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Kurzbiografien über die bedeutendsten Kaiser und Könige des deutschen Reiches im Früh- und Hochmittelalter

Karl der Große und seine Familie, die Karolinger

Über Karl den Großen gibt es so viele Biografien wie über die österreichische Kaiserin Sisi und die englische Königin Elisabeth I. Er gehört zu den beliebtesten historischen Gestalten des frühen Mittelalters. Wie man der Stammtafel „Die Karolinger 1“ entnehmen kann, waren die Stammväter der Dynastie der Karolinger Arnulf († 640), der Bischof von Metz, und Pippin der Ältere († 640), der als höchster Verwaltungsbeamter oder Meier den Merowingerkönigen in Austrien diente. Der Zenit des Ansehens und der Macht des merowingischen Königsgeschlechtes war zu dieser Zeit schon überschritten, und in Austrien wie in Neustrien machten sich schwere Verfallserscheinungen unter ihrer Herrschaft bemerkbar. Einige der merowingischen Könige waren mittlerweile bereits zu Marionetten der Karolinger geworden. Nur die Großen ihrer Reiche stützten noch ihre Herrschaft, da sie nicht bereit waren, die Karolinger als ihre „neuen Herren“ zu akzeptieren.

Pippins Sohn Grimoald I. († 661/662) wurde wie sein Vater Hausmeier der austrischen Merowingerkönige (siehe: Stammtafel der Merowinger 5). Da die Gattin des austrischen Königs Sigibert III. († 656), Chimnechilde, in den ersten fünf Ehejahren keine Kinder gebar, und der König daher angeblich befürchtete, ohne Erben sterben zu müssen, ließ Grimoald I. seinen Sohn Childebert († 661/662) vom König adoptieren. Damit war den Karolingern endlich der Aufstieg in die höchste Position im fränkischen Reich gelungen. Der nächste König, der Austrien regieren würde, entstammte nämlich ihrem Geschlecht. Jedoch machte die junge merowingische Königin den Karolingern leider einen Strich durch die Rechnung. Denn sie brachte in den Jahren 650 bis 655 noch zwei eigene Kinder auf die Welt: ihre Tochter Bilichilde († 675) und ihren Sohn Dagobert II. († 679).

Grimoald I. aber gab seine Hoffnung auf den Thronerwerb nicht auf und setzte nach dem Tode Sigiberts III. im Jahre 656 durch, dass sein Sohn Childebert zum fränkischen König ausgerufen wurde. Dagobert II., den eigentlichen Erben und lästigen Mitkonkurrenten um die fränkische Königskrone, ließ er in ein Kloster nach Irland bringen. Aber die Merowinger in Neustrien hatten ihre eigenen Pläne mit dem Königreich von Austrien, das sie ihrer Herrschaft einverleiben wollten, und so kam es schon kurze Zeit später zu einem Krieg zwischen den neustrischen Merowingern und den Karolingern.

Als Childebert im Jahre 661/662 unerwartet starb, mussten die neustrischen Merowinger nur noch dessen Vater Grimoald I. in ihre Gewalt bekommen. Nach seiner Ergreifung wurde dieser schließlich sogleich hingerichtet. Der Traum der Karolinger, in Zukunft die fränkischen Könige stellen zu können, währte somit erst einmal nur für eine Generation.

Eine Tochter von Pippin dem Älteren mit dem Namen Begga war mit einem Sohn des Bischofs Arnulf von Metz verheiratet worden. Begga und ihr Gemahl Ansegisel Domesticus sorgten durch die Geburt ihres Sohnes Pippin des Mittleren († 714) für das Fortbestehen der Familie von Pippin dem Älteren. Pippin der Mittlere trat in die Fußstapfen seines ermordeten Onkels Grimoald I., denn er stieg erneut zum Hausmeier der austrischen Merowinger auf. Letztendlich gelang es ihm, das gesamte „regnum Francorum“, also Austrien, Neustrien und Burgund, als Meier zu verwalten. Die merowingischen Herrscher hatten unter ihm nichts mehr zu sagen. Pippin der Mittlere bestimmte die politischen Richtlinien in ihren Königreichen und ließ die wichtigen Ämter in der Verwaltung, im Militär und im Gerichtswesen mit Leuten seines Vertrauens besetzen.

Grabmal von Plektrudis
Die Grabplatte von Plektrudis, die in Köln im Jahr 725 starb und die in der von ihr dort gestifteten Kirche Sankt Maria im Kapitol beigesetzt wurde

Aus Pippins Muntehe mit Plektrudis (oder Plektrud) († 725), die eine Tochter des Pfalzgrafen Hugobert und dessen Gattin Irmina war, gingen unter anderem seine Söhne Drogo († 708) und Grimoald II. († 714) hervor.

