dafür würde er nun ihrer Meinung nach für alle Zeiten in der Hölle schmoren müssen. Außerdem soll er Boëthius auf langsame und grausame Weise zu Tode gefoltert haben. Folterknechte hätten ein Seil um seine Stirn so fest gebunden, dass seine Augen hervorgetreten wären. Anschließend hätte man ihn zu Tode geprügelt. Nichts von diesen Schauermärchen ist wahr!

Am 18. Mai 526 gab es für Theoderich wieder einmal eine erfreuliche Mitteilung. Der erzkatholische Papst Johannes war gestorben, und am 12. Juli 526 trat mit Felix V. ein ihm freundlich gesinnter Papst sein Amt an. Theoderich lebte jedoch selbst nur noch bis zum 30. August 526. Er war das Opfer vermutlich einer Ruhr-Epidemie geworden, die seinen Schwiegersohn Eutharich kurz vor ihm ebenfalls hingerafft hatte. Denn wenn jener in der Tat im Jahr 523 oder 524 gestorben wäre, dann wäre erstens Amalasuntha längst wieder verheiratet worden – ein Enkelsohn reichte in dieser Zeitepoche, in der so viele Kinder sehr jung starben, nicht aus, um die Nachfolge zu sichern, und zweitens hätte Theoderich zwei oder drei Jahre Zeit gehabt, die Nachfolge in seinem Königreich zu klären und die Anerkennung des oströmischen Kaisers für seinen Enkel Athalarich einzuholen und um festzulegen, wer im Falle seines Todes die Regentschaft für den vielleicht noch unmündigen Enkel übernehmen sollte. Das Einzige, was Theoderich noch zu seinen Lebzeiten im Falle seines Todes geregelt hatte, betraf die Auflösung der Personalunion des west- und des ostgotischen Reiches und die Aufteilung des in den Jahren 508 und 509 eroberten gallischen Gebietes. Sein Enkel Amalarich, der König der Westgoten, sollte die Gebiete westlich und sein Enkel Athalarich, der König der Ostgoten, die Gebiete östlich der Rhône erhalten. Der Königsschatz der Westgoten, den Theoderich im Jahr 508 von Carcassonne nach Ravenna hatte bringen lassen, hatte zudem vollständig an Amalarich überzugehen.

Das Verhalten von Amalasuntha anlässlich des plötzlichen Todes ihres Vaters zeigte ihr großes Selbstbewusstsein und ihre Resolutheit. Sie übernahm sofort für ihren noch unmündigen achtjährigen Sohn Athalarich, der den mittlerweile 17. Herrscher in ihrer Familie stellte, die Regentschaft (in: Charles Christopher Mierow: The Gothic History of Jordanes, id., p. 25), und zumindest anfänglich gab es keinen Protest gegen ihre Erhebung zur Regentin, obwohl zwei männliche Kandidaten aus der Amaler-Dynastie für diese Position zur Verfügung gestanden hätten: ihr Cousin Theodahad und ihr Neffe Amalarich, der König der Westgoten. Amalarich und dessen Gattin Chlothilde begaben sich jedoch nach dem Tod von Theoderich sogleich in ihr eigenes westgotisches Königreich nach Spanien, und Theodahad, der am Hofe seines verstorbenen Onkels sehr unbeliebt war, da er als sehr habgierig, brutal, verschlagen, ehrgeizig, korrupt und völlig skrupellos galt und der zudem nie das Kriegshandwerk erlernt hatte, wurde von Amalasuntha einfach ignoriert. In die Fußstapfen ihres mächtigen Vaters zu treten, wäre auch jedem männlichen Nachkommen von ihm schwergefallen. Karl der Große gehörte noch fast 300 Jahre später trotz der Horrorgeschichten, die die katholische Kirche über den ostgotischen König Theoderich verbreitete, zum großen Bewunderer ihres Vaters. Er ließ, als er in Ravenna war, aus Verehrung für diesen dessen Reiterstatue in seinen Palast nach Aachen überführen.

Amalasuntha und ihr Sohn
Amalasuntha (rechts, mit Juwelenkragen und Perlenschnüren) mit ihrem Sohn Athalarich (mit germanischer Frisur), zeitgenössische Darstellung. London, The Victoria and Albert Museum.

Als Regentin ihres Sohnes sorgte Amalasuntha zuerst für die Beerdigung ihres Vaters, der in seinem Mausoleum außerhalb von Ravenna im Nordosten bestattet wurde. Seine Gebeine sollen dort im 9. Jahrhundert verloren gegangen sein. An Geld mangelte es Amalasuntha in ihrer neuen Position nicht. Ihr Vater hatte ihr mindestens „400 Kentenarien (Zentner) Gold“ hinterlassen. (in: Frank M. Ausbüttel. Theoderich der Große, ebenda, S. 86). Dann wandte Amalasuntha sich an den oströmischen Kaiser Justin. Denn ihr Vater hatte im Jahr 518/19 von diesem die Anerkennung für die Herrschaft in Italien nur für sich und seinen Schwiegersohn Eutharich, nicht aber auch für seinen Enkel Athalarich erlangt. Sie zeigte dem oströmischen Kaiser daher die Königserhebung ihres Sohnes Athalarich an und bat ihn, seine Herrschaft unter denselben Bedingungen, die ihr Vater zu erfüllen hatte, zu bestätigen. Gleichzeitig gab sie eine Münze heraus, die auf der Vorderseite den Namen des oströmischen Kaisers und auf der Rückseite das Monogramm ihres Vaters aufwies. Mit dieser Münze wollte sie den oströmischen Kaiser noch einmal an das enge Bündnis zwischen ihren Häusern erinnern und ihm zeigen, dass ihm selbstverständlich die Oberherrschaft zustehe. Prokopios von Caesarea beschrieb die ostgotische Königin Amalasuntha als weise und sehr auf ein objektives Gerichtswesen bedacht (Prokopios von Caesarea, Die Geschichte der Kriege V., ii, 3-4). Amalasuntha wollte die erfolgreiche prorömische Politik ihres Vaters, der ihr großes politisches Vorbild war und den sie in ihrem Leben 23 oder 24 Jahre lang beim Fällen seiner politischen Entscheidungen hatte beobachten können, fortsetzen. Unter ihrem Vater hatte es schließlich in Italien über 30 Jahre lang Frieden und Wohlstand gegeben, und seine Untertanen hatten auf ihren Reisen durch sein Königreich nichts zu befürchten gehabt (in: Anonymous Valesianus, 59). Sie hatte der Tatsache, dass sie das einzige noch lebende Kind des großen ostgotischen Königs war, für den nicht nur die Goten, sondern auch die Römer in Italien großen Respekt empfanden und die ihn sehr liebten und ihn für einen sehr weisen Mann hielten, zu verdanken, dass sie als Frau bei den Ostgoten überhaupt in die hohe Position einer Regentin aufsteigen konnte. (in: John Moorhead, Theoderic in Italy, id., p.106).

