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Frohe Weihnachten / Merry Christmas

Eine wunderschöne Adventszeit, ein frohes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins Neue Jahr 2025 wünscht Ihnen, meine lieben Leser und Leserinnen, Ihre Maike Vogt-Lüerssen von Downunder.

Möge das nächste Jahr Ihnen Gesundheit und viel Liebe schenken. Ganz besonders möchte ich mich bei denjenigen bedanken, die meine Bücher und E-Books gekauft haben und mir damit ermöglichen, meiner großen Leidenschaft, der Geschichte, weiterhin nachgehen zu können.

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07/07/2022

Wie sah Elisabeth von Rochlitz wirklich aus?

Abb. 1: Wie Elisabeth von Hessen (1502-1557), die Herzogin von Sachsen, die als Witwe unter dem Namen "Elisabeth von Rochlitz" in die Geschichte einging, wirklich aussah. Ausschnitt von einem Bild im Sächsischen Stammbuch, Dresden, Sächsische Landesbibliothek, Staats- und Universitätsbibliothek
Es ist eigentlich nicht schwer herauszubekommen, wie Elisabeth wirklich ausgesehen hat. Es gibt schließlich das Sächsische Stammbuch von 1546, das sich in Dresden in der Sächsischen Landesbibliothek befindet und das seit einigen Jahren auch mit Hilfe des Internets für jeden zugänglich ist. Die Porträts der Herren und Damen, die im 15. und 16. Jahrhundert gelebt hatten, sind in diesem Buch z. T. wirklich sehr gut gelungen, und man kann in der Tat die unterschiedlichen Gesichtszüge der einzelnen Mitglieder der sächsischen Dynastie der Wettiner kennenlernen. Das ist nicht immer der Fall, wenn man die Porträtgemälde des 15. und 16. Jahrhunderts betrachtet. Der Grundstock dieser Handschrift, bei der es sich um eine genealogische Sammlung von 334 Bildnissen der sächsischen Herrscher und ihrer Familienmitglieder von der Zeit Alexanders des Großen bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts handelt, wurde um 1497/98 angefertigt. In den Jahren 1532 und 1546 kamen Ergänzungen hinzu, die für uns bei der Aufklärung, wie Elisabeth von Rochlitz wirklich ausgesehen hat, sehr behilflich sind. Elisabeth hatte helles blondes Haar, eine Stupsnase und einen sehr charakteristischen Mund, bei dem die Oberlippe sehr klein ausfällt und die volle Unterlippe hervorsteht. Auch ihr Bruder, der hessische Landgraf Philipp I. der Großmütige, weist einen ähnlichen Mund auf.
Abb. 2: Kurfürst Ernst von Sachsen (1441-1486) mit seiner Gattin, Elisabeth von Bayern (1443-1484) (von der der Maler keine Ahnung hatte, wie sie aussah, was er uns auch deutlich zeigt!). Bild im Sächsischen Stammbuch, Dresden, Sächsische Landesbibliothek, Staats- und Universitätsbibliothek
Die Qualität der Porträts im Sächsischen Stammbuch, die im Jahr 1532 und 1546 angefertigt wurden, ist sehr unterschiedlich. Die Maler, bei denen es sich um Lucas Cranach den Älteren (1472-1553) und die Mitarbeiter und Gehilfen in seiner Werkstatt handelt - die Malfähigkeiten der Letzteren lässt leider häufig sehr zu wünschen übrig -, kannten die Mitglieder der beiden sächsischen Häuser persönlich oder durch bereits erstellte Porträtgemälde ihres Meisters. Wenn sie die Abzubildenden nicht kannten und ihnen auch kein authentisches Porträt zum Kopieren zur Verfügung stand, dann scheuten sie sich auch nicht, uns dies zu zeigen.
