Bronzino: Dame in rotem Kleid
Die Emanzipation der Frau
Wie zu Beginn des Christentums so schienen sich die Frauen auch zu Beginn der Reformationszeit emanzipieren zu können. So traten sie als Predigerinnen auf, stiegen selbst auf die Kanzel, lasen aus der Bibel vor und führten Streitgespräche mit den Pastoren. Aber schon bald war es mit der Gleichheit von Mann und Frau wieder vorbei. Die Frau hatte sich ihrem Vater oder ihrem Gatten erneut zu unterwerfen. Die einzige wirkliche Neuerung im christlichen Europa war, daß man Männer, die ihre Frauen schlugen, vor das Konsistorium zitierte und mit der Verweigerung des Abendmahles bedrohte. Es wurde wieder still um die reformierten Frauen. Nur einige Katholikinnen gaben ihren Kampf um die Gleichberechtigung nicht auf. So drängte die Äbtissin von Tournai, Marie Dentière, die Frauen, über die Heilige Schrift zu sprechen und zu schreiben, und die Schriftstellerin und Dichterin Louise Labé forderte ihre Geschlechtsgenossinnen auf, ihr Haupt ein wenig über ihren Spinnrocken zu erheben. Schärfer ging die Dichterin Marie le Jars de Gournay mit den Männern zu Gericht: „... daß die Inkarnation von Jesus als Mann keine besondere Ehre für das männliche Geschlecht sei, sondern bloße historische Zweckdienlichkeit; denn bei der patriarchalischen ‚Böswilligkeit‘ der Juden wäre ein weiblicher Erlöser nie akzeptiert worden.“ (in: Natalie Zemon Davis: Humanismus, Narrenherrschaft und die Riten der Gewalt, Frankfurt a. M. 1987, S. 98).