- Deutscher Nachrichtensender:
Was die Münze angeht, so sind wir uns, denke ich, einig. - Meine Antwort:
Was heißt das? Sind Sie, da Sie ebenfalls keine römische Münze gefunden haben, auf der der Älteste oder Ranghöchste links steht, wie ich der Meinung, dass die ranghöchste und älteste Person in der Mitte steht? Andererseits müssen Sie schon einen Beweis liefern, dass der älteste oder die ranghöchste Person links steht, und da haben Sie dann auf meiner Hauptseite bezüglich des Geburtsjahres schon zwei Gegenbeispiele, die Sie ja ebenfalls gesehen haben.
[Er war übrigens bei seiner Meinung geblieben, dass Agrippina die Älteste der Töchter des Germanicus gewesen sei. Wie er zu der Überzeugung kommen konnte, dass ich ihm diesbezüglich zugestimmt hätte, zeigt nur, dass er meine letzte Email nur schnell überflogen hatte.] - Deutscher Nachrichtensender:
Die Schwangerschaft der Agrippina betreffend machen Sie es sich m. E. aber etwas zu einfach. Zunächst liegt es nahe, anzunehmen, dass sich Tacitus und Dio derselben Quelle bedient haben (zumal Dio ja erst 200 Jahre nach Agrippinas Geburt geschrieben hat). - Meine Antwort:
Wenn Tacitus und Dio sich der gleichen Quelle bedient haben, wieso heißt es bei Tacitus "hochschwanger" und bei Dio "schwanger"? [Damit hat Tacitus dann wirklich übertrieben!] - Deutscher Nachrichtensender:
Vor allem aber können Sie Tacitus nicht so einfach als Gewährsmann für eine Geburt Drusillas im Juni 15 heranziehen. - Meine Antwort:
Ich ziehe Tacitus, Dio und Sueton heran. Tacitus und Dio erzählen uns von der Schwangerschaft, und Sueton berichtet uns, dass Agrippina die Ältere frühestens im Mai 14 zu ihrem Gatten nach Germanien aufbrach. (Sueton, Caligula, 8).
Dann erzählt uns Tacitus, dass die schwangere Agrippina die Ältere nach der Meuterei im Oktober/November 14 ins Land der Treverer aufbricht. Und durch Plinius Secundus wissen wir, dass Agrippina die Ältere im Land der Treverer in Ambiatarius ein Kind bekam. Er hatte mit eigenen Augen die Altäre gesehen, die wegen dieser Geburt errichtet wurden. Sie wiesen die Inschrift auf: "Anlässlich der Geburt von Agrippinas Kind." Dieses Kind kann nicht Agrippina die Jüngere gewesen sein, denn diese wurde in Köln geboren.
Sueton bericht uns in Caligula, 8, dass Agrippina die Ältere in Germanien zwei Töchter auf die Welt gebracht hat. Haben Sie die Bedenken der beiden englischen Professoren bezüglich des Geburtsjahres 15 für Agrippina der Jüngeren verstanden, dass nämlich im Prinzip alles gegen dieses Jahr spricht? Herr ..., Sie können für das Jahr 15 n. Chr. nur Suetons Aufzählung der drei Töchter von Germanicus nennen, bei dem dieser die Bedeutendste (nicht die Älteste) zuerst nannte. Sueton machte in seinen Werken wie jeder Mensch Fehler. Die englische Historikerin Smallwood zählt eine Reihe von diesen auf. Wer sagt denn, dass er ganz genau Bescheid wusste, wer die älteste Tochter von Germanicus war, wenn er nicht einmal die Namen nennen konnte, als er uns berichtete, dass zwei Töchter von diesem in Germanien geboren worden seien? - Deutscher Nachrichtensender:
Sie sprechen selbst davon, dass er Agrippina d. Ä. im Spätherbst 14 als "hochschwanger" bezeichnet und schieben das ein wenig lapidar auf die bei Tacitus üblichen Übertreibungen. - Meine Antwort:
Und ich schrieb auch, dass Dio nur das Wort "schwanger" benutzte. - Deutscher Nachrichtensender:
Guckt man sich die Annalen (I,44) jedoch genauer an, so ergibt sich ein etwas anderes Bild. Die Rede ist hier von /reditum Agrippinae excusavit ob inminentem partum et hiemem/. Germanicus lehnt also schätzungsweise im November die Rückkehr seiner Frau mit Hinweis auf die bevorstehende Entbindung und den kommenden Winter ab. Das heißt aber, die behauptete Nähe zur Geburt ist nicht nur schmückendes, rein rhetorisches Beiwerk, die ebenso gut weggelassen werden könnte, sondern sie ist dort die Begründung des Germanicus, die bei einer Geburt erst im Juni so nicht funktionieren würde. - Meine Antwort:
Sie verließ frühestens im Mai 14 Italien. Wie soll sie da im Oktober, November hochschwanger gewesen sein? Sie war schwanger, wie uns Dio erzählte, und sie hat im Land der Treverer ein Kind zur Welt gebracht. - Deutscher Nachrichtensender:
Das Nicht-Erwähnen einer Fehlgeburt dagegen halte ich für so sonderbar nicht. Spontan, ohne es im Detail nachgeprüft zu haben, fällt mir keine einzige Passage in Tacitus' Annalen ein, in der er explizit von einer Fehlgeburt sprechen würde. - Meine Antwort:
Tacitus beschreibt die Meuterei der Soldaten im Oktober/November 14 in allen Einzelheiten und berichtet uns noch, dass Agrippina die Ältere schwanger ist. Und dann sollte er nicht erwähnen, dass Agrippina die Ältere wegen dieser Rebellion eine Fehlgeburt erlitt? Ich glaube, Sie haben sich bisher sehr wenig mit Tacitus und seiner Art von Geschichtsschreibung auseinandergesetzt. Sie sollten meine Biografie über Agrippina die Jüngere unbedingt lesen!
