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Begegnungen mit Zeitgenossen der Renaissance

Herzlich willkommen in der Renaissance!


Vorwort

Im Mittelalter verdienten sich die Maler ihren Lebensunterhalt mit dem Erstellen von Andachtsbildern und Altartafeln. Die Auftraggeber waren hohe Kleriker, mächtige Adlige und seit dem 14. Jh. immer häufiger auch reiche Patrizier und Großkaufleute. Die Bildthemen entnahmen die Künstler der Bibel. Besonders Marias Geburt, Marias Verkündigung, Marias Heimsuchung, Jesus' Geburt, Jesus' Folterung und Jesus' Kreuzigung waren sehr gefragte Motive. Auch Heiligen- sowie Märtyrerdarstellungen und Werke, die mit sadistischen Gelüsten die Qualen des Jüngsten Gerichtes, des Fegefeuers und der Hölle offenbarten, waren äußerst beliebt.

Im 15. Jh. trat jedoch ein Wandel ein. Die Kirche bzw. die Kleriker und die Mönche hatten vor dem Volk ihre Autorität und Glaubwürdigkeit verloren. Die kirchlichen Dogmen wurden vehement kritisiert, gleichzeitig hielten die Wissenschaften ihren Einzug. Diesseitigkeit, Bildung und Individualität verdrängten Jenseitigkeit, unterwürfige Gläubigkeit und Demut. Der Mensch sollte endlich im Mittelpunkt des menschlichen Interesses stehen. Für die Künstler wie Robert Campin († 1444), Rogier van der Weyden († 1464), Hans Memling († 1494), Jan van Eyck († 1441), um nur einige hervorragende Maler des 15. Jhs. zu nennen, bedeutete das ein neues, zusätzliches Betätigungsfeld: die Porträtmalerei. Denn wer immer es sich leisten konnte, wollte seinen Bekannten, Verwandten und Freunden in der Ferne ein Erinnerungszeichen überlassen, das seinen Tod überdauerte. „Die Malerei birgt in sich, daß die Toten nach vielen Jahrhunderten noch zu leben scheinen, so daß wir sie mit hoher Bewunderung für den Künstler und mit großer eigener Lust wieder und wieder betrachten ... So ist es denn sicher, daß die Gestalt eines schon längst Verstorbenen durch die Malerei ein langes Leben lebt.“ (aus Leon Battista Albertis Schrift: „De Pictura“ aus dem Jahre 1435/36, in: Peter Strieder: Die Bedeutung des Porträts bei Albrecht Dürer, S. 84-99, in: Albrecht Dürer: Kunst einer Zeitenwende, hrsg. von Herbert Schade, Regensburg 1971).

Herzog Philipp der Gute
Abb. 1: Der König in der Mitte trägt die Gesichtszüge des burgundischen Herzogs Philipp des Guten († 1467), der junge König (rechts im Bild) das Antlitz von dessen einzigem Sohn, Karl dem Kühnen († 1477). Beim König auf der linken Seite müsste es sich um den burgundischen Herzog Johann Ohnefurcht handeln, der im Jahr 1419 ermordet wurde. Der Maler dieser Szene, Rogier van der Weyden, ist ebenfalls anwesend. Von den vier Männern im rechten Hintergrund, die Zeugen dieses heiligen Ereignisses sind, ist er der Herr ganz rechts.
Heilige Szene
Abb. 2: Der Stifter (links) hält sich dezent im Hintergrund dieser heiligen Szene.

Das erste Entwicklungsstadium der Bildniskunst zu Beginn des 15. Jhs. war noch eng verknüpft mit der Andachts- und Altarmalerei. Die Künstler fügten die Porträts ihrer Auftraggeber in biblische Szenen ein. So versahen sie bei der Darstellung von der Anbetung der heiligen drei Könige meistens den zweitältesten König, Balthasar, oder den jüngsten König, Caspar, mit den Zügen ihres fürstlichen Dienstherrn (Abb. 1). Schließlich ging man im 14., im 15. und in der ersten Hälfte des 16. Jhs. sogar soweit, Gott, Jesus Christus und sämtliche Heiligen mit den Gesichtern der großen und kleinen Adligen und ihrer Familienmitglieder zu versehen. Bürgerliche Auftraggeber wurden hingegen im gesamten Abendland bei Jesus' Geburt oder bei Marias Anbetung des Kindes häufig als zufällig anwesendes Hirtenpaar wiedergegeben oder hielten sich als Betrachter dezent im Hintergrund (Abb. 2).