In ihrem politischen Programm, das sie zu Beginn ihrer Regierung entwarf, waren für sie außer dem guten Verhältnis, das sie zum oströmischen Kaiserhaus pflegen wollte, noch folgende fünf Punkte von besonderer Wichtigkeit:

  1. Sie versuchte einen Ausgleich mit den Familienangehörigen der hingerichteten Hochverräter Symmachus und Boëthius zu finden, um die oppositionellen Kreise der Senatorenschaft wieder für ihre Dynastie zu gewinnen. So gab sie den Töchtern von Symmachus, Rusticiana, Galla und Proba, und den Söhnen von Boëthius, Symmachus und Boëthius dem Jüngeren, die von ihren Vätern konfiszierten Besitztümer zurück.
  2. Sie löste die Personalunion mit dem westgotischen Reich auf. Ihr Neffe Amalarich konnte endlich den Thron seiner männlichen Vorfahren besteigen. Außerdem erhielt er, wie Theoderich es ihm versprochen hatte, den Königsschatz seiner Dynastie zurück.
  3. Sie begab sich auf die Suche nach Bündnispartnern. So versuchte sie, die Burgunder für sich zu gewinnen, indem sie ihnen das von ihrem Vater annektierte Gebiet nördlich der Durance zurückgab.
  4. Sie wünschte den Konsens zwischen den Ostgoten und Römern in ihrem Königreich fortzusetzen. Es sollte zu keinen Übergriffen zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen kommen. Wie unter ihrem Vater sollten die Römer für die Ernährung und den Unterhalt und die Goten für den Schutz ihres Königreiches sorgen. Dieses friedliche Zusammenleben mit den Römern war für ihre ostgotischen Untertanen überdies lebensnotwendig, denn sie machten im Königreich von Theoderich und Amalasuntha nur einen kleinen Bevölkerungsteil aus.
  5. Und wie ihr Vater stellte sie die Gerechtigkeit als besondere Tugend eines Herrschers an oberste Stelle. Einst hatte sich Theoderich beim Senat beschwert, dass die Senatoren mit allen möglichen Tricks zu verhindern versuchten, ihre gerechten Steuern zu zahlen, und dass die ärmere Bevölkerung deshalb nun unter größeren finanziellen Belastungen zu leiden hätte. Außerdem hatte er den Senatoren vorgeworfen, dass sie das Wasser, das dem Volk zustehe, hätten umleiten lassen, um ihre eigenen Mühlen zu drehen und ihre eigenen Gärten zu bewässern. (in: Cassidorus, Variae 2.24; und John Moorhead, Theoderic in Italy, id., p. 146). Amalasuntha wollte gerecht und zugängig für alle ihre Untertanen sein. Ein interessanter Brief an ihren Kanzleichef ist erhalten geblieben, der in ihrem Auftrag verfasst wurde und der uns einen Einblick in ihre Persönlichkeit gewährt. In diesem Schreiben gestattete sie ihrem Kanzleichef den von ihm so sehr gewünschten Urlaub zum „Wiedergesundwerden“:
    „Bei der Erledigung der täglichen Mühen Deines Dienstes, versicherst Du, bist Du so von körperlicher Schwäche befallen worden, daß Du nicht mehr zum Empfang militärischen Ruhmes eilen kannst, zu dem, wie feststeht, Du nach eigenem Willen heftig drängtest. Du besorgst, daß durch Deine Abwesenheit von dieser sozusagen beengenden Situation Dir Dein so geliebtes Einkommen genommen zu werden scheint, beantragst auch, daß Du Dich, von der Not des schmerzenden Körpers gezwungen, im zuträglichen Klima der Badeanstalt Baia erholen kannst.
    Es ist ganz angemessen, daß wir unter den Gunsterweisen, die höchsten gewähren, daß wir wie den Besiegten Hoffnung, so den Bittenden auch Gesundheit spenden. Daher haben wir Dich sowohl von der lähmenden Angst um Dein Gehalt entbunden und erleichtern Dich auch durch das Geschenk des vorgenannten Badeaufenthalts, damit Du, zuerst durch eine seelische Freude erquickt, leichter die Gesundheit der Glieder erlangest. Es ist doch eine natürliche Obsorge, den Kranken Freude zu bereiten, denn bringe einem Geschwächten Erheiterung, und er ist geheilt!
    Mach Dich also auf den Weg nach dem freundlichen Erholungsort, mach Dich auf den Weg zu einer, wenn ich so sagen kann, helleren Sonne! ...“
    (Cassiodorus Variae IX, 6, in: Briefe des Ostgotenkönigs Theoderich der Große und seine Nachfolger – Aus den „Variae“ des Cassiodor, ebenda, S. 93-94).

Da Amalasuntha als Frau nicht die wichtige königliche Funktion der Heerführung übernehmen konnte, mied sie es, außenpolitisch aktiv zu werden. So ging sie auch nicht, wie ihr Vater es mit seiner Flotte vorhatte, gegen die Vandalen vor. Außerdem hatte sich die Zahl der waffenfähigen Ostgoten in ihrem Königreich reduziert, da viele der ostgotischen Truppen, die ihr Vater ins Westgotenreich verlegt hatte, nach der Rückkehr von Amalarich in sein Königreich nicht wieder nach Italien heimkehren wollten. Anfänglich bedeutete dies jedoch kein Problem. Am 1. April 527, sieben Monate nach dem Tod ihres Vaters, erhob der mittlerweile ebenfalls schwer erkrankte oströmische Kaiser Justin seinen Neffen Justinian zu seinem Mitregenten, und am 4. April 527 ließ er diesen zusammen mit dessen Gattin Theodora vom Patriarchen zum Kaiser und zur Kaiserin krönen. Als er am 1. August 527 starb, gab es somit keine Probleme bei der Thronbesteigung im oströmischen Reich. Am Anfang der Regierungszeit des neuen oströmischen Kaisers Justinian hatte Amalasuntha noch mit keinen militärischen Problemen seinerseits zu rechnen, denn er war im Jahr 527 in einen Krieg gegen die Perser verwickelt. Dafür traten jedoch gegen Ende des Jahres 527 die ersten politischen Schwierigkeiten in ihrem eigenen Königreich auf. Von einer Gruppe mächtiger ostgotischer Adeliger war ein Putschversuch gegen sie und ihre prorömischen Berater in Ravenna unternommen worden, aus dem sie allerdings als Siegerin hervorging. (in: Robert Browning: Justinian and Theodora, id., pp. 102-103).

