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01/12/2022

Wie sah Anna von Sachsen (1544-1577), die Prinzessin von Oranien, wirklich aus?

Abb. 1: Anna von Sachsen (1544-1577), die Prinzessin von Oranien, als die Liebesgöttin Venus

Da auf sämtlichen Wikipedias erneut Unsinn bezüglich der äußeren Erscheinung von Anna von Sachsen (1544-1577) zu finden ist, ist es auch hier nötig, Korrekturen vorzunehmen. Wie Anna von Sachsen wirklich ausgesehen hat, wissen wir dank eines Identifikationsporträts von ihr (Abb. 1). Identifikationsporträts sind bei der Identifizierung der Herren und Damen auf den wunderschönen Porträtgemälden der Renaissance von sehr großem Wert, denn die Maler hatten durch die Hinzufügung von Symbolen (oder Emblemen) oder Wappen alles getan, um die Dargestellten problemlos identifizieren zu können.

Außer den Frauen der mailändischen Dynastien der Visconti und der Sforza ließen sich nämlich nur die Frauen der Wettiner noch als die römische Liebesgöttin Venus verewigen. Diese Göttin war die mythologische Stammmutter der Visconti und damit auch der Sforza, und als Letztere im Jahr 1500 ihr mailändisches Herzogtum verloren hatten, gab es eine Reihe von Dynastien, die Anspruch auf deren Nachfolge erhoben, unter anderen die Wettiner, die dies mit Hilfe der Malerei, einem sehr wichtigen Werkzeug in der Propagandamaschinerie der Vergangenheit, auch deutlich zum Ausdruck brachten (Abbn. 1, 2, 3, 4, 5, 6).

Abb. 2: Anna Weller, die heimliche Gattin des sächsischen Kurfürsten Friedrich des Weisen, als die Liebesgöttin Venus
Abb. 3: Magdalene von Sachsen (1507-1535), die erste Gattin des Kurfürsten Joachim II. von Brandenburg, als die Liebesgöttin Venus
Abb. 4: Katharina von Mecklenburg-Schwerin (1487-1561), die Gattin des sächsischen Herzogs Heinrich V., als die Liebesgöttin Venus
Abb. 5: Aemilie von Sachsen (1516-1591), die Gattin des Markgrafen Georg von Brandenburg-Ansbach, als die Liebesgöttin Venus
Abb. 6: Annas Mutter Agnes von Hessen (1527-1555), die Gattin des sächsischen Kurfürsten Moritz, als die Liebesgöttin Venus

Die Frauen der Wettiner liebten zudem diese klobigen, ringförmigen, goldenen, relativ enganliegenden Halsbänder, mit denen sie sich in ihren Porträts sehr häufig zu schmücken pflegten (Abbn. 7 und 8) und die wir auch bei Anna und ihrer Mutter Agnes auf ihren „Venusbildern“ (Abb. 1, Abb. 6 und Abb. 9) finden können.

Abb. 7: Magdalene von Sachsen (siehe Abb. 3)
Abb. 8: Annas Tante Sidonie von Sachsen (1518-1575), die Gattin des Herzogs Erich II. von Braunschweig-Calenberg
Abb. 9: Anna von Sachsen erneut als die römische Liebesgöttin Venus

Daher wissen wir durch die Halskette und die Darstellung der Dame in der Abbildung 1 als die römische Göttin Venus, dass es sich bei der Abgebildeten um eine sächsische Prinzessin handeln muss. Um welche genau, verrät uns zudem der kleine Liebesgott Amor. Denn es handelt sich bei dieser Abbildung, wie bereits erwähnt, um ein Identifikationsporträt. Die Flügel des kleinen Liebesgottes sind mit den symbolischen Farben des Hauses Nassau, Gold und Blau (Abb. 10), geschmückt. Und wenn Sie sich die Stammtafeln der Wettiner und Nassauer anschauen, dann werden Sie entdecken, dass nur eine einzige sächsische Prinzessin einen Nassauer geheiratet hat, nämlich unsere „Anna“.

Abb. 10: Das Wappen von Nassau

Auf den Wikipedias wird im Prinzip nur kopiert. Daher verbreitet sich der Unsinn auf dieser Seite auch sehr schnell in der ganzen Welt. So finden Sie hier zwei Abbildungen (Abbn. 11 und 12), die angeblich Anna von Sachsen darstellen sollen. Beide Zeichnungen sind jedoch erst im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts entstanden, als Anna von Sachsen bereits nicht mehr am Leben war. Die Frisuren und die Mode der Damen lassen die Porträtzeichnungen zeitlich leicht datieren. Wer die Dame auf der Abbildung 11 ist, kann ich Ihnen leider nicht sagen. Sie gehört nicht zum hohen Adel und ist daher nicht zu identifizieren. Die junge Dame oder das Mädchen auf der Abbildung 12 ist ebenfalls erst im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts geboren worden. Wie das zugefügte Wappen uns zeigt, handelt es sich bei ihr um eine sächsische Prinzessin. Schauen wir in die Stammtafel der Wettiner, kann es sich bei ihr nur um die sächsische Prinzessin Sophia, geboren am 29. April 1587, oder ihre jüngere Schwester Dorothea, geboren am 7. Januar 1591, zwei Töchtern des sächsischen Kurfürsten Christian I., handeln. Ich tippe auf die sächsische Prinzessin Sophia (Abb. 13). Im Gegensatz zum Identifikationsporträt von Anna von Sachsen können wir jedoch in diesem Fall nicht ausschließen, dass die Dargestellte in der Abb. 12 auch deren jüngere Schwester Dorothea sein könnte.

Abb. 11: Mit Sicherheit nicht Anna von Sachsen (Vergessen Sie das Gekritzel unterhalb der Zeichnung; Porträtzeichnungen und -gemälde in der Renaissance enthielten keine schriftlichen Zusätze, die in den meisten Fällen im 19. Jahrhundert von Kuratoren oder Besitzern dieser Kunstwerke hinzugefügt wurden und die überdies nur deren persönliche Meinung wiedergeben.)
Abb. 12: Die sächsische Prinzessin Sophia oder ihre jüngere Schwester Dorothea
Abb. 13: Sophia von Sachsen (1587-1620) mit ihrem Gatten, dem Herzog Franz I. von Pommern
als Buch und E-book

Anna von Sachsen – Gattin von Wilhelm von Oranien
124 Seiten, mit Stammtafeln und 64 SW-Bildern, ISBN 978-1-9733-1373-1, 4. überarbeitete Auflage, € 7,80
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