Abb. 3: Ein weiteres sehr gelungenes Porträt von Elisabeth von Rochlitz mit ihrem sehr hellen blonden Haar und ihrem charakteristischen Mund (Berlin, Staatliche Museen, Gemäldegalerie, Ausschnitt)
Dieses Porträt von Elisabeth von Rochlitz wurde von einem Assistenten von Lucas Cranach dem Älteren im Jahr 1526 erstellt, als jene 24 Jahre alt und seit ungefähr 11 Jahren mit Johann von Sachsen (1498-1537) verheiratet war. Es war eine sehr unglückliche Ehe zwischen diesen beiden, aus der auch keine Kinder hervorgehen sollten, obwohl Elisabeth, wie ihre vielen Scheinschwangerschaften zeigen, sich sehnlich ein Kind gewünscht hatte. Ihr Bruder, der hessische Landgraf Philipp I., übergab ihr daher seine dritte Tochter, Barbara (1536-1597), als Zieh- bzw. Pflegetochter.
Abb. 4: Nicht Elisabeth von Rochlitz, sondern Margarete (oder Margareta) von Sachsen (1518-1535) (Darmstadt, Hessisches Landesmuseum)
Dieses Bild findet man fast überall auf Wikipedia (Stand: 2023). Viele Kunsthistoriker in aller Welt benutzen sehr gern Wikipedia, um ihre wilden Theorien bezüglich der Identifikation einer Dame oder eines Herrn, die auf einem der herrlichen Porträtgemälde der Renaissance abgebildet worden sind, zu verbreiten, und leider werden diese Behauptungen dann von allen anderen Kunsthistorikern und auch Laien unkritisch übernommen. Für mich stellt sich als Erstes die Frage, ist diese Abbildung, die einem Buch von Udo Baumbach: Schloss Rochlitz, Leipzig 2002, entnommen wurde, schon in diesem Werk derart farblich falsch wiedergegeben worden, oder hat der- oder diejenige, die das Bild kopiert oder fotografiert hatte, diesen groben Fehler begangen. Hierzu muss erwähnt werden, dass die beiden sächsischen Häuser, das herzogliche und das kurfürstliche, unterschiedliche Symbolfarben für die Kleider ihrer weiblichen Mitglieder verwendeten. Mit den Farben "Rot und Weiß und ein wenig Gold" ließen sich die Frauen im sächsischen Herzogtum (die Albertiner), die hineingeborenen und die eingeheirateten, in ihren Porträtgemälden zur leichteren Identifizierung darstellen (was nicht heißt, dass nicht auch die Ernestinerinnen im alltäglichen Leben sich mit diesen Farben gern kleideten - sollten sie jedoch auf ihren Porträtgemälden diese Farben gewählt haben, kann es zu Problemen bei der Identifizierung kommen; schließlich wollten diese hohen Damen unsterblich werden und daher auch in der Zukunft leicht zu identifizieren sein). Die Farben "Gold, Schwarz und Weiß" standen für die Prinzessinnen, die hineingeborenen und die eingeheirateten, des kurfürstlichen Hauses (die Ernestiner). Das rote Oberkleid der Dame mit dem weißen Unterkleid auf dieser Abb. 4 würde daher auf ein Mitglied des sächsischen Herzogshauses schließen lassen, und damit wäre Elisabeth von Hessen (Rochlitz), die am 27. August 1515 den sächsischen Prinzen Johann heiratete, in der Tat eine mögliche Kandidatin für die dargestellte Dame im Gemälde. Schauen wir uns daher einmal die Abb. 4 in ihren richtigen Farben an (siehe Abb. 5).
