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13/02/2024

Wie sah Anna von Sachsen (1544-1577), die Prinzessin von Oranien, wirklich aus?

Abb. 1: Anna von Sachsen (1544-1577), die Prinzessin von Oranien, als die Liebesgöttin Venus

Da auf sämtlichen Wikipedias erneut Unsinn (Stand Februar 2024) bezüglich der äußeren Erscheinung von Anna von Sachsen (1544-1577) zu finden ist, ist es auch hier nötig, Korrekturen vorzunehmen. Wie Anna von Sachsen wirklich ausgesehen hat, wissen wir dank eines Identifikationsporträts von ihr (Abb. 1). Identifikationsporträts sind bei der Identifizierung der Herren und Damen auf den wunderschönen Porträtgemälden der Renaissance von sehr großem Wert, denn die Maler hatten durch die Hinzufügung von Symbolen (oder Emblemen) oder Wappen alles getan, um die Dargestellten problemlos identifizieren zu können.

Außer den Frauen der mailändischen Dynastien der Visconti und der Sforza ließen sich nämlich in der Renaissance nur die Frauen der Wettiner noch als die römische Liebesgöttin Venus verewigen. Diese Göttin war die mythologische Stammmutter der Visconti und damit auch der Sforza, und als Letztere im Jahr 1500 ihr mailändisches Herzogtum verloren hatten, gab es eine Reihe von Dynastien, die Anspruch auf deren Nachfolge erhoben, unter anderen die Wettiner, die dies mit Hilfe der Malerei, einem sehr wichtigen Werkzeug in der Propagandamaschinerie der Vergangenheit, auch deutlich zum Ausdruck brachten (Abbn. 1, 2, 3, 4, 5, 6).

Abb. 2: Anna Weller, die heimliche Gattin des sächsischen Kurfürsten Friedrich des Weisen, als die Liebesgöttin Venus
Abb. 3: Magdalene von Sachsen (1507-1535), die erste Gattin des Kurfürsten Joachim II. von Brandenburg, als die Liebesgöttin Venus
Abb. 4: Katharina von Mecklenburg-Schwerin (1487-1561), die Gattin des sächsischen Herzogs Heinrich V., als die Liebesgöttin Venus
Abb. 5: Aemilie von Sachsen (1516-1591), die Gattin des Markgrafen Georg von Brandenburg-Ansbach, als die Liebesgöttin Venus
Abb. 6: Annas Mutter Agnes von Hessen (1527-1555), die Gattin des sächsischen Kurfürsten Moritz, als die Liebesgöttin Venus

Die Frauen der Wettiner liebten zudem diese klobigen, ringförmigen, goldenen, relativ enganliegenden Halsbänder, mit denen sie sich in ihren Porträts sehr häufig zu schmücken pflegten (Abbn. 7 und 8) und die wir auch bei Anna und ihrer Mutter Agnes auf ihren „Venusbildern“ (Abb. 1, Abb. 6 und Abb. 9) finden können.

Abb. 7: Magdalene von Sachsen (siehe Abb. 3)
Abb. 8: Annas Tante Sidonie von Sachsen (1518-1575), die Gattin des Herzogs Erich II. von Braunschweig-Calenberg
Abb. 9: Anna von Sachsen erneut als die römische Liebesgöttin Venus (mit der orangen Schleife im Haar als symbolische Farbe für Oranien)

Daher wissen wir durch die Halskette und die Darstellung der Dame in der Abbildung 1 als die römische Göttin Venus, dass es sich bei der Abgebildeten um eine sächsische Prinzessin handeln muss. Um welche genau, verrät uns zudem der kleine Liebesgott Amor. Denn es handelt sich bei dieser Abbildung, wie bereits erwähnt, um ein Identifikationsporträt. Die Flügel des kleinen Liebesgottes sind mit den symbolischen Farben des Hauses Nassau, Gold und Blau (Abb. 10), geschmückt. Und wenn Sie sich die Stammtafeln der Wettiner und Nassauer anschauen, dann werden Sie entdecken, dass nur eine einzige sächsische Prinzessin einen Nassauer geheiratet hat, nämlich unsere „Anna“. Und können Sie die orange Schleife vorne im Haar entdecken (die symbolische Farbe für Oranien)?

Abb. 10: Das Wappen von Nassau

Auf den Wikipedias wird im Prinzip nur kopiert. Daher verbreitet sich der Unsinn auf dieser Seite auch sehr schnell in der ganzen Welt. So finden Sie hier mittlerweile drei Abbildungen (Abbn. 11, 12 und 14), die angeblich Anna von Sachsen darstellen sollen. Durch die Frisuren und die Mode der Damen lassen sich die Porträtzeichnung, der Stich und das Porträtgemälde zeitlich leicht datieren. Die erste Zeichnung (Abb. 11) ist erst im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts entstanden, als Anna von Sachsen bereits nicht mehr am Leben war. Wer die Dame in der Abbildung 11 ist, kann ich Ihnen leider nicht sagen. Sie gehört nicht zum hohen Adel und ist daher nicht zu identifizieren.

