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31/01/2020

Inzucht und Habsburgerlippe

Antwort auf einen Artikel

Vor zwei Tagen schickte mir einer meiner Leser folgenden Artikel: Inzucht ins Gesicht geschrieben, in: bild der wissenschaft, Februar 2020, S.37:

Artikel: Inzucht ins Gesicht geschrieben
Der Artikel

und bat mich um meine Meinung zu dem Geschriebenen. Meine Antwort möchte ich mit Ihnen allen teilen:
"vielen Dank für diesen interessanten Bericht. Nein, ich stimme mit der Aussage des Professors und seines Teames nicht überein, dass "eine klare Korrelation zwischen Inzucht und Habsburger Lippe besteht". Inzucht zeigt sich zwar auch an körperlichen Merkmalen und gerade im 16. und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts haben die Habsburger durch ihre Inzuchtehen dazu beigetragen, dass viele ihrer Mitglieder die berühmte Habsburgerlippe besaßen, aber im Allgemeinen ist durch solche Inzuchtehen das Immunsystem der Nachkommen besonders betroffen. Man ist sehr viel anfälliger für alle möglichen Krankheiten.
Aber nicht alle Habsburger weisen eine dicke Unterlippe als Ergebnis einer Inzucht auf, so z. B. die zwei berühmten Mitglieder der Habsburger Margarete von Österreich und ihr Neffe Karl V.
Margaretes große Unterlippe und ihr hervorstehender Unterkiefer sind nicht das Ergebnis einer Inzuchtehe. Nur leider sind der hervorstehende Unterkiefer und die dicke Unterlippe bei ihren väterlichen Vorfahren, den Habsburgern, wie auch bei ihren mütterlichen Vorfahren, den Burgundern, zu finden. Und sie hatte nun einmal die Anlage hierfür von beiden Vorfahren geerbt. Von Inzucht kann man hier nicht sprechen, auch wenn ihre Großmutter väterlicherseits eine Nichte ihrer Urgroßmutter mütterlicherseits gewesen ist.
Ja, und dann Karl V., der wirklich, wie Sie es ausdrücken, das deformierteste Gesicht der Habsburger aufwies. Er konnte seinen Mund nicht einmal schließen und seine Nahrung wegen der Lage seines Unterkiefers mit seinen Zähnen kaum zerkleinern. Und dann sabberte er ständig. Sein Unterkiefer und seine dicke Unterlippe sind ebenfalls kein Ergebnis einer Inzucht, sondern es handelt sich um einen genetischen Fehler in der Familie seiner Mutter Johanna der Wahnsinnigen. Deren Bruder Juan besaß laut seiner Zeitgenossen eine Unterlippe, die "unnatürlich herunterhing". Jener hatte deswegen große Schwierigkeiten, fließend und zusammenhängend zu sprechen und Nahrung zu sich zu nehmen. .. und er stotterte wie schließlich auch sein Neffe Karl V.
Man hätte in diesem Bericht doch auf die Ursprünge der Habsburgerlippe etwas mehr eingehen müssen. Die Habsburgerlippe ist kein Ergebnis von Inzuchtehen.

Herzliche Grüße, Ihre Maike Vogt-Lüerssen

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