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23/08/2021

Fünf Fragen an die Autorin des Buches „Die Frauen des Hauses Tudor“, Maike Vogt-Lüerssen, bezüglich der englischen Königin Elisabeth I. (1533-1603) (3)

3. Frage: Was machte Elisabeth I. zu einer der größten Politikerinnen der Geschichte?

Ihre hohe Intelligenz (von der väterlichen und mütterlichen Seite geerbt), ihr Selbstbewusstsein und ihre Willensstärke, ihre großen diplomatischen Fähigkeiten, ihre Toleranz bezüglich Glaubensangelegenheiten und ihr Mitgefühl mit ihren Untertanen, die sie 44 Jahre und 127 Tage regiert hatte.

Sie war nicht die einzige große Politikerin des 15. und 16. Jahrhunderts. Diesen Platz hatte sie sich mit der spanischen, fanatisch religiösen und intoleranten Königin Isabella von Kastilien und Léon (1451-1504), der calvinistischen Königin Jeanne d’ Albret von Navarra (1528-1572), der französischen Königin Katharina de’ Medici (1519-1589), der niederländischen Statthalterin Margarete von Österreich (1480-1530), der Königin Maria von Ungarn und Böhmen (1505-1558), die wie ihre Tante Margarete von Österreich ebenfalls niederländische Statthalterin war, mit Louise von Savoyen (1476-1531), der Mutter des französischen Königs Franz I., der mailändischen Herzogin Bianca Maria Visconti (1425-1468), Caterina Sforza (1463-1509), der Gräfin von Imola und Forlì, Anna von Mecklenburg-Schwerin (1485-1525), der Landgräfin von Hessen, und der schottischen Königin Maria Stuart (1542-1587) teilen müssen.

Wie alle diese Frauen war Elisabeth I. sich ihrer hohen adligen Abstammung sehr bewusst. Und wie bei allen diesen Frauen war an ihr nichts von einer schwachen Frau zu entdecken. Wie ihre Urgroßmutter Margarete Beaufort flößte sie allen ihren Untertanen Ehrfurcht ein. Wie ihr Vater, der englische König Heinrich VIII., konnte sie Befehle erteilen und sich unwidersprochen durchsetzen.

Im Gegensatz zu vielen der erwähnten Frauen war Elisabeth I. zudem eine Meisterin der Rhetorik. Sie wusste immer genau, das richtige Wort zur richtigen Zeit zu sagen, egal ob sie zu ausländischen Gesandten, ihren Staatsräten, den Parlamentsmitgliedern, ihren Soldaten oder zum einfachen Volk sprach. Sie fühlte instinktiv, wann sie sprechen und wann sie aufmerksam zuhören, wann sie lächeln und wann sie feierlich werden musste. Diese Redekunst hatte sie von ihrem Großvater väterlicherseits, dem englischen König Heinrich VII., geerbt, der wie sie mit viel Gefühl sprechen konnte. Seine Ansprachen sollen seine Zuhörer und Zuhörerinnen ebenfalls direkt ins Herz getroffen haben.

Ihr Zeitgenosse Giordano Bruno, der vom Frühling 1583 bis zum Herbst 1585 in London lebte und lehrte, pries Elisabeth I. sogar als eine „einzigartige und einmalige Frau, die an Namen und Würde keinem König nachsteht, und die es mit jedem, der auf Erden ein Zepter trägt, an Verstand, Weisheit, Rat und Regierung aufnehmen kann.“ Völlig anders sah es da bei ihrer älteren Halbschwester Maria Tudor (1516-1558) aus, die in die Geschichte als eine schlechte Politikerin einging, obwohl sie doch den gleichen Vater wie Elisabeth I. und die gleiche Erziehung unter jenem erhalten hatte. Maria Tudor konnte die Meinungsverschiedenheiten ihrer Ratgeber nicht schlichten und förderte daher Cliquenbildungen und Intrigen in ihrer Regierungszeit. Außerdem mangelte es ihr völlig an Selbstvertrauen. Ihrer Meinung nach war das Regieren sowieso nicht die Aufgabe einer Frau. Dabei gab es in ihrer Familie so viele starke und politisch sehr engagierte Frauen wie ihre Mutter Katharina von Aragon oder ihre Großmutter mütterlicherseits Isabella von Kastilien und León oder ihre Urgroßmutter väterlicherseits Margarete Beaufort. Maria Tudor stimmte hingegen voll ihrem Lehrer Juan Luis Vives (1493-1540) zu, der überzeugt war, dass die Erschaffung der Frau der einzige Fehler in Gottes Schöpfungsgeschichte gewesen sei, und dem Protestanten John Knox (1514-1572), der Frauen, die regierten, für „ein Ungeheuer der Natur“ hielt. Laut ihm hatte die Frau dem Mann zu dienen und zu gehorchen, nicht über ihn zu herrschen und ihn zu kommandieren.