Willem Moreel und Söhne
Abb. 3: Willem Moreel, der Herr von Oost-Cleyghem und Bürgermeister von Brügge (zwischen den Jahren 1478 und 1483), mit seinen fünf Söhnen und seinem Lieblingsheiligen, dem Heiligen Wilhelm von Malavalle
Barbara van Vlaenderberch
Abb. 4: Barbara van Vlaenderberch, die Gattin des Willem Moreel, mit ihren elf Töchtern und ihrer Lieblingsheiligen, der Heiligen Barbara

Im Laufe des 15. Jhs. nutzte man das Devotionsdiptychon und -triptychon zur Porträtdarstellung. Auf dem Devotionsdiptychon, dem zweiteiligen Klappaltärchen, wurde auf der einen Tafelhälfte der Stifter oder die Stifterin und auf der anderen Tafelhälfte dessen Lieblingsheiliger oder deren Lieblingsheilige verewigt. Auf dem Triptychon, dem dreiteiligen Klappaltar, befanden sich die Auftraggeber zunächst im mittleren Hauptbild wieder, wurden aber bald kniend, betend und von ihren Schutzpatronen geleitet, auf die Flügel verbannt. Immer häufiger ließen sie sich dort im Kreise ihrer Familien abbilden. Streng nach Geschlechtern geschieden, erschienen der Vater und seine Söhne auf dem linken (Abb. 3), die Mutter und ihre Töchter auf dem rechten Flügel (Abb. 4). Ein Kreuz und bei Kindern zuweilen ein ihren Kopf schmückender Blütenkranz deuteten an, daß einige der Familienmitglieder inzwischen schon verstorben waren. Leider fügten die Künstler diesen Werken sehr selten Namensbeischriften und Altersangaben hinzu, so daß wir über die Dargestellten häufig keine Informationen besitzen.

In der zweiten Hälfte des 15. Jhs. löste sich die Bildniskunst schließlich völlig von der Andachtsmalerei. Porträts waren mittlerweile gefragt wie nie zuvor und später. Die Porträtmaler, die Gesellschaftsphotographen des 16. Jhs., legten sehr großen Wert auf die äußerliche, physische Ähnlichkeit. Alle Linien und Flächen, jede Unregelmäßigkeit, jeder Schönheitsfehler des menschlichen Antlitzes wurden peinlich genau wiedergegeben. Was für ein Glück für uns! So lernen wir die äußere Erscheinung von Menschen aus dem 15./16. Jh., deren Werke wir lesen, deren Ideen und Schicksale uns berühren, kennen und werden mit ihnen noch vertrauter. Dieser Porträtmalerei ist es zu verdanken, daß wir „ein Gesicht vor Augen haben“, wenn Namen wie Martin Luther, Thomas More oder Heinrich VIII., Elizabeth I., Katharina de' Medici oder Maria Stuart fallen.

Bianca Maria Visconti
Abb. 5: Bianca Maria Visconti, die Herzogin von Mailand, in starrer Profildarstellung

Die Einzelporträtmalerei, bei der anfänglich nur der Kopf, der Hals und ein Teil der Brust des Auftraggebers oder der Auftraggeberin bildlich festgehalten wurden, entwickelte sich im Laufe des 15./16. Jhs. noch weiter. Gab man in Italien z.B. die Dargestellten zunächst in starrer Profilstellung wieder (Abb. 5), zeichnete man in Deutschland und in den Niederlanden den Kopf bereits in halbem Profil, in der Regel in der Wendung nach links, zuweilen auch in der Ansicht von vorn. Schon bald fügte man den Oberleib und die Hände, die entweder mit einem Rosenkranz, einem Ring oder einer Blume versehen worden waren, hinzu. Seit der zweiten Hälfte des 15. Jhs. verzichteten die männlichen und weiblichen Auftraggeber auf das bis dahin noch schlichte Gewand und stellten ihren Reichtum und Schmuck protzig zur Schau. Der Hintergrund der Gemälde wurde zudem nicht mehr in einer eintönigen Farbe gehalten, sondern mit einer Mauerwand einschließlich Fenster oder einem Ausblick auf die Stadt oder die Landschaft aufgelockert.

Die Wappen, die Symbole (bzw. Embleme) und das Alter der porträtierten Personen wurden immer häufiger auf dem Bildgrunde angebracht. Die Knie und letztendlich die gesamte Gestalt des Dargestellten erschienen. Im Laufe des 16. Jhs. war außerdem spontane Bewegung statt der bisherigen starren Haltung gewünscht. Wie Moment-Aufnahmen aus einem geschäftigen Leben sollten die Bilder wirken (Abb. 6 und Abb. 7)!

Ein einziges großes Handicap hatte die Bildniskunst. Sie war für Otto-Normalverbraucher unerschwinglich. So erstaunt es nicht, daß auf den Bildern im 15./16. Jh. meistens Angehörige von europäischen Königshäusern, hohe Kleriker, reiche Kaufleute und wohlhabende Bürger zu finden sind.

Zuweilen entdeckt man beim Durchforsten der Kunstgalerien auch Menschen aus den unteren Gesellschaftsschichten, die den Künstlern wie Hans Holbein dem Älteren († 1524), die ständig auf Motivsuche nach markanten Gesichtern waren, Modell gestanden hatten. Nur sind von diesen Dargestellten leider in den seltensten Fällen Informationen zu finden. Aber ihre ausdrucksvollen Gesichter haben die Jahrhunderte überlebt, und so sind auch sie dank der Porträtmaler unsterblich geworden.

Orazio da Melzi
Abb. 6: Ein Schneider ließ sich hier beim Zuschneiden eines Stoffes darstellen.
Der Lesende
Abb. 7: Beim Lesen gestört worden!

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