Sehr geehrte Herren,
sowohl in Ihren Artikeln als auch auf Wikipedia und bei der Werbung für die Agrippina-Ausstellung im Römisch-Germanischen Museum wird immer eine ganz spezielle Büste gezeigt, die Agrippina die Jüngere darstellen soll (Abb. 1 (rechts). Wer ist verantwortlich für diese Zuordnung?
Die römische Bildhauerei zur Zeit der Julier und Claudier gehört mit Abstand zu den größten Errungenschaften in der Kunst, auf die wir sehr stolz sein dürfen. In nur wenigen Epochen unserer Geschichte wurden die Menschen so realitätsgetreu wiedergegeben wie unter diesen Herrschern. Daher wissen wir auch, wie Agrippina die Jüngere wirklich aussah. Die gelungensten Porträts von ihr befinden sich in Kopenhagen, Ny Carlsberg Glyptotek (Abbn. 1 (links)), und in Providence, Museum of the Rhode Island School of Design (Abb. 2 (rechts)). Agrippina die Jüngere hatte von den Claudiern, der Familie ihres Vaters, die sehr schmalen Lippen geerbt. Ihre schmale Oberlippe ragte in der Mitte etwas über die untere hervor.
Siehe die Porträts von Agrippina der Jüngeren auf meiner Webseite.
Die in der obigen Büste dargestellte junge Frau (Abb. 1 (rechts)) besitzt zwar große Ähnlichkeit mit Agrippina, aber sie hat ein ovales, nicht breites Gesicht und sehr charakteristische, völlig anders geformte Lippen, die klein und voll ausfallen, und die wir auch bei ihrer Mutter, Agrippina der Älteren, und bei den Juliern finden.
Da ich von dieser jungen Dame, bei der es sich nicht um Agrippina die Jüngere handeln kann, mehrere Büsten und Statuen gefunden habe, stellt sie eher Drusilla (Abb. 3), die ältere Schwester von Agrippina der Jüngeren, als Livilla, die jüngere Schwester von Agrippina der Jüngeren, dar, die relativ unbekannt blieb.
Einige wenige weitere Büsten bzw. Statuen von Drusilla habe ich auf meiner Webseite dargestellt.
Herzliche Grüße, Ihre Maike Vogt-Lüerssen
P.S: Bitte kommen Sie nicht mit dem Argument der Kunsthistoriker bezüglich des Spielraumes der alten Künstler bei der Wiedergabe der Dargestellten. Ich glaube, ich habe dieses Argument bereits in der Renaissance gründlich widerlegt. Es ist nur eine Entschuldigung der Kunsthistoriker für ihre Nichtbereitschaft, sich mit den Dargestellten historisch intensiver zu beschäftigen.