Am 17. August 2006 erschien in Timesonline folgender Artikel über ein neu (oder genauer gesagt, wieder) entdecktes Porträt von Maria Stuart.
Dieser Artikel zeigt mit aller Deutlichkeit, dass Kunsthistoriker, speziell was die Renaissance betrifft, Fehler über Fehler machen. Hatte doch nicht nur der bedeutendste englische Kunsthistoriker, Sir Roy Strong, dieses Porträt der schottischen Königin vor 30 Jahren für eine Kopie aus dem 18. oder 19. Jahrhundert erklärt und hiermit dafür gesorgt, dass dieses Bildnis erneut in den Lagerräumen der National Portrait Gallery in London verschwand, zeigt nun auch noch deren Entdeckerin, Dr. Cooper, dass sie ebenfalls, was die Disziplin Geschichte angeht, keine Ahnung hat. Sie hatte zwar mit Hilfe der Dendrochronologie bestimmen können, dass das Porträt in den Jahren 1560-1592 erstellt wurde, aber mehr kann sie ebenfalls nicht beitragen.
Die beliebteste Kopfbedeckung des 16. Jahrhunderts, das Barett, das von Männern und Frauen jeden Standes getragen wurde, ist ihr völlig unbekannt. So kommentiert sie die Kopfbedeckung von Maria Stuart daher mit: "es ist womöglich eine (Kopfbedeckung) des Mannes. Das Porträt zeigt sie als einen unabhängigen Charakter (weil sie es wagt, einen "männlichen Hut" zu tragen)"
Dabei ist für jeden Historiker, der ein Spezialist der Renaissance ist, dieses Porträt wegen der Mode (besonders der Form des Kragens) und den gewählten Farben, in denen die schottische Königin dargestellt wurde, sehr leicht zu datieren. Das Porträt wurde von Januar bis Juli 1560 erstellt, als Maria Stuart noch Königin von Frankreich war. Ihr derzeitiger Gatte, der junge französische König Franz II., ließ sich in der gleichen Weise wie sie darstellen. Mit diesen Porträts (Doppelporträts: sie schaut nach rechts und er nach links – sehr ungewöhnlich und in der Renaissance nur in Frankreich zu finden) stellten sich Maria Stuart und Franz II. den anderen Monarchen im Abendland, ihren eigenen hohen und niederen Adligen und ihrem Volk als das neue französische Königspaar vor. Beide sind in der zweiten Phase einer Trauerzeit gekleidet, die in Frankreich durch die Farben Weiß und Schwarz leicht zu erkennen ist. Der Vater von Franz II., der französische König Heinrich II., war im Juli 1559 in einem Turnier tödlich verletzt worden. Für sechs bis neun Monate trugen seine Familienangehörigen das im gesamten Abendland vorgeschriebene tiefe Schwarz. Dies ist die sogenannte erste Phase einer Trauerzeit. Dann folgt die zweite, in der die französischen Mitglieder der Königsfamilie sich in Weiß und Schwarz kleiden und die ein Jahr nach dem Tod des wichtigen männlichen Familienmitgliedes endet, in diesem Fall im Juli 1560. Der Kragen ist ganz speziell. Er wurde in Frankreich nur von ungefähr 1559 bis 1563/65 getragen. Als Katharina de' Medici im Jahr 1575 oder später beschloss, ihre Familie in einem Gemälde festzuhalten, diente dieses Porträt von Maria Stuart als Vorlage, um sie wiederzugeben, da es, wie oben beschrieben, zur Zeit ihrer Herrschaft als Königin von Frankreich erstellt worden war (siehe Bild unten: "Katharina de' Medici und ihre Familie").