Abb. 5: So sieht das obige Porträt von Margarete von Sachsen mit der richtigen Farbwiedergabe aus! (Darmstadt, Hessisches Landesmuseum)
Die junge Dame mit dem Verlobungskranz auf ihrem Haupt trägt ein golden-schwarzes Oberkleid mit einem weißen Unterkleid und gehört daher nicht zum herzoglichen, sondern zum kurfürstlichen Haus. Ihr Name ist Margarete von Sachsen. Sie ist die jüngste Tochter des sächsischen Kurfürsten Johann des Beständigen (1468-1532) aus seiner zweiten Ehe mit Margarete von Anhalt-Köthen (1494-1521). Sie wurde am 25. April 1518 geboren. Ich habe von ihr drei Abbildungen gefunden, die sie alle mit einem Verlobungskranz auf ihrem Haupt wiedergeben. Um 1530 war Margarete mit Friedrich III. von Liegnitz (1520-1570) verlobt gewesen. Aber zu einer Heirat zwischen den beiden kam es nicht, da Margaretes Vater die Vermählung letztendlich aus religiösen Gründen verbot. Er verdächtigte nämlich den Vater ihres Verlobten, Friedrich II. von Liegnitz (1480-1547), sein Fürstentum "sei mit dem 'zwinglianischen Irrthumb behaftet'". (in: Anne-Simone Knöfel: Dynastie und Prestige – Die Heiratspolitik der Wettiner. Köln, Weimar, Wien 2009, S. 75). Margarete war keine lange Lebenszeit beschert worden. Sie starb bereits am 10. März 1535. Ihre Bildnisse werden heute leider alle als Darstellungen ihrer älteren Schwester Maria oder Marie von Sachsen, geboren am 15. Dezember 1515, betrachtet. Um wen es sich jedoch bei der Abb. 5 wirklich handelt, ob um Margarete oder ihre ältere Schwester Maria oder Marie, zeigt uns wieder einmal das Sächsische Stammbuch.
Abb. 6: Margarete (oder Margareta) von Sachsen (rechts) mit ihrer älteren Schwester Maria (oder Marie) (1515-1583) (Bild im Sächsischen Stammbuch, Dresden, Sächsische Landesbibliothek, Staats- und Universitätsbibliothek)
Für die Beantwortung der Frage, um welche der beiden Schwestern es sich auf der Abb. 5 handelt, braucht man keine geschichtlichen Vorkenntnisse, sondern nur gute Augen und die Fähigkeit, Gesichter erkennen und unterscheiden zu können. Selbstverständlich ist in der Abb. 5 und den von mir gefundenen zwei weiteren Abbildungen Margarete von Sachsen dargestellt worden. Von Maria oder Marie von Sachsen habe ich bisher außer auf der Abb. 6, auf der sie zusammen mit ihrer jüngeren Schwester abgebildet wurde, drei weitere Porträts gefunden. Sie starb als letztes Kind des sächsischen Kurfürsten Johann des Beständigen am 7. Januar 1583 und überlebte damit alle ihre Geschwister, ihren Halbbruder, den sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich I. den Großmütigen (1503-1554), ihre Schwester Margarete (1518-1535) und ihre Brüder Johann, geboren am 19. August 1519 und gestorben am 26. September 1519, und Johann Ernst (1521-1553), den Herzog von Sachsen-Coburg. Am 27. Februar 1536 heiratete sie den Herzog Philipp I. von Pommern († 1560) - ihre Trauung war von Martin Luther persönlich vorgenommen worden - und schenkte ihrem Gatten folgende zehn Kinder: Georg (1540-1544), Johann Friedrich I. (1542-1600), Bogislaw XIII. (1544-1606), Ernst Ludwig (1545-1592), Amalie (1547-1580), Barnim XII. (1549-1603), Erich (geboren und gestorben im Jahr 1551), Margarete (1553-1581), Anna (1554-1626) und Kasimir IX. (1557-1605).
Abb. 7: Nicht Elisabeth von Rochlitz, sondern ihre Schwägerin Christine von Sachsen (1505-1549) (Washington, National Gallery of Art)
Auf der Wikipedia in Portugal finden Sie dieses Porträt, das angeblich Elisabeth von Rochlitz darstellen soll. Es handelt sich wieder um eine der vielen unfundierten Behauptungen der Kunsthistoriker. Mit Hilfe ihres roten Oberkleides und ihres weißen Unterkleides und dem hinzugefügten Goldschmuck - also der Tracht einer sächsischen Prinzessin des Herzogshauses - ist die Prinzessin leicht zu identifizieren. Elisabeth von Hessen (Rochlitz) wurde erst mit 13 Jahren mit Christines Bruder Johann verheiratet. Erst nach ihrer Heirat durfte sie sich neben den spezifischen Farben des Hauses von Hessen, dem Schwarz, Rot und Weiß und dem geliebten Dunkelgrün, auch mit den spezifischen Farben des sächsischen Herzogshauses darstellen lassen. Das dargestellte Mädchen ist jedoch nicht älter als acht Jahre. Bei ihr kann es sich daher nur um Christine von Sachsen (1505-1549) oder ihre jüngere Schwester Magdalene (1507-1535) handeln, denn ihre älteren Schwestern Anna, geboren am 21. Januar 1500 und gestorben am 23. Januar 1500, und Agnes, geboren am 7. Januar 1503 und gestorben am 16. April 1503, und ihre jüngere Schwester Margarete, geboren am 7. September 1508 und gestorben im Jahr 1510, erreichten ihr achtes Lebensjahr nicht. Da es von Magdalene von Sachsen, geboren am 7. März 1507, die am 6. November 1524 mit dem zukünftigen Kurfürsten Joachim II. von Brandenburg (1505-1571) verheiratet wurde, viele Porträts gibt, bleibt als Kandidatin im Prinzip nur noch Christine von Sachsen übrig, die am 25. Dezember 1505 das Licht der Welt erblickt hatte.