Drogo gelang der Aufstieg zum Herzog der Champagne, und Grimoald II. wurde um 700 der Hausmeier der neustrischen Merowinger. Später ging Pippin der Mittlere, obwohl Plektrudis immer noch seine Gattin war, eine weitere Ehe, eine Friedel- oder eine Kebsehe1, mit einer gewissen Chalpaida oder Alpais ein. Polygamie gab es also nicht nur bei den Merowingern, sondern auch bei den Karolingern. Chalpaida gebar ihm noch zwei weitere Söhne, Karl (um 684-741) und Childebrand. Der erfolgreichste Sohn von Pippin dem Mittleren sollte sein Sohn Karl werden, der später den Beinamen Martell, „der Hammer“, erhielt. Er konnte nicht nur die Sarazenen in der berühmten Schlacht von Poitiers am 25. Oktober 732 auf ihrem Marsch ins Zentrum des Abendlandes endgültig zum Stoppen bringen, sondern hatte sich nach dem Tode seines Vaters und seines Halbbruders Grimoald II., die beide im Jahr 714 starben, auch das Hausmeieramt sowohl von Austrien wie von Neustrien und Burgund aneignen können. Eigentlich war er wie sein Bruder Childebrand vom Vater in dessen Testament bezüglich der Nachfolgeregelung für das Amt des Hausmeiers übergangen worden. Vermutlich geschah dies auf Wunsch der ersten Gattin seines Vaters, Plektrudis, die ihn nach dem Tod ihres Ehemannes und ihres Sohnes Grimoald II. sogar in Köln gefangennehmen ließ, damit er ihren Enkelsöhnen nicht deren Position streitig machen konnte. Karl gelang jedoch die Flucht aus seinem Gefängnis, und mit Hilfe seiner adligen Anhänger wurde er schließlich Hausmeier des austrischen wie des burgundoneustrischen Königreiches.

Karl hatte drei Gattinnen, die für ausreichend männlichen Nachwuchs in der nächsten Generation sorgten (siehe: Stammtafel: Die Karolinger 1). Am bekanntesten und bedeutendsten wurden seine beiden ältesten Söhne aus seiner ersten Ehe mit Chrotrud, Karlmann (um 711-754) und Pippin (um 714-768). Letzterer ging in die Geschichte mit dem Beinamen „der Kleine, der Kurze oder der Jüngere“ ein. Diese beiden Söhne übernahmen nach dem Tode ihres Vaters am 22. Oktober 741 das Hausmeieramt. Eigentlich hätten sie nach fränkischer Sitte mit ihren Halbbrüdern die Besitztümer, das Vermögen und die Ämter ihres Vaters teilen müssen. Als ihr Halbbruder Grifo sich gegen diese Ungerechtigkeit ihm gegenüber zu wehren begann, wurde er im Jahr 753 von Pippins Gefolgsleuten gefangen gesetzt und getötet.

Im Jahr 747 hatte Karlmann bereits beschlossen, seine Mitregentschaft aufzugeben, da es immer wieder zu Zwistigkeiten mit seinem jüngeren Bruder Pippin gekommen war. Zusammen mit seinen Söhnen begab er sich freiwillig oder vielleicht auch gezwungenermaßen in das Kloster Monte Cassino, das er im Jahre 754 auf Wunsch des Langobardenkönigs Aistulf verließ, um sich noch einmal ins Frankenreich zu begeben, mit dem Zweck, das für die Langobarden verhängnisvolle Bündnis zwischen seinem Bruder Pippin und dem Papst zu sprengen. Im Beisein seiner Schwägerin Bertrada, der Gattin seines Bruders Pippin, starb er hier in Vienne, ohne den Krieg seines Bruders gegen die Langobarden verhindern zu können. Pippin der Kleine, der von Mönchen von Saint-Denis erzogen worden war, war überaus ehrgeizig und machtsüchtig. Er wagte noch einmal wie sein Großonkel Grimoald I. den Griff nach der fränkischen Königskrone. Und er war erfolgreich. Dem letzten Spross des Merowingergeschlechtes, dem erst ungefähr sechsjährigen merowingischen Prinzen Theuderich, wurden die Haare geschoren, und dann musste er, wie schon einige seiner Vorfahren vor ihm, den Rest seines Lebens in einem Kloster verbringen (siehe: die Stammtafel der Merowinger 6).

Im November 751 setzte sich Pippin der Kleine schließlich als der „von Gott Auserwählte“ die fränkische Königskrone selbst aufs Haupt und durfte sich sogar mit päpstlicher Genehmigung „König“ nennen. Denn laut des Papstes Zacharias „sei es besser, den als König zu bezeichnen, der die Macht habe, statt den, der ohne königliche Macht sei.“ Der Begriff „König“ kommt übrigens von „kuning“ und bedeutet laut meines Professors H. K. Schulze wahrscheinlich „Mann aus edlem Geschlecht“.

Pippin der Kleine war mit einer Tochter des Grafen Heribert von Laon namens Bertrada († 783) verheiratet. Aus dieser Ehe, die anfänglich eine Friedelehe war und erst einige Jahre später in eine Muntehe umgewandelt wurde2, gingen unter anderen die Söhne Karl der Große († 814) und Karlmann († 771) hervor (siehe: Stammtafel: Die Karolinger 2). Karl der Große wurde laut seines Biografen Einhard, der spätestens im Jahr 796 an seinen Hof kam und der mit ihm vertrauten Umgang pflegte, im Jahr 7423 geboren und war neun Jahre alt, als sein Vater sich zum König erhob. Am 24. September 768 starb Pippin der Kleine, der schon lange unter Wassersucht gelitten hatte, und Karl und sein Bruder Karlmann übernahmen die Königswürde nach fränkischem Brauch gemeinsam. Das Herrschaftsgebiet von Karl umfasste im Wesentlichen Austrien und Neustrien und das von Karlmann Burgund, die Provence, Septimanien, das Elsass und Alemannien. Da aber von diesen ehrgeizigen Brüdern keiner bereit war, auf diese hohe Position als fränkischer König zu verzichten und eventuell ins Kloster zu gehen, schien der Konflikt zwischen ihnen unvermeidlich. Nur der frühzeitige Tod von Karlmann am 4. Dezember 771 verhinderte den drohenden Bruderkrieg. Karlmann hinterließ zwei Söhne, und seine Witwe Gerberga hatte eigentlich das Recht, die Regierung für ihre unmündigen Söhne als deren Regentin zu übernehmen. Karl sah es jedoch anders und vereinigte den Reichsteil des verstorbenen Bruders mit dem seinen. Er erklärte sich damit zum alleinigen Herrscher des gesamten Frankenreichs. Seiner verwitweten Schwägerin und ihren beiden Kindern blieb nur die Flucht zum Langobardenkönig Desiderius, wo sie, nachdem Karl der Große dessen Reich im Jahr 774 erobert hatte, vermutlich in seine Hände gerieten. Wir hören nie wieder etwas von ihr und ihren Kindern.