Aber das Problem, dass sie als Frau nicht in der Lage war, das ostgotische Heer in den Krieg zu führen, schwächte ihre Position als Regentin sehr. Als z. B. Amalasunthas fränkische Cousins, die Merowingerkönige Theuderich I. und Chlothar I., zusammen mit Theuderichs Sohn Theudebert I. im Jahr 531 das Königreich der Thüringer, also der Verbündeten ihres Vaters, angriffen, konnte sie ihrer Cousine Amalaberga, der Königin der Thüringer, und deren Familie nicht zu Hilfe kommen. Dies führte nicht nur zur Eroberung des gesamten thüringischen Königreiches durch die Franken, sondern auch zur Ermordung von Amalabergas Gatten, dem ehemaligen thüringischen König Herminafried, der im Jahr 533 vom merowingischen Frankenkönig Theuderich I. († 533) in Zülpich von der Stadtmauer gestoßen wurde. Amalaberga hatte bereits im Jahr 531 mit ihren beiden Kindern Amalafridas und Rhodelinde Zuflucht bei ihrer Cousine Amalasuntha in Ravenna gesucht und gefunden.

Manchmal lösten sich die außenpolitischen Probleme auch von selbst, wie z. B. der Rachefeldzug, den Amalasuntha gegen die Vandalen anlässlich der Ermordung ihrer Tante Amalafrida und deren ostgotischen Begleiter hätte vornehmen sollen. Im Jahr 530 fand im Vandalenreich eine Adelsverschwörung gegen Hilderich statt, der abgesetzt wurde. Statt seiner regierte nun sein Cousin Gelimer († 553) das vandalische Königreich.

Im Jahr 531, als das Königreich ihrer Cousine Amalaberga, Thüringen, von den Franken einnahmen wurde, erklärte auch ein weiterer fränkischer Cousin von Amalasuntha, der Merowingerkönig Childebert I., ihrem Neffen Amalarich, dem König der Westgoten, der sein eigener Schwager war, den Krieg. Als Grund wurde die schlechte Behandlung seiner Schwester Chlothilde, der Gattin von Amalarich, genannt, die als Katholikin so sehr unter ihrem arianischen Gatten zu leiden gehabt hätte. Amalarich verlor in diesem militärischen Konflikt, in dem Amalasuntha auch ihm nicht zur Hilfe gekommen war, ebenfalls sein Leben. Was genau geschah, erfahren wir erneut von Gregor von Tours: „Denn sie [Chlothilde] erlitt um ihres katholischen gläubigen Bekenntnisses willen viele Verfolgungen von ihrem Gemahl Amalarich. Oftmals ließ er, wenn sie zur heiligen Kirche ging, Mist und andren Kot auf sie werfen, und zuletzt soll er sie mit solcher Grausamkeit geschlagen haben, daß sie ein mit ihrem eigenen Blut getränktes Schweißtuch ihrem Bruder [Childebert] übersandte. Deshalb wurde dieser so zornig und zog nach Spanien. Amalarich aber rüstete, sobald er es vernahm, Schiffe zur Flucht. Als nun Childebert ihm nahe war und Amalarich schon das Schiff besteigen sollte, fiel ihm ein, daß er eine Menge von Edelsteinen in seiner Schatzkammer zurückgelassen habe, und er kehrte um, um sie zu holen, aber die Feinde sperrten ihm die Rückkehr zum Hafen ab. Er sah, daß er nicht mehr entwischen könne und flüchtete sich zu der Kirche der Rechtgläubigen. Ehe er aber noch die heilige Schwelle erreichen konnte, brachte ihm Einer durch einen Speerwurf eine tödtliche Wunde bei, und er hauchte den Athem aus an derselben Stelle. Childebert wollte darauf seine Schwester und ihre großen Schätze mit sich nehmen und in sein Haus führen, aber sie starb durch irgend einen Unfall [Sturz vom Pferd und Genickbruch?] auf dem Wege; sie wurde später nach Paris gebracht und neben ihrem Vater Chlodovech [= Chlodwig I.] begraben.“ (in: Decem Libri Historiarum III, 10, S. 155).

Im Januar 532 wurde Amalasuntha über eine sehr schwere politische Krise des oströmischen Kaisers Justinian in Konstantinopel informiert. Durch dessen rapide Steuererhöhungen und den Abbau der Unterstützungen für seine armen Untertanen z. B. die kostenlose Brotverteilung herrschten in seiner Hauptstadt Hunger und Unzufriedenheit. Schließlich hatte die arme Bevölkerung nichts mehr zu verlieren und rief zum Sturz des oströmischen Kaisers Justinian auf. Letzterer fürchtete bereits um sein Leben und dachte an eine Flucht. Seine Gattin Theodora forderte ihn zum Durchhalten auf. Durch das Massenabschlachten seiner Untertanen mit Hilfe seines Militärs konnte er seine Position als Kaiser sichern.

