Sofonisba Anguisciola (1532-1630) (nicht im Jahr 1625 gestorben, wie leider mittlerweile überall zu lesen ist) - Malen aus Leidenschaft
Sofonisba Anguisciola (Abb. 74), über die das Kunsthistorische Museum in Wien im Jahre 1995 eine Ausstellung bot, in der rund 50 von ihr noch vorhandene Bilder aus Museen in aller Welt zusammengetragen wurden, war die berühmteste Malerin in der Renaissance, die als einziger weiblicher Künstler des 16. Jhs. obendrein internationalen Ruf erwarb.
Geboren wurde sie als ältestes Kind eines wohlbegüterten Landedelpaares im Jahre 1532 in Cremona. Ihr Vater, Amilcare Anguisciola (1494-1573), und seine zweite Frau, Bianca Ponzone († 1600), gehörten alten, hochangesehenen Familien in Oberitalien an. In ihrer langen Ehe von über 40 Jahren kamen noch weitere fünf Töchter, nämlich Elena (1535-nach 1584), Lucia (um 1536/38-1565), Minerva (um 1544/45-vor 1559), Europa (um 1547-?) und Anna Maria (um 1549-?) und als letztes Kind ein Sohn namens Asdrubale (1551-1623 oder 1632) auf die Welt. Beide Elternteile legten großen Wert auf die künstlerische Ausbildung ihrer Töchter, und Sofonisba und ihre Geschwister erhielten zudem schon als kleine Kinder eine sorgfältige Erziehung. Ihre Eltern engagierten für sie die besten Lehrer in den Disziplinen Sprachen und Literatur und ließen sie auch am Spinett und in der Malerei ausbilden.
Von 1543-1549 studierte Sofonisba mit ihrer Schwester Elena zusammen bei einem Cremoneser Porträtmaler namens Bernardino Campi. Als dieser nach Mailand fortging, suchte ihr Vater für sie den aus Parma stammenden gerade in Cremona eintreffenden Maler Bernardino Gatti als neuen Lehrer aus. Elena gab nach dieser weiteren künstlerischen Ausbildung die Malerei jedoch völlig auf und trat in ein Kloster ein. Sofonisba dagegen unterwies ihre jüngeren Schwestern Lucia, Europa und Anna Maria in der Malerei, wobei Lucia besonders viel Talent zeigte. Ihre Schwester Minerva war bereits gestorben. Nur ihr Bruder widmete sich nicht der Malerei, sondern wurde Geschäftsmann. Zudem bekleidete er später einige politische Ämter in der Heimatstadt.
Der Vater unterstützte seine älteste Tochter großzügig und schrieb sogar 1557 und 1558 an Michelangelo. Als Antwort schickte dieser Sofonisba einige Zeichnungen, die sie in Öl kopierte und dann zur kritischen Beurteilung zurücksandte.
Mittlerweile war Sofonisba, die als schön, intelligent, ehrlich und als liebenswürdig beschrieben wurde, als Porträtmalerin sehr gefragt. Ihre Auftraggeber waren die vornehmen Herren und Damen der gebildeten Gesellschaft (Abb. 75). Leider hatte die Künstlerin nur ihre Selbstporträts und die Bildnisse ihrer Familienmitglieder signiert, so daß die meisten ihrer Werke später unter fremden Namen in die Museen gelangten. Viele Werke, die Moroni, Tizian, Tintoretto, Bassano, Leonardo da Vinci, Salviati, Bronzino, Carracci, Zurbarán, Murillo, Sanchez Coello, Sustermanns und van Dyck zugeschrieben wurden, entpuppten sich nach genauer Untersuchung mittlerweile als Werke Sofonisbas.