Karl der Große, der wohl berühmteste Kaiser des Abendlandes, hatte insgesamt zehn Gattinnen. Mit seiner ersten Gattin, Himiltrud, einer Tochter aus adligem Hause, schloss er eine Friedelehe4. Aus ihrer Verbindung ging sein Sohn Pippin der Bucklige (um 765/70-811) hervor. Seine zweite Ehe war eine Muntehe, die er mit der jüngsten Tochter des Langobardenkönigs Desiderius, deren Namen wir nicht kennen, im Jahr 770 oder im Jahr 771 einging. Seine erste Gattin Himiltrud wurde zu diesem Zeitpunkt ins karolingische Hauskloster Nivelles abgeschoben, wo sie noch 15 bis 20 Jahre leben sollte. Gegen Ende des Jahres 771 oder zu Beginn des Jahres 772 hatte Karl der Große jedoch schon genug von seiner zweiten Gattin und verstieß sie, obwohl er dadurch, da es sich um eine Muntehe handelte, die Gefahr einer Fehde heraufbeschwur. Die nächste Ehe, wieder eine Muntehe, führte er mit Hildegard, einer Tochter des fränkischen Grafen Gerold, die vielleicht seine große Liebe in seinem Leben war. Ihre Heirat fand bereits wenige Wochen nach der Verstoßung der langobardischen Prinzessin, im Frühjahr 772, statt. Hildegard schenkte ihrem Gatten neun Kinder: Karl (um 772/73-811), Adelheid (773/74-774), Hruodtrud (um 775-810), Karolomann (777-810), der seit 781 Pippin genannt wurde, die Zwillinge Ludwig (778-840) und Lothar (778-779/80), die nach den großen merowingischen Königen Chlodwig I. und Chlothar II. genannt wurden, Berhta (779/80-823), Gisla (781-nach 814) und Hildegard (782-783).

Nach dem Tod von Hildegard, die am 30. April 783 starb, ging Karl bereits im Herbst 783 erneut eine Muntehe mit einer Fränkin namens Fastrada ein, die ihm die beiden Töchter Theoderada (um 785-nach 844/53) und Hiltrud (um 787-nach 815) schenkte. Vermutlich war Fastrada noch sehr jung, als Karl der Große sie heiratete. Daher konnte sie ihre sexuellen Verpflichtungen im Bett nicht erfüllen. Karl der Große wählte deshalb noch eine andere, ältere Gattin, mit der er sich in Form der Friedelehe verband und die ihm seine Tochter Hruodhaid (um 784-nach 814) gebar.

Nach Fastradas Tod im Jahr 794 heiratete er die Alemannin Luitgard, von der er keine Kinder hatte. Das war seine letzte Muntehe.5 Nach Luitgards Tod im Jahr 800 schloss Karl noch vier weitere Friedelehen.

Seine Friedelfrau Madelgard gebar ihm seine Tochter Ruothild († 852), die Friedelfrau Gersuinda seine Tochter Adalthrud, die Friedelfrau Regina die zwei Söhne Drogo (801-855) und Hugo (802/06-844) und die Friedelfrau Adallinde seinen Sohn Theoderich (807-nach 818). Zu diesen ehelichen Kindern gesellten sich mindestens noch 2 uneheliche Söhne, Ricbodus, der zukünftige Abt von St. Riquier, und Bernard, der zukünftige Abt von Moutier-St.-Jean.6

Karl der Große liebte seine Kinder sehr. Theodulf von Orléans beschrieb sehr bildhaft die Heimkehr des Kaisers von einem Feldzug. Seine jüngeren Söhne hatten schon ungeduldig auf ihn gewartet und stritten sich schließlich darum, wer dem Vater die Handschuhe und das Schwert abnehmen durfte, und seine Töchter überreichten ihm Blumen und Früchte. Dann setzten sich der Kaiser und die Kinder hin und schwatzten und lachten zusammen.7 Aber nicht alle seine Kinder lebten bei ihm. Seine Söhne Pippin und Ludwig hatten sich schon als kleine Kinder in ihre Unterkönigreiche, Italien bzw. Aquitanien, zu begeben, wo sie ihre eigenen Hofhaltungen besaßen.

Seine Friedelsöhne Pippin der Bucklige, Drogo, Hugo und Theoderich hatten nach seinem Tode im Kloster zu leben. Bezüglich seiner Töchter bestimmte Karl im Jahr 806 in der „Divisio regnorum“, dass jene nach seinem Tod das Recht haben sollten, selbst zu entscheiden, welcher ihrer Brüder fortan ihr Muntwalt werden sollte. Außerdem dürften sie selbst bestimmen, ob sie in einem Kloster leben oder heiraten wollten. Ihre Brüder hatten ihnen beide Möglichkeiten zu gestatten.8

Laut Einhard blieben alle seine Töchter unverheiratet. In den Geschichtsbüchern heißt es so schön, er konnte ohne ihre Gesellschaft am Hofe nicht leben. Aber vielleicht ließen und lassen sich die Historiker durch den geistlichen Geschichtsschreiber Einhard irreführen. Einhard nannte nur die Frauen, die mit Karl Muntehen eingegangen waren, „Ehefrauen“, allen anderen Gattinnen, die mit Karl in einer Friedelehe lebten, bezeichnete er, wie es die Kirche propagierte, als „Konkubinen“.