Im Jahr 533 hatte Amalasuntha sich erneut mit einer Gruppe mächtiger Stammesgenossen, zu denen auch der oberste Heerführer der Ostgoten, Tuluin, der ihrem Vater stets treu gedient hatte, gehörte, auseinanderzusetzen. Sie kritisierten die Regentin wegen der Art der Erziehung, die sie ihrem Sohn zukommen ließ. Er würde wie ein römischer Gelehrter und nicht wie ein ostgotischer Krieger und König erzogen werden. Drei von diesen führenden und erfahrenen gotischen Heerführern wollten daher dessen weitere Erziehung übernehmen. Diese Opposition am königlichen Hofe von Amalasuntha hatte auch die Unterstützung von ihrem Cousin Theodahad erhalten. Amalasuntha sah sich schließlich gezwungen, ihren Sohn an die gotischen Heerführer zur weiteren Ausbildung zu übergeben. Laut Prokopios von Caesarea war das Verhältnis zwischen Mutter und Sohn in dieser Zeit bereits als sehr schlecht zu bezeichnen. Athalarich lebte von nun an nicht mehr bei seiner Mutter in den Frauenquartieren im Palast, sondern mit einer Gruppe von gleichaltrigen gotischen Jungen in dem für die Männer am königlichen Hofe reservierten Bereich. Die Trennung von Mutter und Sohn führte letztendlich zu der Bildung von zwei Lagern am Hofe, wobei die meisten Ostgoten sich auf der Seite ihres Sohnes befanden. Ihre drei größten Gegner versuchte Amalasuntha vom königlichen Hof zu entfernen, indem sie sie an die Grenzen des Reiches schickte, um dort den Einfall von feindlichen Truppen zu verhindern.

In diesem Jahr 533 schloss der oströmische Kaiser Justinian einen Friedensvertrag mit den Persern. Dadurch fand er endlich die Zeit und die Truppen seinen großen Traum zu verwirklichen: die Rückgewinnung der verloren gegangenen römischen Provinzen in Afrika und Westeuropa. Zuerst wandte er sich gegen das Vandalenreich, was Amalasuntha im Prinzip nur recht sein konnte. Ihr Vater war schließlich nicht mehr in der Lage gewesen, sich bei den Vandalen wegen der Ermordung seiner Schwester und ihren ostgotischen Begleitern zu rächen. Justinians Feldherr Belisar (oder Belisarius) konnte die Vandalen innerhalb weniger Monate unterwerfen. Amalasuntha betrachtete sich in diesem Krieg selbst als Verbündete des oströmischen Kaisers und sorgte für die Verpflegung und Verköstigung von dessen Flotte auf Sizilien. Die Ostgoten brachten bei dieser kriegerischen Auseinandersetzung auch Lilybaeum wieder in ihren Besitz, das Theoderich einst seiner Schwester Amalafrida als Mitgift in die Ehe mit dem Vandalenkönig Thrasamund gegeben hatte. Die Wiedereinnahme von Lilybaeum zeigt den großen Mut und das Selbstbewusstsein von Amalasuntha. Denn als Justinian sich bei ihr beschwerte, dass ihre Leute die Stadt Lilybaeum in Sizilien eingenommen hätten, da klärte sie ihn freundlich darüber auf, dass diese Stadt den Ostgoten gehöre und dass sie den Kaiser und seine Soldaten in seinem Krieg gegen die Vandalen von dieser Stadt aus mit Nahrung und Pferden versorgt hätte, also seine Verbündete gewesen sei. Eigentlich hätte er sich doch bei ihr für diese Hilfe bedanken müssen. Außerdem würde sie seine Klage gern dazu benutzen, sich ihrerseits bei ihm zu beschweren, dass sie von ihm keinen Anteil von seiner Kriegsbeute gegen die Vandalen erhalten habe. (in: Prokopius von Caesaera, Die Geschichte der Kriege, V; iii, 15-28).

Aber die brisante politische Situation in ihrem Königreich spitzte sich im Jahr 534 weiter zu. Athalarich war 16 Jahre alt geworden und damit mündig und regierungsfähig. Er brauchte keine Regentin mehr. Bei den Amalern herrschte zur Zeit von Theoderich der Brauch, dass sämtliche ihrer männlichen Mitglieder im Alter von 16 Jahren automatisch den Titel „rex (= König)“ erhielten. Auch Theoderich war mit 16 Jahren – also im Jahr 470 ‒ für mündig erklärt und mit dem Titel „rex“ versehen worden. Es gab daher immer mehrere Könige zur gleichen Zeit unter den Amalern. Aber einer von ihnen genoss den Vorrang vor den anderen. So gab es, als Theoderich sich mit dem Titel „rex“ schmücken durfte, außer ihm noch seinen Vater Theodemer (oder Thiudimer) († 474) und seinen Onkel Vidimer (oder Videmer) († um 473/74) – sein Onkel Valamer († 468/69) war kurz zuvor verstorben ‒, die sich ebenfalls Könige der Amaler nennen durften. Bis zu seinem Tod hatte Valamer den Vorrang vor seinen Brüdern genossen. Nach seinem Tod ging diese Position auf Theodemer über. Theoderich der Große hatte übrigens sein 30-jähriges Regierungsjubiläum im April oder Mai 500 in Rom prächtig feiern lassen. Amalasuntha schien als Regentin ihres Sohnes im Jahr 534 nicht zurücktreten zu wollen. Vielleicht war ihr Sohn zu dieser Zeit bereits schwer erkrankt. Vielleicht hielt sie ihren Sohn auch nur für noch zu unerfahren, die Regierungsgewalt zu übernehmen. Vielleicht hatte sie zu große Freude am Regieren und konnte sich nicht damit abfinden, sich ins Privatleben zurückzuziehen.

Die Oppositionspartei an ihrem Hofe war hingegen nicht mehr bereit, Amalasuntha als ihr Oberhaupt zu akzeptieren. Man muss ihr gedroht haben, dass, wenn sie nicht Platz für ihren Sohn mache, man sie mit Gewalt von ihrem Amt entferne. Amalasuntha begann jedenfalls, um ihr Leben zu fürchten. Sie bat den oströmischen Kaiser heimlich um politisches Asyl und plante ihre Flucht in sein Reich, indem sie sich ein schnelles Schiff besorgte, auf dem sie ihr Privatvermögen von ungefähr drei Millionen Gold-Solidi verbarg. Dieses Schiff schickte sie nach Dyrrhachium (= heute Durazzo in Albanien) an die adriatische Küste und ließ es dort vor Anker gehen. Es sollte jedoch erst bei ihrer eigenen Ankunft entladen werden Denn noch wollte sie sich nicht geschlagen geben. Sie gab Männern ihres Vertrauens den Auftrag, die drei Mächtigsten ihrer Gegner zu ermorden. Sollte jedoch auch nur einer von diesen dem Mordanschlag entgehen, dann hatte sie in der Tat um ihr Leben zu fürchten und würde sofort nach Dyrrhachium fliehen und mit ihren Schätzen erst hier und später in Konstantinopel unter dem persönlichen Schutz des oströmischen Kaisers leben. Das Schicksal entschied sich zu ihren Gunsten. Alle drei ostgotischen Heerführer konnten getötet werden. Amalasunthas feiger Cousin Theodahad zog sich, nachdem er von deren Ermordung erfahren hatte, sogleich auf seine Güter zurück. Amalasuntha befahl derweil die Rückführung ihres Schiffes von Dyrrhachium nach Ravenna. Ihre Position als Regentin schien nun gesichert zu sein.