Abb. 8: Christine von Sachsen als ältere Dame (Museumslandschaft Hessen Kassel)
Das Porträt von Christine von Sachsen als ältere Dame wurde von Jost vom Hoff erstellt, der zwischen 1578 und 1592 als Maler tätig war. Da Christine bereits am 15. April 1549 gestorben war, war er ihr vermutlich nie persönlich begegnet. Die Augen von Christine in diesem Porträt sind jedoch so perfekt wiedergegeben worden, dass der Maler Jost vom Hoff für die Erstellung dieses Gemäldes eine gute Vorlage gehabt haben muss. Christine wurde im Jahr 1523 mit dem Schwager ihres älteren Bruders Johann, dem hessischen Landgrafen Philipp I. (1504-1567), verheiratet. Ihre Ehe verlief wie so viele Ehen bei den Wettinern sehr unglücklich. Christine schenkte ihrem Mann im Jahr 1527 die Tochter Agnes († 1555), im Jahr 1529 die Tochter Anna († 1591), im Jahr 1532 den Sohn Wilhelm IV. († 1592), im Jahr 1534 den Sohn Philipp Ludwig († 1535), im Jahr 1536 die Tochter Barbara, im Jahr 1537 den Sohn Ludwig IV. und im Jahr 1539 die Tochter Elisabeth. Sie hatte also bis zum Jahr 1539, in dem ihr Gatte so schwer an der Syphilis litt, die er sich durch seine vielen außerehelichen Liebesaffären zugezogen hatte, jenem bereits sieben Kinder geboren. Philipp I. hatte bereits alle Hoffnung aufgegeben, von dieser schrecklichen Krankheit jemals befreit werden zu können, und versprach Gott deshalb, fortan sein Leben zu ändern. Als er gesundete, erklärte er jedoch, dass ihm seine Gattin Christine so zuwider wäre, dass er mit ihr nicht weiterhin geschlechtlich verkehren könne. Er habe "nihe liebe oder brunstlichkeit zu irr gehabt", weil sie zwar fromm, aber unfreundlich und hässlich sei und überdies übel rieche. Aber zur Enthaltsamkeit sei er ebenfalls nicht fähig. Da eine Scheidung in der katholischen Kirche und auch in der neuen protestantischen Religion nicht möglich war, wurde nach einer anderen Lösung gesucht. In der katholischen Kirche hätte die Ehe annulliert werden können, falls es bei Philipp und Christine nie die körperliche Vollziehung der Vermählung gegeben hätte, also Christine weiterhin eine Jungfrau gewesen wäre. Aber jene hatte im Jahr 1539 bereits sieben Kindern das Leben geschenkt. Im Protestantismus gab es ebenfalls nicht das Recht der Scheidung. Martin Luther, Philipp Melanchthon und Martin Bucer, drei führende Männer in der protestantischen Glaubensbewegung, gestanden dem hessischen Landgraf jedoch das Recht einer Doppelehe zu, denn sie fanden in der Bibel im Gegensatz zur Scheidung kein Verbot für Letztere. Schließlich hatten Abraham und Jakob ebenfalls mehrere Gattinnen. So heiratete Philipp I. am 4. März 1540 in aller Heimlichkeit die 17-jährige Hofdame seiner Schwester Elisabeth von Rochlitz, Margarete von der Sale (oder von der Saal), und machte sich hiermit laut der kaiserlichen Halsgerichtsordnung von 1532 wegen begangener Bigamie schwer schuldig. Denn auf Bigamie stand die Todesstrafe (Ertränken im Sack oder Enthauptung). Christine, die ihr Einverständnis zu dieser Doppelehe gegeben hatte, schenkte ihrem Mann bis zu ihrem Tod im Jahr 1549 noch drei weitere Kinder, den Sohn Philipp II. († 1583), geboren im Jahr 1541, die Tochter Christine († 1604), geboren im Jahr 1543, und den Sohn Georg I. († 1596), geboren im Jahr 1547. Margarete von der Sale brachte ihm derweil von 1541 bis 1557 noch neun weitere Kinder, sieben Söhne und zwei Töchter, auf die Welt, denen nach dem Tod ihres Vaters im Jahr 1567 wegen ihrer älteren Halbbrüder ein schweres Leben bevorstand (siehe hierzu die Lebensgeschichte einer dieser Söhne: Graf Christoph Ernst von Dietz (oder Diez)).