Einige seiner Töchter müssen jedoch verheiratet gewesen sein. Immerhin wissen wir, dass Karls Tochter Hruodtrud einen Sohn namens Ludwig hatte. Der Vater des Kindes ist ebenfalls namentlich bekannt. Es war der Graf Rorico von Maine. Karls Tochter Berhta z. B. war mit einem gewissen Angilbert liiert, mit dem sie die Söhne Harnid und Nithard hatte. Wir können wohl mit Sicherheit davon ausgehen, dass Karl der Große seinen Töchtern keinen außerehelichen Geschlechtsverkehr erlaubte, das heißt, dass sie „in Sünde“ leben durften. Sie müssen daher mit ihren Männern eine Friedelehe geschlossen haben.

„Standesgemäße“ Ehemänner für seine vielen Töchter zu finden, war zu seiner Zeit zudem nicht leicht. Es gab wenige Herrscherhäuser im Abendland, die sich mit dem Geschlecht der Karolinger messen konnten und die somit Schwiegersöhne im Sinne der Muntehe ergaben. Außerdem musste Karl der Große seine Töchter nicht aus dynastischen, politischen oder wirtschaftlichen Gründen mit standesgleichen Männern verheiraten. Seine Macht und sein Ansehen wuchsen dank der Kirche, mit deren moralischen Unterstützung er die anderen germanischen Stämme seinem Reich zufügen konnte.

Näheres über die Person „Karl den Großen“ erfahren wir von seinem Biografen Einhard, der eigentlich sein Minister für öffentliche Arbeiten war und der unter anderem die Errichtung von königlichen Bauten leitete und beaufsichtigte. Da Einhard, geboren im Jahr (oder um) 770, schon als junger Mann an Karls Hof kam und den König persönlich kannte, ist er für uns, was diesen berühmten Kaiser betrifft, ein wichtiger Augenzeuge.

Wie sah nun Karl der Große eigentlich aus? Was liebte er, was hasste er?

Einhard, Karls Biograf, beschrieb ihn folgendermaßen:
„Er [Karl] war von breitem und kräftigem Körperbau, hervorragender Größe, die jedoch das richtige Maß nicht überschritt ‒ denn seine Länge betrug sieben Fuß [entspricht heute: „6 feet 3 inches“ = 1,92 m]9 ‒ der obere Teil seines Kopfes war rund, seine Augen sehr groß und lebendig, die Nase ging etwas über das Mittelmaß, er hatte schöne weiße Haare und ein freundliches, heiteres Gesicht. So bot seine Gestalt, mochte er sitzen oder stehen, eine höchst würdige und stattliche Erscheinung, obwohl sein Nacken dick und zu kurz, sein Bauch etwas hervortretend scheinen konnte: das Ebenmaß der andern Glieder verdeckte das. Er hatte einen festen Gang, eine durchaus männliche Körperhaltung und eine helle Stimme, die jedoch zu der ganzen Gestalt nicht recht passen wollte; seine Gesundheit war gut, außer daß er in den vier Jahren vor seinem Tod häufig von Fiebern ergriffen wurde [hatte er sich in Italien die Malaria zugezogen?] und zuletzt auch mit einem Fuß hinkte. Aber auch damals folgte er mehr seinem eigenen Gutdünken, als dem Rat der Ärzte, die ihm beinahe verhaßt waren, weil sie ihm rieten, dem Braten, den er zu speisen pflegte, zu entsagen und sich an gesottenes Fleisch zu halten. Ständig übte er sich im Reiten und Jagen, wie es die Sitte seines Volks war: denn man wird nicht leicht auf Erden ein Volk finden, das sich in dieser Kunst mit den Franken messen könnte. Sehr angenehm waren ihm auch die Dünste der warmen Quellen; er übte seinen Körper fleißig im Schwimmen und verstand das so trefflich, daß ihn keiner darin übertraf. Darum erbaute er sich auch in Aachen ein Schloß und wohnte in seinen letzten Lebensjahren bis zu seinem Tode ständig darin. Und nicht nur seine Söhne, sondern auch die Vornehmen und seine Freunde, nicht selten auch die ganze Schar seines Gefolges und seiner Leibwächter lud er zum Bad ein, so daß bisweilen hundert Menschen und mehr zusammen badeten.“10 Es wurde überdies erzählt, er hätte „einen bewaffneten Ritter auf seiner Hand vom Boden bis über seinen Kopf hochstemmen und vier Hufeisen auf einmal zusammenbiegen können.“11

Karl der Große
Das Original des Porträts von Karl dem Großen, von dem wir leider nur noch diese Kopie besitzen, wurde zwischen 796 und 800 für die große Empfangshalle im Lateran in Auftrag gegeben. Es zeigt ihn mit dem für ihn charakteristischen kurzgeschnittenen Haar und dem gestutzten Schnurrbart.