Abb. 11: Mit Sicherheit nicht Anna von Sachsen (Vergessen Sie das Gekritzel unterhalb der Zeichnung; Porträtzeichnungen und -gemälde in der Renaissance enthielten keine schriftlichen Zusätze, die in den meisten Fällen im 19. Jahrhundert von Kuratoren oder Besitzern dieser Kunstwerke hinzugefügt wurden und die überdies nur deren persönliche Meinung wiedergeben.)

Der Stich der jungen Dame oder des Mädchens auf der Abbildung 12 hat von mir die Bezeichnung "das Piltdown-Porträt" erhalten. Haben Sie schon einmal etwas über den "Piltdown-Menschen" gehört? Im Jahr 1912 wurde in England ein Schädel entdeckt, der von der Mehrheit der damaligen Paläontologen und Anthropologen zum ältesten Fund unserer Menschwerdung erklärt wurde. Erst im Jahr 1953 stellte man fest, dass es sich bei diesem Schädel um einen großen Schwindel handelte, denn er setzte sich aus Bruchstücken eines Schädels aus dem Mittelalter, dem Kiefer eines Orang-Utans und den Zähnen eines Schimpansen zusammen. In der Abbildung 12 haben wir es ebenfalls mit einem Sammelsurium von Zutaten aus den verschiedenen Jahrhunderten zu tun. Mit Sicherheit wurde dieser Stich nicht im 16. Jahrhundert gefertigt. Wenn Sie den Text lesen, wird Ihnen sofort ein großer Fehler auffallen, der niemandem zu dieser Zeit passiert wäre. Anna von Sachsen war die Tochter eines Kurfürsten, nicht eines Herzogs. Auf den korrekten Rangtitel wurde in der gesamten Vergangenheit großer Wert gelegt. Die bayrischen Herzöge und die österreichischen Erzherzöge stritten sich ständig, wer wem den Vortritt lassen musste. Das Wappen ist zudem nicht korrekt wiedergegeben worden, was niemals im 16. Jahrhundert geschehen wäre (Abb. 13). Überdies war Anna von Sachsen um 1566, als dieser Stich gefertigt sein soll, bereits verheiratet. Aber das Wappen ihres Gatten fehlt.

Abb. 12: Das "Piltdown Porträt"
Abb. 13: Das korrekte Wappen von Anna von Sachsen (Das Bild befindet sich im Sächsischen Stammbuch, Dresden, Sächsische Landesbibliothek, Staats- und Universitätsbibliothek)

Im Gegensatz zu der Abbildung 11 gehört die Dargestellte in der Abbildung 12 jedoch in der Tat zu einer hohen adligen Familie und kann daher einer Dynastie und einer Zeitspanne zugeordnet werden. Die schwere Kette mit dem großen Anhänger zeigt uns, dass wir es bei ihr mit einer Habsburgerin des österreichischen Hauses zu tun haben. Die Frisur war bei dieser Dynastie bei den Mädchen und Frauen von ungefähr 1560 bis ungefähr 1580 in Mode. Diese schwere Kette, die mit unterschiedlichen Anhängern versehen werden konnte, finden wir auch bei der Abbildung 14. Vergleichen Sie diesen Anhänger der Abbildung 14, der aus einem Rubin und einem Smaragd (symbolische Bedeutung für Ungarn) besteht, bitte mit demjenigen der Erzherzogin Johanna von Österreich (1547-1578) (Abb. 15). Die Frage, ob es sich bei den Dargestellten in den Abbildungen 12 und 14 um ein und die gleiche Person handelt, kann leider nicht beantwortet werden. Auf alle Fälle handelt es sich in der Abb. 14 um Elisabeth von Österreich (1554-1592), die zweite Tochter des Kaisers Maximilian II. und Königin von Frankreich, da sie die einzige österreichische Erzherzogin in der Zeitspanne von 1560 bis 1580 war, die dunkles Haar aufwies (Abb. 16). Bei der Abbildung 12 könnte als Vorlage für diesen Stich auch ein Porträt ihrer älteren Schwester Anna von Österreich, Königin von Spanien, verwendet worden sein (Abb. 17).

Abb. 14: Angeblich Anna von Sachsen (1544-1577), aber Elisabeth von Österreich (1554-1592), die Königin von Frankreich
Abb. 15: Johanna von Österreich (1547-1578), die Großherzogin von der Toskana
Abb. 16: Elisabeth von Österreich (1554-1592) (links), Königin von Frankreich, und das angebliche Porträt von Anna von Sachsen (rechts)
Abb. 17: Anna von Österreich (1549-1580) (links), Königin von Spanien, und das angebliche Porträt von Anna von Sachsen (rechts)

Lesetipp: "Wie sah Elisabeth von Rochlitz wirklich aus?"

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Anna von Sachsen – Gattin von Wilhelm von Oranien
124 Seiten, mit Stammtafeln und 64 SW-Bildern, ISBN 978-1-9733-1373-1, 4. überarbeitete Auflage, € 7,80
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