Abb. 9: Nicht Elisabeth von Rochlitz, sondern Elisabeth von Sachsen (1552-1590) (Dresden, Staatliche Kunstsammlungen)
Dies ist wohl mit Abstand der dümmste Vorschlag, dass es sich bei der Abgebildeten um Elisabeth von Rochlitz handle, denn der- oder diejenige, die für diese Behauptung verantwortlich ist, wusste, dass das Mädchen bzw. die junge Frau den Namen "Elisabeth von Sachsen" trug. Elisabeth von Rochlitz durfte sich nicht "Elisabeth von Sachsen" nennen, da sie nicht in die sächsische Dynastie hineingeboren worden war. Sie war keine sächsische, sondern eine hessische Prinzessin. Sie war "Elisabeth von Hessen", die jedoch durch ihre Heirat mit Johann von Sachsen den Titel "Herzogin von Sachsen" (nicht "Elisabeth von Sachsen") tragen durfte. Es ist sehr wichtig, die Traditionen der Vergangenheit zu kennen. Die Kostümgeschichte sagt uns zudem, dass wir uns, was das Porträt betrifft, in den 60er und 70er Jahren des 16. Jahrhunderts befinden, in dem die Kleidung und die Kopfbedeckung der Abgebildeten in Mode waren. Elisabeth von Hessen (Rochlitz) war zu dieser Zeit nicht mehr am Leben. Sie starb am 6. Dezember 1557 im Alter von 55 Jahren. Bei der Dargestellten handelt es um Elisabeth von Sachsen († 1590), dem dritten Kind des sächsischen Kurfürsten August (1526-1586) und seiner Gattin Anna von Dänemark (1532-1585), die am 18. Oktober 1552 das Licht der Welt erblickte. Elisabeth wurde im Jahr 1570 mit dem Pfalzgrafen Johann Kasimir von Simmern (1543-1592), einem engen Freund des Nassauers Wilhelm von Oranien (1533-1584), verheiratet, und lebte wie ihre Cousine Anna von Sachsen (1544-1577), der Tochter des sächsischen Kurfürsten Moritz (1521-1553), in einer sehr unglücklichen Ehe. Vielen Prinzessinnen aus dem Hause der Wettiner wie Anna von Sachsen wurde von ihren Ehemännern Ehebruch vorgeworfen, um sie als Gattinnen loszuwerden. Eine Scheidung war aus diesem Grund zumindest im Calvinismus, zu dem Wilhelm von Oranien konvertiert war, erlaubt. Lesen Sie unbedingt, wie es Anna von Sachsen, der Prinzessin von Oranien, in ihrer Ehe erging. Bis heute ist ihr, obwohl sämtliches zeitgenössisches historisches Material noch vorhanden ist, das ihre Unschuld bestätigt, und wir heute überdies DNA-Proben vornehmen können, die beweisen werden, dass ihr angeblich uneheliches Kind ein Kind von Wilhelm von Oranien selbst und nicht von Jan Rubens, ihrem angeblichen Liebhaber, war, keine Gerechtigkeit widerfahren!