Karl der Große liebte es zudem, sich schlicht auf vaterländische fränkische Weise zu kleiden. Wie er es mit der Freundschaft und wie er es mit dem Essen und Trinken hielt, wie er seine Pflichten erfüllte, und welche Bedeutung bei ihm die wissenschaftliche Ausbildung hatte, darüber informiert uns Einhard ebenfalls:
„Denn er hatte ein für Freundschaft äußerst empfängliches Gemüt; er war ihr leicht zugänglich, hielt sie unverbrüchlich fest und bewies gegen alle diejenigen heilige Treue, zu denen er in solch ein Verhältnis getreten war. Um die Erziehung seiner Söhne und Töchter war er so besorgt, daß er zu Hause niemals ohne sie speiste, nie ohne sie eine Reise machte: seine Söhne ritten ihm zur Seite, seine Töchter aber folgten ihm im hintersten Zug und eine Schar von Leibwächtern war zu ihrem Schutze bestellt ... In Speise und Trank war er mäßig, mäßiger jedoch noch im Trank, denn die Trunkenheit verabscheute er an jedem Menschen aufs äußerste, geschweige denn an sich und den Seinigen. Im Essen jedoch konnte er nicht so enthaltsam sein, vielmehr klagte er häufig, daß das Fasten seinem Körper schade. Höchst selten gab er Gastmähler, nur bei besonderen festlichen Gelegenheiten, dann jedoch in zahlreicher Gesellschaft. Auf seine gewöhnliche Tafel ließ er außer dem Braten, den ihm die Jäger am Bratspieß zu bringen pflegten und der ihm lieber war als jede andere Speise, nur vier Gerichte auftragen. Während der Tafel hörte er gerne Sänger oder einen Vorleser. Er ließ sich die Geschichten und Taten der Alten vorlesen; auch an den Büchern des heiligen Augustinus hatte er seine Freude, besonders an denen, die »Vom Gottesstaat« betitelt sind. Im Genuß des Weins und jeglichen Getränks war er so mäßig, daß er bei Tisch selten mehr als dreimal trank. Im Sommer nahm er nach dem Mittagessen etwas Obst zu sich und trank einmal, dann legte er Kleider und Schuhe ab, wie er es bei Nacht tat, und ruhte zwei bis drei Stunden. Nachts unterbrach er den Schlaf vier- oder fünfmal, indem er nicht nur aufwachte, sondern auch aufstand. Während er sich ankleidete, ließ er nicht allein seine Freunde vor, sondern wenn der Pfalzgraf von einem Rechtsstreit sprach, der nicht ohne seinen Ausspruch entschieden werden könne, so ließ er die streitenden Parteien sofort hereinführen und sprach nach Untersuchung des Falls das Urteil, als säße er auf dem Richterstuhl; und das war nicht das einzige, sondern was es für diesen Tag von Geschäften zu tun und seinen Beamten aufzutragen gab, das besorgte er zu dieser Stunde.
Er sprach wortreich und sicher und er konnte leicht und klar ausdrücken, was er wollte. Es genügte ihm jedoch nicht seine Muttersprache, sondern er verwendete auch großen Fleiß auf die Erlernung fremder Sprachen: im Lateinischen brachte er es so weit, daß er es wie Deutsch sprach, das Griechische aber konnte er besser verstehen, als selber sprechen. Dabei war er so beredt, daß er fast geschwätzig erscheinen konnte. Die edeln Wissenschaften pflegte er mit großer Liebe, die Lehrer in denselben schätzte er ungemein und erwies ihnen große Ehren. In der Grammatik nahm er Unterricht bei dem Diakonus Petrus von Pisa, einem hochbejahrten Mann, in den übrigen Wissenschaften ließ er sich von dem Diakonus Albinus, mit dem Beinamen Alkoin, unterweisen, einem in allen Fächern gelehrten Mann, der von sächsischem Geschlecht war und aus Britannien stammte. In dessen Gesellschaft wandte er viel Zeit und Mühe auf, um sich in der Rhetorik, Dialektik, besonders aber in der Astronomie unterrichten zu lassen. Er erlernte die Kunst zu rechnen und erforschte mit emsigem Fleiß und großer Wißbegierde den Lauf der Gestirne. Auch versuchte er zu schreiben und pflegte deswegen Tafel und Büchlein im Bett unter dem Kopfkissen aufzubewahren, um in müßigen Stunden seine Hand an die Gestaltung von Buchstaben zu gewöhnen. Jedoch brachte er es hierin mit seinen Bemühungen nicht weit, da er es zu spät angefangen hatte.“
12

Vergessen werden darf bei der Charakterisierung des Königs jedoch nicht, dass dieser, der mit Leib und Seele Krieger war und der das Schlachtengetümmel über alles liebte, aus reiner Machtgier fast ständig Kriege führen ließ. So zog er in den ersten drei Jahrzehnten seiner Herrschaft jedes Jahr an der Spitze seines fränkischen Heeresaufgebotes ins Feld. Er zögerte auch nicht, unliebsame Gegner, selbst wenn es sich hierbei um seine zwei kleinen Neffen, die Söhne seines im Jahr 771 verstorbenen Bruders Karlmann, handeln sollte, zu beseitigen und das Leben Tausender von Menschen auszulöschen. So lesen wir bei Einhard: „Dies sind die Kriege, die der allermächtigste König in den siebenundvierzig Jahren seiner Herrschaft in verschiedenen Ländern mit größter Klugheit und ebensoviel Erfolg geführt hat … Denn vorher gehörte nur der zwischen Rhein, Loire, dem Ozean und dem balearischen Meer gelegene Teil Galliens und von Germanien der Teil zwischen Sachsen, Donau, Rhein und der Thüringen von den Sorben trennenden Saale, der von den sogenannten Ostfranken bewohnt wird, zum Frankenreich. Dazu kamen noch die Alemannen und Bayern. Durch die erwähnten Kriege hat Karl zuerst Aquitanien, dann die Gascogne, das gesamte Pyrenäengebirge und das Gebiet bis zum Ebro unterworfen … Dann fügte er ganz Italien hinzu, das von Aosta über mehr als tausend Meilen bis Südkalabrien reicht, wo bekanntlich die Grenze zwischen Griechen und Beneventanern verläuft. Er unterwarf ferner Sachsen …, beide Pannonien, das angrenzende Dacien, auch Istrien, Liburnien und Dalmatien … Schließlich unterwarf er alle barbarischen und wilden Volksstämme, die Germanien zwischen Rhein, Weichsel, Meer und Donau bewohnen, und machte sie tributpflichtig …“13