Nach ihrem Sieg über ihre Feinde erklärte Flavius Magnus Aurelius Cassiodor oder Cassiodorus (um 485-um 580), der Theoderich von 523 bis 526 als Magister officiorum gedient hatte und der unter Athalarich bzw. dessen Regentin Amalasuntha im Jahr 533 zum Praefectus praetorio aufgestiegen war, seine Herrin zur würdigen Nachfolgerin ihres Vaters. In dem von ihm erstellten neungliedrigen Amaler-Stammbaum findet man Amalasuntha schließlich als eigenständige gotische Heerkönigin und nicht mehr nur als Regentin ihres unmündigen Sohnes erwähnt. Als Prätorianerpräfekt war Cassiodorus übrigens für die Lieferung von Nahrungsmittel für die Bevölkerung, die Verpflegung des Militärs, die Rechtspflege und als wichtigster Berater des Herrschers zuständig. Als treuer Diener der Amaler hatte er auf die persönliche Bitte von Theoderich hin ein 12-bändiges Geschichtswerk über den Ursprung und die Taten der Goten verfasst, das leider schon bald nach seiner Entstehung verloren ging. Zwei Jahre nach dem Tod von Amalasuntha, im Jahr 537, gab er sein berühmtes Werk „Variae“ zur Erinnerung an seine hochverehrten Könige Theoderich und Amalasuntha heraus, in dem er seine Zeitgenossen und uns, die Nachgeborenen, mit den Schreiben, die jene ihm in Auftrag gaben, vertraut machen wollte.

Nachdem Amalasuntha ihre drei großen Gegner besiegt hatte, war sie auch nicht mehr bereit, sich weiterhin die Unverschämtheiten ihres Cousins Theodahad gefallen zu lassen. Hatte dieser doch immer noch nicht aufgehört, sich widerrechtlich und mit Gewalt die Güter anderer anzueignen, um diese seinem bereits enormen Besitz in Tuskien hinzuzufügen. Unter diesen Gütern befanden sich auch solche, die dem königlichen Haus gehörten. Amalasuntha stellte ihn daher endlich vor Gericht, und er wurde für schuldig befunden und zur Rückgabe der unrechtmäßig erworbenen Güter gezwungen. Damit ihm in Zukunft die finanziellen Mittel fehlten, ein Bündnis mit ihren Feinden eingehen zu können, entzog sie ihm überdies das Vermögen seiner Mutter Amalafrida. Theodahad sollte ihr diesen Affront nie verzeihen.

Aber es gab immer noch ein weiteres großes Problem für Amalasuntha: ihr Sohn Athalarich. Laut des Geschichtsschreibers Prokopios von Caesarea hätte diesem der Wechsel seiner Erzieher nicht gut getan. Mit seinen gleichaltrigen ostgotischen Kameraden hätte er sich mittlerweile völlig dem Trunk und der Hurerei hingegeben. Wir wissen nicht, wie das Verhältnis zwischen Mutter und Sohn nach der Ermordung ihrer drei Hauptgegner war. Wir wissen nur, dass Amalasuntha ihren Sohn, der im Laufe des Jahres 534 schwer erkrankte, bereits am 2. Oktober oder am 10. Oktober 534 verlor. (in: Procopius of Caesarea: History of the wars. Book V and Book VI: The Gothic War. With an English Translation by H. B. Dewing, Volume III. London and New York 1919, p. 35; Martina Hartmann, Die Königin im frühen Mittelalter, ebenda, S. 31 und Frank M. Ausbüttel: Theoderich der Große, ebenda, S. 150).

Ohne ihren Sohn hatte Amalasuntha ihr Amt als seine Regentin verloren. Es blieben ihr nach seinem Tod eigentlich nur zwei Möglichkeiten, sich ins Privatleben zurückzuziehen oder entgegen aller Tradition des gotischen Stammes sich als Frau zur Königin zu erheben. Amalasuntha sah sich durch ihre Abstammung von Theoderich und den Amalern zur Herrschaft berechtigt. Im Prinzip spielte die Verwandtschaft oder „das richtige Blut“ auch bei den Frauen in der Antike eine große Rolle. Die Kaisertöchter waren heißbegehrte Bräute, denn durch die Heirat mit ihnen erhielten ehrgeizige Männer die Legitimation, das höchste weltliche Amt zu besetzen. Kaisertöchter konnten auch Männer ihrer eigenen Wahl durch Adoption zu Kaisern erheben. Sie waren nur nicht in der Lage, selbst zu regieren. Amalasuntha wusste, dass sie das königliche Amt nicht allein ausüben konnte. Als Frau an der Spitze eines Heerkönigtums musste sie mit massivem Protest ihrer ostgotischen Untertanen und besonders ihrer ostgotischen Krieger rechnen. Bei den Amalern gab es jedoch die bereits erwähnte Tradition, mehrere Könige gleichzeitig zu besitzen. So erhob Amalasuntha gegen Ende Oktober oder im November 534 den einzigen männlichen und mündigen Amaler in ihrer Familie, ihren Cousin Theodahad, zu ihrem „consors regni“, zum „Teilhaber oder Partner an der Königsherrschaft“, der in ihrem Königreich die wichtige Funktion der Heerführung übernehmen konnte. Sie selbst räumte sich jedoch den Vorrang vor ihrem Cousin ein, der zu schwören hatte, sie als seine Herrin anzuerkennen. Zur Bestätigung ihrer Position als Königin und als Propagandamittel ließ sie Münzen mit ihrem Antlitz und mit dem Titel „regina (= Königin)“ prägen.

