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Damals, im 16. Jahrhundert ...

Gott und die hohen Adeligen

Auch im 16. Jahrhundert war man zumindest bei den Adeligen von der von Gott gewollten Ständegesellschaft des Mittelalters noch vollkommen überzeugt. Gott war dafür verantwortlich, in welchen Stand man hineingeboren wurde, ob man also als hoher oder niederer Adliger, als Bürger oder als Bauer das Licht der Welt erblickte. Die hohen Adligen und die hohen Kleriker – zumeist ebenfalls hohe Adlige – waren zudem fest davon überzeugt, dass sie im Gegensatz zu den anderen Ständen Gott besonders nah standen. Daher hatten die hohen Adligen und ihre Familienmitglieder auch das Recht, Gott, Jesus Christus und sämtlichen Heiligen auf den Altartafeln ihr Gesicht zu „leihen“. In der folgenden zeitgenössischen Quelle, in einer Rede des hessischen Landgrafen Philipp I. (1504-1567), die er am 15. Mai 1525 in der Schlacht gegen Thomas Münzer und dessen Anhänger, den Bauern, gehalten hatte, beschreibt ein hoher Adliger des 16. Jahrhunderts seine besondere Beziehung zu Gott, die ihm die vollkommene Macht über sämtliche seiner Untertanen gewährt:

„'... Sie [diese Bauern] klagen wider die Obrigkeit; aber keine Ursache auf Erden ist genugsam, Aufruhr zu predigen wider die Obrigkeit. Denn es ist ein ernstes Gebot Gottes, die Obrigkeit zu ehren und zu fürchten, und nie hat er den Aufruhr unbestraft gelassen. Paulus sagt (Römer 13,2), wer der Obrigkeit widerstrebt, wird gestraft. Denn da die Obrigkeit von Gott verordnet ist, hält er darüber, daß sie keine Kreatur zerreiße. Wie es Gottes Ordnung ist, daß Tag und Nacht wird, und kein Mensch die Sonne vom Himmel reißen mag, so wird weder der Teufel, noch [Thomas] Münzer, sein Apostel, noch der Münzerische Haufen [die Bauern] gegen die Obrigkeit etwas ausrichten. Dies rede ich nicht, weil ich ein Fürst bin und mich schmücken und der Bauern Sache arg machen will, sondern weil es die Wahrheit ist. Ich weiß es, daß wir oft sündigen, denn wir sind Menschen. Aber darum soll man nicht Aufruhr stiften. Denn gerade, weil Gott will die Obrigkeit geehrt haben, soll man sie ehren, wenn sie der Ehre am meisten bedürftig ist und ihre Fehler bedecken, wie Sem Noahs Blöße bedeckte, damit Friede bleibe und Einigkeit ... Darum, daß sie [die Bauern] keine billige Ursache haben, Gott und ihre Obrigkeit zu lästern, sollt ihr diese Bauern getrost angreifen als Mörder und Friedensbrecher ... Daran thut ihr Gottes Willen.'... da begann in der Stadt [Frankenhausen] selbst ein großes Blutbad, so daß die Straßen mit Leichen bedeckt, und das Wasser, welches durchfließet, vom Bluthe geröthet war. Auch keiner von denen, die sich in Kirchen und Klöstern verkrochen, wurde verschont; und Reiterknaben erstachen manchmal sechs bis acht Bauern ...“ (in: Philipp Hofmeister, Das Leben Philipps des Grossmüthigen, Landgrafen von Hessen; Kassel, Hameln, Pyrmont 1846, S. 51-53). Im „Namen Gottes“ hatten Philipp I. von Hessen und seine Truppen schließlich zur Aufrechterhaltung von "Gottes Ordnung" ungefähr 5.000 (in anderen Quellen sogar 6.000) Menschen getötet.


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