Was Elisabeth I. von ihrer Halbschwester ebenfalls positiv unterschied, war ihre Glaubenstoleranz. Unter Maria Tudor verloren in ihrer fünfjährigen Regierungszeit ungefähr 300 Männer und Frauen, weil sie im Protestantismus verharrten und nicht bereit waren, zum Katholizismus zu konvertieren, ihr Leben auf dem Scheiterhaufen. Dieses Gesetz war von Marias Gatten, dem spanischen König Philipp II., im Januar 1555 erlassen worden. Elisabeth I. neigte hingegen wie ihr Halbbruder Eduard VI. zum Protestantismus. Aber sie hielt auch einige katholische Bräuche aufrecht: Kerzen, Kruzifixe und Prozessionen gehörten für sie zur Kirche. Auch hätte sie gern gesehen, wenn ihre Geistlichen sich wie sie für das Zölibat entschieden hätten, also einem Leben ohne eigene Familie. Sie betrachtete sich als das Oberhaupt der englischen Kirche und entwarf in dieser Funktion Richtlinien für Kirchenvisitationen, beteiligte sich an der Auswahl der Gebete für ein revidiertes Kollektenbuch und wirkte bei der Besetzung der geistlichen Ämter aktiv mit. Aber sie setzte ihre persönlichen religiösen Vorstellungen nicht per Parlamentsbeschluss durch, da sie die Religion für eine ganz persönliche Angelegenheit jedes Einzelnen hielt.

Ihre „Kinder“ waren ihre englischen Untertanen, die freien Zugang zu ihr besaßen, und das auch noch in einer Zeit als bereits mehrere Attentatsversuche ihr gegenüber bekannt geworden waren und ihre Staatsräte um ihr Leben zu fürchten begannen. Ihren Krönungsring sah sie als ihren Trauring, Symbol ihrer Vermählung mit ihrem Volk, das sie über alles liebte. Die Liebe war gegenseitig. Anlässlich ihres Todes im Jahr 1603 befanden sich daher ihre Untertanen in sehr tiefer Trauer: „… wir liebten sie alle, denn sie sagte, dass sie uns liebt. Wenn sie lächelte, war es der reine Sonnenschein …“ Sie wusste von dem großen Wunsch ihres Volkes nach Frieden. Das gesamte 15. Jahrhundert war in England von den Bürgerkriegen bestimmt worden, die so vielen Engländern das Leben kosteten. Auch Heinrich VIII. und Maria Tudor hatten keine Bedenken, ihre Untertanen für unsinnige Kriegsprojekte zu opfern. Im Jahr 1557 trat England auf Wunsch von Maria Tudors Gatten, Philipp II., in den Krieg Spanien gegen Frankreich ein, der bis 1559 währte und erst von Elisabeth I. beendet wurde.

Elisabeth I. wollte ihrem Volk den langersehnten Frieden geben. Sie beschrieb ihre Aufgabe als Königin selbst folgendermaßen: „Die Untertanen zufriedenzustellen, das ist die Pflicht, die ich ihnen schulde.“ Deshalb hielt sie sich auch aus den Kriegen auf dem Kontinent heraus, obwohl die Hugenotten und Wilhelm von Oranien sie immer wieder als Bündnispartnerin in ihren Kriegen gegen die Spanier oder gegen die französischen Könige gewinnen wollten. Sie fand sich nur bereit, deren Kriege besonders gegen die Spanier im Geheimen finanziell großzügig zu unterstützen, denn die Spanier stellten eine große Gefahr für den Frieden in England dar. Aber sie bot jenen in ihren Kämpfen keine englischen Truppen an. Es sollte kein „gutes englisches Blut“ für diese Kriege geopfert werden. Nur zur Verteidigung des Vaterlandes hatten die englischen Untertanen in den Kampf zu ziehen, und dieser Fall trat im Jahr 1588 ein: Philipp II. von Spanien griff England im Auftrag des Papstes zur Rettung des Katholizismus an. Seine Flotte, die berühmte Armada, galt als unschlagbar. Elisabeths Sieg über diese spanischen Truppen hatte sehr zu ihrem Ruhm beigetragen.

Aber Elisabeth I. hatte selbstverständlich wie jeder erfolgreiche Herrscher auch das Glück auf ihrer Seite. Es gab nämlich keinen ernstzunehmenden männlichen Konkurrenten um den englischen Thron, der wie sie das königliche Geblütsrecht aufwies, d. h., auf einen berühmten königlichen Vorfahren verweisen konnte. Ihr Großvater, der englische König Heinrich VII., und ihr Vater, der englische König Heinrich VIII., hatten alle männlichen und damit für ihre Dynastie gefährlichen Mitglieder der Yorks, der Dynastie, die vor ihnen die Könige von England gestellt hatten, hinrichten lassen. Als die Kaiserin Mathilde (1102-1167), die von 1110 bis 1125 mit Heinrich V., dem Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation verheiratet gewesen war, ihrem Vater Heinrich I. im Jahr 1135 als sein einziges noch lebendes Kind auf dem englischen Thron folgte, hatte sie im Gegensatz zu Elisabeth I. einen Konkurrenten, ihren Cousin Stephan von Blois († 1154), dessen Mutter Adela wie ihr Vater Heinrich I. ein Kind von Wilhelm dem Eroberer war. Es folgte wie üblich einer der langen, von den englischen Untertanen so sehr gefürchteten Bürgerkriege. Ruhe trat erst wieder ein, als Mathildes ältester Sohn Heinrich II. (1133-1189) im Jahr 1154 König von England wurde.

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