Aber mit der Wahl ihres Cousins Theodahad zu ihrem Mitkönig hatte Amalasuntha ihren größten politischen Fehler begangen. Dieser wies zwar durch seine Mutter Amalafrida Amalerblut in seinen Adern auf und war Vater eines Sohnes, Theodegisclus, der für die Kontinuität in der Thronfolge sorgen konnte, jedoch hätten der Charakter und das Verhalten ihres Cousins ihr gegenüber seit dem Tod ihres Vaters ihr eine Warnung sein müssen. Nicht umsonst war er bei seinen Stammesgenossen so verhasst. Amalasuntha versuchte im Gegenteil noch, sich mit ihrem Cousin auszusöhnen, indem sie ihm den Großteil des konfiszierten Vermögens seiner Mutter zurückgab. Sie versprach ihm sogar, ihm auch den Rest zu übergeben, falls er sich ihr gegenüber in Zukunft loyal verhalten sollte. Sie hob in einem neuen Gerichtsverfahren sogar sämtliche ehemaligen Vorwürfe gegen ihn auf.

Erst nachdem sie ihren Cousin Theodahad zu ihrem Mitkönig erhoben hatte, informierte sie den oströmischen Kaiser über den Tod ihres Sohnes Athalarich und über ihre politische Entscheidung: „Bisher, gnädigster der Fürsten [Kaiser Justinian], haben wir es ganz aufgeschoben, über den Untergang unseres Sohnes glorreichen Angedenkens zu berichten, um nicht durch die traurige Botschaft die Seele eines Liebenden zu kränken. … Wir haben zum Szepter einen Mann [Theodahad] berufen, der uns wie ein Bruder nahe verbunden ist, damit er die Königswürde mit uns mit geeinter Kraft [guten] Rates trage, damit auch er im Purpurschmuck seiner Vorfahren leuchte und die Tröstung dieses Weisen unseren Mut aufrichte. ...“ (Cassiodor, Variae X, 1; in: Briefe des Ostgotenkönigs Theoderich der Große und seine Nachfolger – Aus den „Variae“ des Cassiodor, ebenda, S. 68-69).

Amalasunthas Zeit als Königin währte nur sehr wenige Wochen, wenn nicht Tage. Sie wurde bereits kurz, nachdem sie ihr obiges Schreiben an den oströmischen Kaiser Justinian I. geschickt hatte, in dem sie um dessen Zustimmung zu der neuen Herrschaftsform in ihrem Königreich gebeten hatte, von ihrem Cousin in ihrem Palast in Ravenna gefangen genommen. Nachdem man ihre engsten Vertrauten getötet hatte, überführte man sie auf die sehr kleine Insel Marta im Vulsina-See (heute: Bolsenasee oder Lago di Bolsena), die eine starke Festung aufwies und auf der sie ungefähr fünf Monate unter Bewachung lebte. Als Justinian über die Entführung von Amalasuntha durch ihren Cousin informiert worden war, verlangte er von Letzterem sofort, sich bei ihm bezüglich seines Verhaltens gegenüber seiner Cousine zu rechtfertigen. Theodahad entsandte daraufhin seinen Freund Opilio, einen gewissen Petrus Marcellinus Felix Liberius und einige andere Senatoren nach Konstantinopel, die vor dem Kaiser zu seinen Gunsten sprechen sollten, was jedoch nur sein Freund Opilio getan haben soll.

Justinian entschied sich schließlich für Amalasuntha und sandte seinen Botschafter Peter nach Ravenna, um dort ihre Freilassung und ihre Wiedereinsetzung als Königin ihres Reiches zu verlangen. Andererseits drohte er mit dem Erscheinen seiner Armee in Italien. Theodahad und seine ostgotischen Verbündeten befanden sich hierdurch in einer sehr schwierigen Lage. Sollte Amalasuntha jemals wieder freikommen, dann würde sie sich wegen der Behandlung, die ihr durch sie widerfahren war, und durch die Ermordung ihrer engsten Vertrauten an ihnen rächen. Es stellte sich für Theodahad und seine Verbündeten also die Frage: wir oder sie? Letztendlich gewährte Theodahad den Verwandten der drei im Auftrag von Amalasuntha ermordeten ostgotischen Heerführern das Recht der Blutrache, die sich auf die Insel Marta begaben und die Königin am 30. April 535 ermordeten. Bei Jordanes lesen wir, dass Amalasuntha im Bad erwürgt worden sei. (in: Jordanes: The Origin and Deeds of the Goths, LIX, 306). Wo der Leichnam von Amalasuntha seine letzte Ruhestätte fand, wissen wir leider nicht. Vermutlich war die Asche ihres verbrannten Körpers in den See gestreut worden.

In einem Spätwerk von Prokopios von Caesarea, der „Geheimgeschichte“ oder „Anekdota“, behauptet der Autor, dass Amalasuntha von ihrem Cousin Theodahad ermordet worden sei und zwar auf Anweisung des oströmischen Gesandten Peter, der hierzu seinen Auftrag von der Kaiserin Theodora persönlich erhalten haben soll. Letztere soll nämlich sehr eifersüchtig auf Amalasuntha gewesen sein, da jene im Gegensatz zu ihr selbst aus einem vornehmen Haus stamme und nicht nur sehr hübsch, sehr klug, von königlicher Erscheinung und mutig sei, sondern zudem noch zwei Kindern das Leben geschenkt hätte. Theodora habe daher befürchtet, ihr Gatte würde sich von ihr trennen und Amalasuntha zu seiner neuen Gemahlin wählen. (in: Procopius of Caesarea, The Anecdota or Secret History, id., p. xi und p. 189). Justinian und Theodora sind das große Liebespaar des Frühmittelalters. Theodora war Justinians große Liebe gewesen, von der er sich nie getrennt hätte. Auch nach ihrem Tod im Jahr 548 gab es keine andere Frau in seinem Leben, obwohl er sie 17 Jahre überlebte. Prokopios, der gegen Ende seines Lebens Theodora sehr zu hassen begann, ließ bei dieser Anekdote seiner Fantasie freien Lauf. Theodahad war viel zu schlau, sich bei der Ermordung seiner Cousine die Hände schmutzig zu machen.

