Meister AG von 1540: Jünglingsbildnis
Penishalter statt Büstenhalter
Der Hosenlatz, der die beiden Beinstrümpfe im vorderen Körperbereich miteinander verband, entwickelte sich im Laufe des 15. Jhs. zur Schamkapsel oder Braguette weiter. Im 16. Jh., als beim männlichen Geschlecht die bombastischen Kniehosen mit ihren Bauschen, Puffen, Schlitzen und Schleifen heiß begehrt waren, wiesen diese Schamkapseln schließlich die Größe eines Kinderkopfes auf. In Spanien sollen sie um 1560 „mit einem nie mehr zu überbietenden Grad an Deutlichkeit“ das männliche Geschlechtsteil ausstaffiert haben. Zudem nahmen die Schamkapseln durch Verzierungen aller Art immer auffallendere Formen an. Während bei uns heute die Frauen ihre Brüste durch entsprechende Halter in die richtige Form zu bringen haben, konnten die Männer im 15./16. Jh. ihr Prachtstück je nach Lust und Laune mehr oder weniger zur Schau stellen. Und obwohl eine Flut von Strafpredigten und Moralvorschriften im 15. und 16. Jh. erlassen wurden, blieben die Herren ihren Schamkapseln bis zum Ende des 16. Jhs. treu.
Der Bischof Musculus aus Frankfurt schrieb im Jahre 1555 dazu Folgendes: „Unsere jungen Kumpanen lassen den Latz vorn mit dem Höllenfeuer und dem Lappen über die Maßen groß machen, so daß der Teuffel darin sitzt und zu allen Seiten hinausschaut, allein zum Ärgernis und bösen Beispiel, ja zur Verlockung und Verführung armer, wahnsinniger und unschuldiger Mädchen.“ (in: Erika Thiel: Geschichte des Kostüms, Berlin 1980, S. 170)
Der Jüngling im obigen Bildnis mit der Verlobungsnelke zeigt sich seiner Verlobten somit gemäß der Mode seiner Zeit.