Laut Einhard führten diese Eroberungskriege und Massenhinrichtungen wie z. B. die im Herbst 782 in Verden an der Aller, bei der 4.500 Sachsen ihr Leben verloren, aber schließlich zu folgendem Ergebnis: „Er [Karl] hat das Reich der Franken, das er von seinem Vater schon groß und mächtig übernommen hatte, so herrlich erweitert, daß sein Umfang fast verdoppelt wurde [es betrug bei seinem Tode ungefähr eine Million Quadratkilometer!].“14 Die bevorzugten Aufenthaltsorte von Karl dem Großen waren übrigens Frankfurt, Mainz, Worms, Diedenhofen (= Thionville), Herstal und Aachen.

Weihnachten 800 (vielleicht schon am 23. Dezember) wurde er dann vermutlich gegen seinen eigenen Willen vom Papst zum Kaiser gekrönt. Diese Kaiserkrönung, so sollte er sich geäußert haben, war ihm so zuwider, dass er, wenn er sie geahnt hätte, die Kirche trotz des hohen christlichen Festtages nicht betreten hätte. Denn anstatt wie sein Vater sich diese Krone selbst auf das Haupt zu setzen und anschließend die Krönung vom Papst bestätigen zu lassen, konnte Letzterer sich fortan rühmen, ihn mit dieser Ehre ausgestattet zu haben. Die päpstliche Gewalt war somit für jedermann sichtbar der kaiserlichen Gewalt übergeordnet.15

Karls unbehagliches Gefühl bei dieser Krönung sollte sich in der Zukunft als richtig erweisen. Im gesamten Mittelalter sollte von den Päpsten schließlich an diese Kaiserkrönung Weihnachten 800 erinnert werden: „Sie [die Päpste] bestanden darauf, Kaiser könne nur werden, wer nach Rom komme und die Krone aus der Hand des Oberhaupts der römischen Kirche empfange. Die Franken hatten dagegen eine ganz andere Kaiseridee … Als Karl 813 beschloß, seinen Sohn Ludwig an der Herrschaft zu beteiligen, krönte er ihn in Aachen eigenhändig, ohne daß sich der Papst einschaltete. So standen sich zwei Reichsideen gegenüber, in denen bereits der künftige Konflikt zwischen Papsttum und Kaisertum angelegt war, der die ganze mittelalterliche Geschichte des Abendlandes bestimmen sollte.“16 Denn Karl der Große beanspruchte die Kontrolle über den gesamten Klerus, einschließlich des Papstes. Er ernannte die Bischöfe und Äbte in seinem Reich, die in der überwiegenden Mehrheit aus den adligen Familien seiner Gefolgschaft stammten und die er als seine Vasallen betrachtete. Noch unter seinem Enkel Karl dem Kahlen hatte der Inhaber eines geistlichen Amtes wie z. B. ein zukünftiger Abt oder Bischof nach Erhalt des Krummstabes, des Symbols seiner Würde, folgenden Gefolgschaftseid abzulegen wie hier z. B. Hinkmar von Laon: „Ich, Hinkmar, Bischof von Laon, werde künftig, von dieser Stunde an, meinem Herrn Karl [dem Kahlen] treu sein, wie von Rechts wegen ein Vasall seinem Herrn und ein Bischof seinem König. Und ich werde gehorsam sein, wie von Rechts wegen ein Vasall gegenüber seinem Herrn und ein Bischof Christi gehorsam sein müssen. Ich werde dies tun, so wie ich es verstehe und vermag, entsprechend dem Willen Gottes und um das Heil des Königs zu sichern.“17 Zu den Verpflichtungen der geistlichen Vasallen gehörte übrigens auch der Heeresdienst.

Der Kaiserstuhl Karls des Großen im Aachener Dom
Der Kaiserstuhl Karls des Großen im Aachener Dom

Von den erbberechtigten Söhnen Karls des Großen waren um Weihnachten 800 noch Karl († 811), Karolomann († 810), der, wie bereits erwähnt, seit 781 „Pippin“ genannt wurde, und Ludwig († 840) am Leben. Karl der Große musste aber vor seinem eigenen Tod noch das Sterben weiterer seiner geliebten Kinder miterleben. So starb seine Tochter Hruodtrud im Jahre 810, sein Sohn „Pippin“ am 7. Juli 810 und sein Sohn Karl am 4. Dezember 811. Von seinen erbberechtigten Söhnen überlebte ihn daher nur sein Sohn Ludwig, den er am 11. September 813 in Aachen ohne die Mithilfe des Papstes zum Mitkaiser erhob. Der zeitgenössische Chronist Thegan schrieb hierzu: „Kraft eigenen Rechts übertrug Karl dem Sohn die Kaiserkrone.“