Die Porträtmalerei kam erst im Laufe des 15. Jhs. in Mode und erlebte ihre höchste Blüte im 16. Jh.. Zuvor hatte es in der Kunst nur ein Bildthema gegeben, die Verherrlichung der Kirche und die Darstellung religiöser Szenen. Mit der Umbruchbewegung im 15. Jh. begann der Mensch sich selbst in den Mittelpunkt des Interesses zu stellen. Der Wunsch jedes einzelnen, durch ein Abbild seiner äußeren Erscheinung eine Spur von seinen Erdentagen zu hinterlassen, ließ die Nachfrage nach guten Porträtmalern, den Gesellschaftsphotographen des 16. Jhs., steigen. "Die Malerei birgt in sich, daß die Toten nach vielen Jahrhunderten noch zu leben scheinen, so daß wir sie mit hoher Bewunderung für den Künstler und mit großer eigener Lust wieder und wieder betrachten... So ist es denn sicher, daß die Gestalt eines schon längst Verstorbenen durch die Malerei ein langes Leben lebt." (aus Leon Battista Albertis Schrift: "De Pictura" aus dem Jahre 1435/36, in: Peter Strieder: Die Bedeutung des Porträts bei Albrecht Dürer, S. 84-99, in: Albrecht Dürer: Kunst einer Zeitenwende, hrsg. von Herbert Schade, Regensburg 1971, S. 85).
Gegen Ende des Jahres 1559 wurde Sofonisba durch die Empfehlung des Herzogs von Alba vom spanischen König Philipp II. an seinen Hof in Madrid eingeladen, wo sie von 1560 bis 1571 als hochangesehene Hofmalerin sämtliche Mitglieder der königlichen Familie porträtierte. Der König und seine beiden Ehefrauen, Elisabeth von Frankreich (Abb. 76) († 1568) und Anna von Österreich (Abb. 77) († 1580), belohnten die von ihnen hochgeachtete Künstlerin mit kostbaren Geschenken und einer beträchtlichen jährlichen Rente. Sofonisba war somit einer der ersten berufsmäßig arbeitenden Malerinnen. Auch einige religiöse Werke soll sie in Madrid geschaffen haben, von denen jedoch angeblich keines erhalten geblieben ist. Nicht nur die königlichen Familienmitglieder schätzten zudem ihre große Musikalität, ihre Gelehrsamkeit, ihre Kenntnisse in der Literatur und Philosophie.
1561 wünschte sich Papst Pius IV. von Sofonisba ein Bildnis von der spanischen Königin Elisabeth von Frankreich. So sandte ihm diese schließlich kurze Zeit später das fertige Porträt als Geschenk nach Rom und fügte einen Brief folgenden Inhalts hinzu:
"Heiliger Vater. Von dem hochwürdigsten Nunzius Eurer Heiligkeit habe ich erfahren, daß Dieselbe ein Bildnis Ihrer Majestät der Königin, meiner Herrin, von meiner Hand begehren. Und da ich dieses Unterfangen als eine besondere Huld und Gunstbezeugung hinnahm, weil ich Eurer Heiligkeit zu dienen hatte, so bat ich Ihre Majestät deswegen um Erlaubnis, die sehr gern damit einverstanden war, darin die väterliche Zuneigung, die Eure Heiligkeit ihr erweist, erkennend. Ich sende es Derselben nun durch diesen Ritter. Wenn ich hierin dem Wunsch Eurer Heiligkeit genügt habe, so werde ich darüber unendlichen Trost verspüren; doch will ich nicht verfehlen, Derselben zu sagen, daß, wenn man mit dem Pinsel die seelischen Schönheiten dieser erlauchtesten Königin den Augen Eurer Heiligkeit also darzustellen vermocht hätte, man nichts wunderbareres würde sehen können. Aber in jenen Teilen, die mit Hilfe der Kunst sich haben darstellen lassen, habe ich nicht verfehlt, den allergrößten Fleiß, als ich vermochte, aufzuwenden, um Eurer Heiligkeit die Wahrheit darzustellen. Und damit schließe ich und küsse Derselben mit aller Ehrfurcht und Demut die heiligsten Füße. Madrid, den 15. September 1561. Eurer Heiligkeit demütigste Magd Sofonisba Angosciola." (in: Giorgio Vasari: Die Lebensbeschreibungen der berühmtesten Architekten, Bildhauer und Maler, 5. Bd.: Die oberitalienischen Maler. Straßburg 1908, S. 389).
1571 heiratete Sofonisba im Alter von 39 Jahren den sizilianischen Edelmann Fabrizio de Moncada. Der spanische König und seine mittlerweile vierte Frau Anna richteten ihr eine prunkvolle Hochzeit aus und stellten ihr eine großzügige Mitgift zur Verfügung. Danach verließ das frisch getraute Ehepaar Madrid, um sich nach Palermo, der Heimat des Gatten, zu begeben. Hier war Sofonisba ebenfalls als Porträtmalerin sehr gefragt. An Aufträgen mangelte es ihr nie. Ihre Ehe währte aber nur acht Jahre. Bereits im Jahre 1579 verschied ihr Gatte.
