"Von dem Augenblicke an, da Philippine in Tirol weilt, mehren sich dann die Beweise ihres Wohltuns. Vor allen andern sind es die Kranken, für welche sie mütterlich besorgt ist. Sie, welche selbst ziemlich früh schon die Woltat fester Gesundheit entbehren musste, fühlte um so lebhafter mit den Kranken, besonders jenen, welche auch noch bittere Armut drückte. Ihr Lieblingssitz Ambras wurde recht eigentlich ein Hospital für notleidende Siechen. Philippinens Leibarzt nennt ganze Reihen von Kranken, welche in seiner und seiner Herrin Pflege standen: türkische Gefangene, einen Moskowiter, ein türkisches Mädchen, einen Zuschröter [jemand, der z. B. Bier und Wein transportiert], Tischler und Zöllner vom benachbarten Dörfchen Aldrans, mehrere Einfältige, welche an Epilepsie litten u. a. In Ambras hatte sie eine woleingerichtete Apotheke, wo sie selbst im Verein mit dem fachkundigen Gorin Guaranta die Arzneien bereitete. Da fehlte kaum etwas von den Salben und Tränklein, welche die damalige Heilkunde empfahl. Das Receptbuch der fürstlichen Frau kennt den Rosensyrup und Rosenhonig, Quitten-, Weichsel- und Feiglsaft, verschiedene Latwergen [breiartige Gemische], Gurgl- und Zahnwasser, Magenpulver, Medicamente gegen Grimmen [Schmerzen], Fraisen [Krämpfe], geschwollene Mandeln, Husten, Schwindel, Schwindsucht, gegen Gift und Unterleibsleiden. ... Eine besondere Freude war es ihr, bürgerliche Mädchen zu deren Vermählungstage mit dem Geschenk eines Hochzeitskleides zu überraschen. Ihrer Dienerschaft war sie eine grossmütig spendende Herrin, die zu jeglicher Gunst bereit war. ... Die noch erhaltenen zahlreichen Bittschriften - es sind deren weit über ein halbes Hundert - aus den verschiedensten Landesteilen dienen als schöner Beweis, dass Philippinens Mitleid mit den Bedrängten weitum bekannt war. ... In schlichten aber schönen Worten gedenken arme Leute nach Jahren noch ihrer grossen Woltäterin, indem sie sagen: 'wir haben an unserer gnedigsten frau ser übl verloren'. War Philippine gegen Jedermann, der sich ihr nahte, von freundlicher Herablassung und gewinnender Liebenswürdigkeit, so betätigte sie doch in erster Linie ihre treue Sorgfalt und aufopfernde Herzensgüte an ihrem Gemahl. Sie war ihm nicht allein die erheiternde Lebensgenossin, sondern auch die aufmerksamste Pflegerin. Die häufigen Störungen in Ferdinands Gesundheit waren ebenso oft für seine Gemahlin der Anlass, ihm mit den Mitteln ihrer Arzneikunst beizuspringen. So wurde sie ihm ein geradezu unentbehrlicher Beistand in den Tagen seiner Krankheit. ... dass auch Ferdinand mit herzlicher Zuneigung an seiner Gattin hieng, dass, wie auch ein venezianischer Gesandter versichert, der Erzherzog nicht eine Stunde von seiner Gemahlin getrennt sein mochte. ... [Bereits vor 1576 als noch die strikte Geheimhaltung ihrer Eheschließung zu befolgen war] .. waren es Magdalena und Helena [zwei Schwestern von Ferdinand II.] allein, welche sich über die Bedenken der heimlichen und ungleichen Ehe hinaussetzten und mit der bürgerlichen Schwägerin freundliche Beziehungen unterhielten. Als die beiden Königinnen [sie waren keine Königinnen, sondern nur Erzherzoginnen], so erzählt Handsch, in Innsbruck noch Hof hielten, kam Philippine von Ambras herein und war bei ihnen Mittags zu Gaste. Diese vertrauliche Annäherung machte sogar einen venezianischen Botschafter an der gewöhnlichen Meinung irre, so dass er gestand, ein solches Verhältnis sei nur möglich, wenn Philippine mehr ist als blos des Erzherzogs Concubine. ... In gleich freundlicher Beziehung stand Ferdinands Gemahlin zu Herzog Alfons von Ferrara. Oefters erfreute sie ihn mit den Erzeugnissen ihrer Kochkunst und überschickte an ihn mehrere 'Fässl eingemachte Peislbeeren', wogegen der Herzog ein paar prächtige Hunde nach Ambras sandte. Am Florentiner Hofe wurde sie als Ferdinands rechtmässige Gattin anerkannt." (in: Dr. Joseph Hirn: Erzherzog Ferdinand II. von Tirol - Geschichte seiner Regierung und seiner Länder. II. Band, ebenda, S. 327-328/330/333/335-336).