Am 28. Januar 814 folgte Karl der Große schließlich um 9 Uhr morgens seinen bereits gestorbenen geliebten Gattinnen und Kindern. Er hatte sich vermutlich eine Rippenfellentzündung zugezogen. Die Beerdigung im Aachener Dom fand gemäß der Tradition seiner Zeit noch am Tag seines Hinscheidens statt. Wie die letzten Monate des Kaisers aussahen, beschrieb wiederum Einhard:
„Nachdem er [Karl] hierauf seinen Sohn [Ludwig] nach Aquitanien wieder entlassen hatte, zog er, wie es seine Gewohnheit war, obgleich schon sehr entkräftet vom Alter, nicht weit von Aachen auf die Jagd. Damit verbrachte er den Rest des Herbstes und kehrte dann gegen Anfang November nach Aachen zurück. Hier wollte er den Winter über verweilen; aber im Januar mußte er sich, von einem heftigen Fieber ergriffen, zu Bett legen. Er enthielt sich sogleich, wie er es beim Fieber immer tat, des Essens, in der Meinung, durch Hungern die Krankheit bezwingen oder wenigstens lindern zu können; als aber zum Fieber noch Seitenschmerzen hinzutraten, welche die Griechen Pleuresis [Pleuritis = Brustfell- oder Rippenfellentzündung] nennen, und er immer noch seine Hungerkur fortsetzte und seinen Leib nur durch spärliches Trinken stärkte, starb er, nachdem er zuvor das heilige Abendmahl genossen hatte, am siebenten Tag der Krankheit, im Alter von 72 Jahren, am 28.1. in der dritten Stunde des Tages.“18 Im Jahr 1165 wurde er auf die Initiative des Kaisers Friedrich Barbarossa hin vom staufertreuen Gegenpapst Paschalis III. heilig gesprochen.

Ludwig der Fromme
Ludwig der Fromme, der nächste Kaiser der Karolinger

Karls Sohn und Nachfolger, Ludwig, der wegen seiner tiefen Frömmigkeit von der Nachwelt den Beinamen „der Fromme“ erhielt und der im Jahr 814 drei erbberechtigte Söhne aus seiner Ehe mit Irmingard (oder Ermengard) aufwies (siehe: Stammtafel: Die Karolinger 3), ließ im Jahre 817 auf einem Aachener Reichstag das traditionelle Erbrecht seiner Familie ändern, indem er anordnete, dass nach seinem Tode das Reich nicht mehr nach der bisherigen merowingisch-karolingischen Tradition unter seinen Söhnen gleichmäßig aufgeteilt werden dürfte, sondern dass nur noch sein ältester Sohn Lothar (795-855) aus seiner Ehe mit Irmingard die Nachfolge von ihm antreten sollte. Er führte damit das Erstgeburtsrecht ein, um die Einheit des Reiches nach seinem Tod zu sichern. Damit seine Großen in seinem Reich sehen konnten, dass es ihm mit dieser neuen Nachfolgeregel wirklich ernst war, ließ er schon in diesem Jahr, also im Jahr 817, seinen Sohn Lothar unter allgemeiner, und wie er betonte, von Gott inspirierter Zustimmung zum Mitkaiser und zu seinem Nachfolger wählen und krönen. Lothars Brüder Pippin (797-838) und Ludwig II. (806-876) wurden ihrem ältesten Bruder politisch eindeutig untergeordnet und mussten sich mit den ihnen zugewiesenen Unterkönigreichen Aquitanien bzw. Bayern zufriedengeben. Nur in dem Falle, dass Lothar ohne Erben sterben sollte, bestand für sie, aber auch wiederum nur für einen von ihnen, die Möglichkeit, Kaiser und König des Frankenreichs zu werden.

Der weise Erbfolgeplan, der den endlosen fränkischen Bruderkriegen der Königsfamilien der Merowinger und Karolinger ein Ende bereitet hätte, wurde durch Ludwigs weitere Ehe mit der sehr schönen, klugen, aber auch sehr ehrgeizigen Judith († 843), einer Tochter des bayerischen Grafen Welf und dessen Gattin, der edlen Sächsin Eigilwi, aufgehoben. Judith wollte nämlich auch ihren Sohn Karl (823-877), der später den Beinamen „der Kahle“ erhielt, weil er schon als junger Mann kahlköpfig war, mit Herrschaften wie seine drei älteren Halbbrüder ausgestattet wissen. Dadurch wurde im Februar 831 der Einheitsgedanke völlig aufgegeben. Ludwig der Fromme entwarf zu diesem Zeitpunkt in Aachen „eine neue Reichsteilung zwischen Pippin, Ludwig dem Deutschen und Karl [dem Kahlen]. Danach erhielt jeder ein Teilreich möglichst gleicher Größe, Lothar wurde auf Italien beschränkt. Die Teilkönige waren dem Kaiser, solange er lebte, zu bedingungslosem Gehorsam und vollständiger Unterordnung verpflichtet. Nach seinem Ableben sollten die drei Reichsteile aber selbständig werden, ihre Herrscher waren nur zur gemeinsamen Grenzverteidigung und zum gemeinsamen Schutz der römischen Kirche verpflichtet.“19

Lothars Mitregentschaft war damit beendet. Als sein Bruder Pippin im Jahr 838 starb, wurden dessen beiden Söhne Pippin und Karl von ihrem Großvater Ludwig dem Frommen allerdings erbrechtlich übergangen, und so blieben am 20. Juni 840, am Todestag Ludwigs des Frommen, nur noch Lothar, Ludwig (II.) und Karl (II.), Letzterer stark unterstützt von seiner Mutter Judith, im Kampf um die Kaiserkrone übrig. Es kam schließlich zum offenen Bruderkrieg von Ludwig und Karl gegen Lothar, der am 25. Juni 841 von seinen jüngeren Brüdern bei Fontenoy in der Nähe von Auxerre in einer sehr blutigen Schlacht besiegt werden konnte.