Sofonisba beschloß daraufhin, in ihre alte Heimatstadt Cremona zurückzukehren, obwohl der spanische Königshof sie gern wieder bei sich aufgenommen hätte. Von ihren Geschwistern war auch Lucia († 1565) bereits gestorben. Lucias künstlerisches Talent wird heute dem ihren gleichgesetzt. Europa und Anna Maria waren verheiratet und malten sowohl religiöse Bilder als auch Porträts. Ihre Kunden lebten in ihrer näheren Umgebung.
Auf dem Weg nach Hause lernte Sofonisba im Jahre 1580 auf der Überfahrt von Palermo nach Genua ihren zweiten Ehemann, den Schiffskapitän Orazio Lomellini († nach 1632) aus angesehener genuesischer Familie, kennen und lieben, den sie gleich nach der Ankunft in Genua heiratete.
Wenn ihr Leben nun auch in ruhigeren Bahnen verlief, vergaß man sie trotzdem nicht. Im Jahre 1599 wurde sie z.B. von der Infantin Isabel Clara Eugenia (Abb. 78), der ältesten Tochter Philipps II., kurz vor deren Vermählung mit dem Erzherzog Albrecht von Österreich aufgesucht und um die Anfertigung eines Porträts gebeten. Danach lebte Sofonisba für einige Jahre erneut in Palermo, wo sie im Jahre 1629 der junge flämische Künstler Anthonis van Dyck mit einem Besuch beehrte. Obwohl sie im hohen Alter ihr Augenlicht verloren hatte, blieb sie bis zu ihrem Tode Mittelpunkt eines gebildeten Kreises von Künstlern und Gelehrten. Van Dyck fertigte von ihr bei seinem Besuch eine Skizze an, wie sie im Lehnstuhl saß und sich mit ihm unterhielt (Abb. 79). Um diese Zeichnung herum schrieb er folgendes: "Bildnis der Signora Sophonisba, Malerin, nach dem Leben gemacht in Palermo am 12. Juli des Jahres 1629, als sie 96 Jahre alt war, noch guten Gedächtnisses, frischen Geistes und zuvorkommend; und obgleich durch das Alter ihr Augenlicht schwach geworden war, machte es ihr großes Vergnügen, Bilder vor sich hinstellen zu lassen, und indem sie dann ihre Nase mit vieler Mühe bis dicht an das Bild heranbrachte, erreichte sie es wirklich, etwas davon zu erkennen, worüber sie sodann große Freude zeigte. Als ich ihr Bildnis machte, gab sie mir manchen Hinweis dafür, so den, das Licht nicht von zu hoch aus einfallen zu lassen, auf daß nicht die Schatten in den Altersrunzeln zu stark würden, und manch andere gute Reden, wie sie mir auch einen Teil aus ihrem Leben erzählte, woraus zu erkennen war, daß sie eine wunderbare Malerin von Natur war, und der größte Schmerz, den sie hatte, war, durch das Abnehmen des Augenlichtes jetzt nicht mehr malen zu können: ihre Hand war noch fest, ohne irgendwelches Zittern." (zitiert in: Irene Kühnel-Kunze: Zur Bildniskunst der Sofonisba und Lucia Anguisciola, S. 83-96, in: Pantheon 20, 1962, S. 84). Ein Jahr nach Van Dycks Besuch starb sie mit 97 Jahren in Genua, wo sie sich trotz ihres hohen Alters noch kurz zuvor hinbegeben hatte.
Wenn Sie mehr Abbildungen von Sofonisba Anguisciola und ihrer Familie sehen möchten, schauen Sie sich bitte den Bilderkatalog an.
- Lese-/Videotipps:
-
- Maike Vogt-Lüerssen: Sofonisbas Sterbejahr
- Perlingieri, Ilya Sandra: Sofonisba Anguissola – The First Great Woman Artist of the Renaissance. New York 1992 (herrliches Bildmaterial!)
- Maike Vogt-Lüerssen: Frauen in der Renaissance – 30 Einzelschicksale