Warum berichtet Tacitus im Oktober/November 14 von der Schwangerschaft und erzählt uns nichts über die Schwangerschaft im September 15, als Agrippina die Ältere die Zerstörung der Brücke über den Rhein verbietet, damit die Truppen ihres Gatten die sichere andere Uferhälfte erreichen? Denn laut Ihnen wurde Agrippina die Jüngere bereits am 6. November 15 geboren. Also muss Agrippina im September 15 schon mindestens sieben Monate schwanger gewesen sein. Aber Tacitus spricht nicht von einer erneut schwangeren Agrippina.
Herr ..., warum "kleben" Sie am Jahr 15? Spielen Sie die in historischen Quellen wirklich verfügbaren Informationen doch einmal durch. Und lassen Sie die Vermutungen und Annahmen weg. Ihrer Meinung nach kam Agrippina die Jüngere am 6. November 15 auf die Welt. Welche historischen Quellen unterstützen Ihre Theorie? Sie folgen einem Historiker aus dem 19. Jahrhundert, nämlich Theodor Mommsen. Zudem gehen Sie von einer Fehlgeburt aus, die in keiner historischen Quelle genannt wird, also eine pure Annahme ist. Agrippina die Ältere wird im September 15 in den Quellen nicht als schwanger beschrieben, dabei müsste sie Ihrer Theorie nach zu diesem Zeitpunkt schon im siebten/achten Monat schwanger gewesen sein. Warum finden wir in den historischen Quellen von dieser Schwangerschaft keine Erwähnung?
Wann ist dann Ihrer Meinung nach Drusilla geboren worden, die ja im Land der Treverer das Licht der Welt erblickte? Kommen Sie nicht mit September 16, dann brechen Sie schon wieder die Regel, dass wir Historiker uns an die historischen Quellen halten müssen. Dio berichtet, dass Drusilla in der ersten Hälfte eines Jahres geboren wurde. Ein ägyptischer Monat, der Monat Pauni (der vom 26. Mai bis zum 24. Juni währte) wurde nach ihr "Drusilleus" genannt. Die Beispiele, die wir Historiker diesbezüglich zur Verfügung haben, zeigen, dass hierbei immer die Geburtstage der Julier/Claudier verwendet wurden, das heißt, Drusilla war, wie Dio in seinem Werk postulierte, in der ersten Hälfte eines Jahres geboren worden, laut der Umbenennung des ägyptischen Monats Pauni nach ihr erblickte sie also zwischen dem 26. Mai bis 24. Juni das Licht der Welt.
Damit kann Drusilla, wie es bereits die englischen Historiker mit aller Deutlichkeit sagten, nicht im Jahr 16 geboren worden sein. Eine Schwangerschaft dauert schließlich neun Monate. Und im Jahr 17 kann sie auch nicht geboren sein, denn Sueton erzählte uns ja, dass zwei Mädchen in Germanien geboren wurden (wenn er auch deren Namen nicht wusste). Also erzählen Sie bitte meinen Lesern und Leserinnen und mir, wann denn Drusilla das Licht der Welt in Germanien erblickte?
Herzliche Grüße, Maike Vogt-Lüerssen
Und hiermit brach die „wissenschaftliche“ Diskussion bezüglich des Geburtsjahres von Agrippina der Jüngeren ab. Der Verantwortliche für den Online-Artikel dieses deutschen Nachrichtensenders war an einer weiteren Auseinandersetzung hinsichtlich der Frage, wann Agrippina geboren wurde, nicht mehr interessiert, pochte jedoch noch einmal darauf, dass Drusilla auf der Münze nur in der Mitte stehe, weil sie Caligulas Lieblingsschwester gewesen sei. Dass „Lieblinge“ in der Mitte einer römischen Münze abgebildet wurden, müsste er natürlich erst einmal durch zeitgenössische historische Quellen und mit Hilfe der römischen Münzen beweisen. Aber leider hat sich eingebürgert, dass historische Quellen nicht mehr nötig sind, um seine Annahmen als „historische Fakten“ zu verkaufen. Helmut Schmidts Kommentar, dass Journalisten „in derselben Zwangslage sind wie Politiker, nämlich über Dinge reden zu müssen oder schreiben zu müssen, die sie eigentlich erst morgen oder übermorgen ganz verstehen“, macht verständlich, warum wir so viel Unsinn in den Zeitungen lesen oder im Fernsehen z. B. bei historischen Dokumentationen über uns ergehen lassen müssen. Schließlich: „Gut Ding will Weile haben“.