Abb. 10: Nicht Elisabeth von Rochlitz, sondern ihre Nichte Christine von Hessen (1543-1604), Herzogin von Holstein-Gottorf (Museum Schloss Wilhelmsburg Schmalkalden)
Nun kommen wir zu dem Porträtgemälde (Abb. 10), das in den wissenschaftlichen Abhandlungen, in Geschichtsbüchern und historischen Artikeln, am häufigsten zu finden ist. Bei der Dargestellten kann es sich nicht um Elisabeth von Rochlitz handeln. Statt der sehr hellen blonden Haare von Elisabeth von Hessen (Rochlitz) weist diese Frau braune Haare auf, statt der Stupsnase von Elisabeth von Hessen besitzt sie eine prominente Nase und statt der fast fehlenden Oberlippe von Elisabeth von Hessen zeigt sie uns eine volle Oberlippe. Hinzu sagt uns die Kostümgeschichte, dass die ungefähr 20- bis 25-jährige Dame in den 60er oder 70er Jahren des 16. Jahrhunderts gemalt worden ist, und Elisabeth von Hessen (Rochlitz) starb im Jahr 1557 im Alter von 55 Jahren. Selbstverständlich wurden nach dem Tod einer Person, wenn sie in ihrer Familie und Verwandtschaft sehr geliebt worden war oder eine hohe, angesehene Gestalt in ihrer Dynastie darstellte, noch Porträts von ihnen gefertigt. Man bediente sich dann als Vorlage alter Originale, Porträtgemälden oder -zeichnungen, um die Person so wiederzugeben, wie sie zu ihren Lebzeiten ausgesehen hatte, und selbstverständlich wurde sie in der Mode ihrer eigenen Zeit gemalt. Bei der Dargestellten in der Abb. 10 kann es sich also nicht um Elisabeth von Rochlitz handeln, aber die Hauptfarbe ihres Oberkleides könnte auf ein Mitglied der nächsten Generation in der hessischen Landgrafenfamilie hinweisen. Daher schauen wir uns einmal die Töchter von Philipp I. dem Großmütigen aus seiner ersten Ehe mit Christine von Sachsen an. Die Töchter aus der zweiten, standesungemäßen Heirat fallen weg, da sie nicht das Recht hatten, sich mit der symbolischen Farbe des hessischen Hauses zu schmücken. Und zu unserem großen Glück gibt es von den fünf Töchtern von Philipp I. aus seiner ersten Ehe noch Porträts: Agnes von Hessen (1527-1555), Anna von Hessen (1529-1591), Barbara von Hessen (1536-1597), Elisabeth von Hessen (1539-1582) und Christine von Hessen (1543-1604). Bei der Dame in der Abb. 10 handelt es sich also um Christine von Hessen, die das braune Haar, die prominente Nase, die volle Oberlippe und das spitze Kinn der unbekannten obigen Adligen aufweist. Christine von Hessen († 1604) erblickte am 29. Juni 1543 als neuntes Kind ihrer Eltern das Licht der Welt. Sie wurde am 17. Dezember 1564 im Alter von 21 Jahren mit dem 38-jährigen Herzog Adolf von Holstein-Gottorf (1526-1586) verheiratet und schenkte ihrem Gatten zehn Kinder, unter anderen ihre Tochter Christine (1573-1625), die im Jahr 1592 mit Karl IX. (1550-1611), der von 1604-1611 als König Schweden regierte, vermählt wurde. Eines von deren vier Kindern war der berühmte Schwedenkönig des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648): Gustav II. Adolf (1594-1632). Die Dame in der Abb. 10 war also die Großmutter des Helden des Dreißigjährigen Krieges, des schwedischen Königs Gustav II. Adolf, und eine Nichte der berühmten Elisabeth von Rochlitz. Finden Sie nicht auch, dass Christines Enkelin Maria Elisabeth von Schweden (1596-1618), eine Tochter von Christine von Holstein-Gottorf und Herzogin von Östgötland, sehr große Ähnlichkeit mit ihr aufwies?
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Anna von Sachsen – Gattin von Wilhelm von Oranien
124 Seiten, mit Stammtafeln und 64 SW-Bildern, ISBN 978-1-9733-1373-1, 4. überarbeitete Auflage, € 7,80
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