Der gewaltsame Tod von Amalasuntha bot dem oströmischen Kaiser jedoch endlich den Anlass, Theodahad und den Goten in Italien den Krieg zu erklären. Theodahad versuchte sich zwar noch herauszureden, er wäre für die Ermordung seiner Cousine nicht verantwortlich gewesen, sondern nur die Verwandten der drei ermordeten Heerführer. Jene hätten gegen seinen ausdrücklichen Befehl gehandelt. Aber der Krieg war nicht mehr abzuwenden. Theodahad hatte als König der Ostgoten nun auch dessen Funktion als oberster Heerführer zu übernehmen und seine Stammesgenossen nicht nur zu Lande, sondern auch zu Wasser gegen die angreifenden Byzantiner zu führen. Dabei war Theodahad alles andere als ein gotischer Krieger. Er liebte das ruhige, üppige Leben in seinen Palästen, umgeben von seinen geliebten Büchern. Daher wundert es nicht, dass er bereits kurz nach der Eroberung von Sizilien durch die byzantinischen Truppen zum ersten Mal mit den oströmischen Gesandten in Verbindung trat. Noch zögerte er, zum Feind überzulaufen. Aber als sein Schwiegersohn Ebrimuth (oder Ebrimous, Evermud), der mit seiner Tochter Theodenanthe verheiratet war, mit seinen Gefolgsleuten zu Belisar überlief und Justinian ihn reichlich für seinen Verrat an seinen Landsleuten belohnte, und sein Schwiegersohn sogar die Würde eines Patriziers erhielt, setzte auch Theodahad seine Verhandlungen mit den oströmischen Gesandten fort. Als er schließlich der von den Byzantinern schwer belagerten Stadt Neapel militärisch nicht zur Hilfe kam – aus Feigheit oder weil er bereits einen geheimen Vertrag mit Justinian geschlossen hatte –, setzte ihn das gotische Heer als unfähigen Heerführer ab und ließ ihn auf seiner Flucht nach Ravenna auf Befehl des neuen ostgotischen Königs, des Heerführers Witiges (oder Vitigis, Vittigis, Witichis), gegen Ende November oder im Dezember 536 töten.

Witiges hatte sich schon unter Theoderich dem Großen als Krieger wegen seiner Tapferkeit ausgezeichnet und war deshalb auch zum Schwertträger seines Enkels Athalarich bestimmt worden. Theoderich hatte ihn sehr geschätzt und ihn sogar mit diplomatischen Missionen ins Ausland beauftragt. Aber im Gegensatz zu Theodahad besaß Witiges keine legitime Berechtigung, den ostgotischen Königsthron zu besteigen. Diese konnte er nur erhalten, indem er ein weibliches Mitglied der Amaler-Dynastie heiratete, und deshalb wurde Amalasunthas Tochter Matasuntha gegen ihren ausdrücklichen Willen noch gegen Ende des Jahres 536 gezwungen, seine Gattin zu werden.

Wir wissen nichts über die Kindheit von Matasuntha. Wir kennen nur ihr Geburtsjahr, denn als man sie zur Heirat mit Witiges zwang, hatte sie gerade das vorgeschriebene Heiratsalter von 12 Jahren erreicht. Während der Gefangenschaft ihrer Mutter lebte sie mit hoher Wahrscheinlichkeit bei Theodahad und dessen Familie. Für Witiges war Matasuntha die zweite Gattin. Aus einer früheren Ehe besaß er bereits einen Sohn. Während Prokopios von Caesarea von Amalasuntha nur Positives zu berichten wusste, stellte er Matasuntha in seinen Werken als die große Verräterin der Ostgoten dar, die sich über jede Niederlage ihrer Stammesgenossen im Kampf gegen die Byzantiner gefreut hätte. Sie soll in der von den Byzantinern belagerten Stadt Ravenna sogar einen Getreidespeicher in Brand gesteckt haben, um die Kapitulation ihres Volkes zu beschleunigen.

Wie wir den Werken von Prokopios außerdem entnehmen können, verliebte Matasuntha sich in einen gewissen Johann († 553), den Neffen von Vitalian, dem sie zum ersten Mal im Jahr 537 begegnet sein muss. Als General der Thraker diente er im Heer des oströmischen Kaisers. Er wurde als unerschrocken und furchtlos dargestellt. Als man ihr im Frühjahr 538 erzählte, dass jener nach Ariminum (= heute Rimini) gekommen sei, soll sie überglücklich gewesen sein. Sie schickte sogleich einen Boten zu ihm, um mit ihm geheime Verhandlungen hinsichtlich einer Heirat zwischen ihnen und über einen Verrat an der Stadt zu führen. Aus ihrer Eheschließung wurde jedoch nichts. Denn der oströmische Kaiser und vermutlich auch seine Gattin Theodora gönnten dem ehrgeizigen Johann, dem Neffen von Vitalian, nicht die Hand einer so bedeutenden Prinzessin.

Witiges und seine ostgotischen Krieger hatten kaum eine Chance gegen die Byzantiner zu gewinnen, denn sie mussten zusätzlich noch gegen die stets opportunistisch gesinnten merowingischen Frankenkönige – in ihrem Fall gegen Childebert I. und seinen Bruder Chlothar I. ‒ kämpfen, die das Recht der Blutrache wegen der Ermordung ihrer Cousine Amalasuntha als Grund für ihre Kriegserklärung anführten. Die Ostgoten hatten somit wie in den Jahren 508 und 509 wieder einmal an zwei Fronten zu kämpfen. Im Jahr 539 wurde Ravenna schließlich vom byzantinischen Feldherrn Belisar eingeschlossen und musste kapitulieren. Es kam zu Verhandlungen zwischen Letzterem und Witiges, der ein Jahr später, 540, zusammen mit seiner jungen Gattin Matasuntha, einigen führenden Ostgoten und einem Teil des ostgotischen Königsschatzes nach Konstantinopel aufbrach. Witiges sollte seine Entscheidung, seinen Kampf gegen die Byzantiner aufgegeben zu haben, nicht bereuen. Vom oströmischen Kaiser, der stets freundlich und herzlich zu ihm war, erhielt er den Titel eines Patriziers. Konstantinopel, das im 6. Jahrhundert eine Stadtbevölkerung von 500.000 bis zu einer Million aufwies, wurde nicht nur sein neues Zuhause, sondern auch das der noch verbliebenen Familienangehörigen des berühmten Amaler-Geschlechtes. Neben Matasuntha lebte auch die verwitwete und ehemalige Königin der Thüringer, Amalaberga, mit ihren beiden Kindern Amalafridas und Rhodelinde in dieser wohl schönsten Stadt des Abendlandes. Amalafridas stieg mit Hilfe des oströmischen Kaisers zum römischen Feldherrn auf, und seine Schwester Rhodelinde wurde mit dem König der Langobarden, Audoin († 560), verlobt.