Am 14. Februar 842 konnte dieser Bruderkrieg schließlich durch die Straßburger Eide, die in romanischer und in althochdeutscher Sprache geleistet wurden, beendet werden, und im August 843 wurde im Vertrag von Verdun das Reich Karls des Großen endgültig geteilt: „Der Wortlaut des Vertrages ist nicht überliefert, aber es gibt genügend mittelbare Zeugnisse für die Abgrenzung der drei Teilreiche, deren Kernländer Aquitanien, die Lombardei und Bayern waren. Lothar behielt den Kaisertitel, sein Reich erstreckte sich von der Nordsee bis an die Grenzen Benevents und umfaßte so die beiden Kaiserstädte Aachen und Rom. An Karl den Kahlen fiel alles Gebiet westlich einer Linie, die in etwa den Flußläufen von Maas, Schelde, Saône und Rhône folgte. Ludwig der Deutsche erhielt die Reichsteile östlich des Rheins und nördlich der Alpen.“20

Die Staatsgebilde, die Ludwig der Deutsche und sein Halbbruder Karl der Kahle erhielten, umfassten entweder nur germanisches oder nur romanisches Volkstum. Sie legten daher die Grundlage für die Bildung eines zukünftigen deutschen und eines zukünftigen französischen Staates.

P.S.: Karl der Kahle, der die Ursache war, dass man sich nicht mehr an das Erstgeburtsrecht des Jahres 817 hielt, was zu endlosen Kriegen führen sollte, war ein einsamer Mann, dem seine eigene Familie viel Kummer bereitete: „Seine älteste Tochter Judith hatte Namen und Temperament der Großmutter geerbt. Sie wurde aus politischen Motiven nacheinander mit zwei angelsächsischen Königen verheiratet, floh dann aber mit dem Grafen Balduin I. von Flandern. Ludwig, 846 geboren, hatte Sprachschwierigkeiten, die ihm den Namen »der Stammler« einbrachten, er war leicht zu beeinflussen und wenig verläßlich. Karl, der zweite Sohn kam ein Jahr später zur Welt, er wurde aufgrund einer Verletzung geistesgestört und starb sehr jung [mit ungefähr 18 Jahren]. Der vierte, Lothar, lahmte von Geburt an und war deswegen zum Eintritt in ein Kloster bestimmt. Und Karlmann, der in den geistlichen Stand getreten war, wurde nacheinander Abt von Saint-Médard, Saint-Germain-d’Auxerre, Saint-Amand, Saint-Riquier, Lobbes und Saint-Arnoul. Er empörte sich im Jahr 870 gegen seinen Vater, trat als regelrechter Bandenführer auf, wurde 873 zur Blendung verurteilt und endete elend in einem Kloster.“21

Buchtipps:

  • Einhard: Das Leben Karls des Großen. Übersetzt von Wilhelm Wattenbach. Essen und Stuttgart 1986
  • Alessandro Barbero: Charlemagne – Father of a Continent. Berkeley, Los Angeles and London 2004
  • Pierre Riché: Die Karolinger – Eine Familie formt Europa. Stuttgart 19922
  • Martina Hartmann: Die Königin im frühen Mittelalter. Stuttgart 2009

Endnoten:

  1. Reinhard Lebe: War Karl der Kahle wirklich kahl? – Historische Beinamen – und was dahintersteckt, München 1990, S. 19
  2. Alessandro Barbero: Charlemagne – Father of a Continent, Berkeley, Los Angeles and London 2004, S. 132
  3. Alessandro Barbero: Charlemagne – Father of a Continent, id., pp. 11-12; für diesen Autoren gibt es wie für mich keinen Zweifel, dass Karl der Große am 2. April 742 geboren wurde, denn nicht nur Einhard, sondern zeitgenössische königliche Annalen und die Inschrift auf dem Grab des Kaisers in Aachen, erklären uns, dass Karl der Große zur Zeit seines Todes „ein Siebzigjähriger“ war, der am 2. April das Licht der Welt erblickte: p. 12: “... even though some German historians have suggested a much later date [747/48], albeit without too much evidence.”
  4. Alessandro Barbero: Charlemagne – Father of a Continent, id., p. 133
  5. Alessandro Barbero: Charlemagne – Father of a Continent, id., p. 138
  6. Alessandro Barbero: Charlemagne – Father of a Continent, id., p. 139
  7. MGH [Monumenta Germaniae Historica], Poetae Latini aevi Karolini, I: 485-86
  8. Martina Hartmann: Die Königin im frühen Mittelalter, Stuttgart 2009, S. 191
  9. Alessandro Barbero: Charlemagne – Father of a Continent, id., p. 118
  10. Einhard, Das Leben Karls des Großen, übersetzt von Wilhelm Wattenbach, Essen und Stuttgart 1986, S. 71-72
  11. Karl Rudolf Schnith (Hg.): Mittelalterliche Herrscher in Lebensbildern – Von den Karolingern zu den Staufern. Graz, Wien und Köln 1990, S. 39
  12. Einhard, ebenda, S. 69, 73-75
  13. Pierre Riché, Die Karolinger – Eine Familie formt Europa, Stuttgart 19922, S. 115
  14. Einhard, ebenda, S. 60
  15. Napoleon sollte diesen Fehler bei seiner Kaiserkrönung nicht machen. Er lud den Papst zwar zu dieser Feier ein, aber er setzte sich die Krone selbst auf den Kopf.
  16. Pierre Riché: Die Karolinger – Eine Familie formt Europa, ebenda, S. 155
  17. Pierre Riché: Die Karolinger – Eine Familie formt Europa, ebenda, S. 338
  18. Einhard, ebenda, S. 79-80
  19. Pierre Riché: Die Karolinger – Eine Familie formt Europa, ebenda, S. 188
  20. Pierre Riché: Die Karolinger – Eine Familie formt Europa, ebenda, S. 201
  21. Pierre Riché: Die Karolinger – Eine Familie formt Europa, ebenda, S. 230

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