Aber die Überführung von Matasuntha und ihren Verwandten nach Konstantinopel bedeutete noch nicht das Ende der ostgotischen Geschichte in Italien, denn die dort verbliebenen Ostgoten fanden in Totila († 552) einen neuen starken Führer, der in seinem Kampf gegen die Byzantiner sehr erfolgreich war und der im Jahr 543 Neapel und im Jahr 546 Rom zurückerobern konnte. Justinians berühmter Feldherr Belisar wurde schließlich im Jahr 548, da er keine weiteren militärischen Erfolge erbracht hatte, nach Konstantinopel zurückgerufen. Der Oberbefehl über die Kriegsführung in Italien wurde nun einem Cousin des Kaisers, dem großen Militär Germanus (um 495/500-550), der schon des Öfteren erwähnt wurde, übertragen. Germanus hatte kurz zuvor seine erste Gattin Passara, die aus dem sehr reichen und edlen Geschlecht der Anicier stammte, verloren. Sie hatte ihm seine drei Kinder, die beiden Söhne Justin (oder Justinus) (um 525-565) und Justinian (nach 525-nach 578), und die Tochter Justina (geboren im Jahr 1527) geschenkt. Prokopios von Caesarea hatte nur Gutes über ihn zu berichten: Er sei ein äußerst fähiger Feldherr und ein gerechter, unbestechlicher, großzügiger, freigebiger, freundlicher, charmanter, zuverlässiger und herzlicher Mensch gewesen, der bei Hoch und Niedrig sehr beliebt gewesen sei. Germanus war überdies sehr wohlhabend und besaß Grundstücke und Paläste über das ganze Kaiserreich verteilt. In seinem Leben hatte er sich nur einen einzigen großen Feind gemacht: die Kaiserin Theodora, die bis zu ihrem Tod im Jahr 548 seinen weiteren militärischen Aufstieg und die vorteilhafte Vermählung seiner Kinder, wie bereits erwähnt, zu verhindern gewusst hatte. (in: Prokopios, Die Geschichte der Kriege, VII, il, 9; und Robert Browning, Justinian and Theodora, id., p. 45).

Nachdem Theodora im Jahr 548 gestorben war, kamen sich die beiden Cousins Justinian und Germanus wieder näher. Justinian hatte seinen militärisch so begabten Cousin stets bewundert und geschätzt. Im Sommer 550 schickte er Germanus, den er mittlerweile als seinen Nachfolger auf dem Kaiserthron betrachtete, als seinen neuen Oberbefehlshaber nach Italien. Da der ostgotische König Totila jedoch militärisch sehr schwer zu besiegen war, schlug Justinian noch zusätzlich die Eheschließung zwischen seinem Cousin und Matasuntha vor, die ihren Gatten Witiges bereits im Jahr 542 verloren hatte. Mit dieser Heirat wollte der oströmische Kaiser die Loyalität der Ostgoten in Italien spalten. Denn viele von Totilas Gefolgsleuten waren immer noch große Anhänger der Amaler und wünschten sich einen König aus dieser Dynastie. Matasuntha, die Enkelin von Theoderich, trug das Blut der Amaler in ihren Adern. Sie konnte ihren Gatten, den berühmten und erfolgreichen Kriegsherrn Germanus, hierdurch zur Besteigung des ostgotischen Königsthrones in Italien legitimieren. Es sieht so aus, dass Justinian in der Tat plante, seinen Cousin nicht nur zu seinem Nachfolger im oströmischen Kaiserreich, sondern auch zu seinem Mitkaiser im Westen zu erheben. Die alte Freundschaft zwischen den Römern und den Ostgoten sollte wiederhergestellt werden. Die ostgotischen Kämpfer stellten nämlich die einzige Chance der oströmischen Kaiser dar, die Franken, Alamannen und Langobarden von Italien fernzuhalten.

Justinian und Germanus hatten alles sehr sorgfältig geplant, aber das Schicksal entschied anders. Germanus erkrankte im September 550 auf seinem Weg nach Italien in seinem Hauptquartier in Sardica (= heute Sofia) plötzlich und starb. Matasuntha gebar ihm im Jahr 551 noch einen Sohn, der seinen Namen Germanus erhielt. Dieser Sohn wurde ein berühmter Adliger in Konstantinopel, und seine Tochter war sogar als Gattin für den ältesten Sohn des oströmischen Kaisers Maurikios († 602), Theodosius (583-602), auserwählt worden. Nach der Hinrichtung von Maurikios und Theodosius durch den Usurpator Phokas († 610) hatte man Matasunthas Sohn Germanus die Kaiserkrone angeboten, die er allerdings ablehnte. Später versuchte er zweimal, doch noch oströmischer Kaiser zu werden. Er scheiterte jedoch beide Male. Beim ersten Mal hatte er zur Strafe sein weltliches Leben aufzugeben und musste Priester werden, beim zweiten Mal, im Jahr 605, wurden er und seine Tochter auf einer Insel im Marmarasee hingerichtet. (in: Charles Christopher Mierow, The Gothic History of Jordanes, id., p. 188).

Der Krieg des oströmischen Kaisers Justinian gegen die Ostgoten in Italien endete am 20. Juli 561, 26 Jahre nach der Ermordung von Amalasuntha, mit der Einnahme von Verona, dem letzten militärischen Stützpunkt der Ostgoten, durch den oströmischen Eunuchen-Feldherrn Narses. Der ostgotische König Totila hatte sich bei diesem letzten Kampf schwere Wunden zugezogen, an denen er sterben sollte. Damit endete die Geschichte der Ostgoten in Italien. Im Jahr 568 wurden die Langobarden die Herren von Oberitalien, die sich allerdings selbst als Nachfolger des großen ostgotischen Königs Theoderich betrachteten, da ihr König Alboin († 572) der Sohn von Rhodelinde, der Tochter von Theoderichs Nichte Amalaberga, war.


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