Eine Begebenheit aus dem Leben Friedrich Wilhelms I.: "Friedrich Wilhelm hatte sich von Wusterhausen nach Potsdam begeben. Dort war er in aller Herrgottsfrühe spazierengegangen und hatte erlebt, daß der Potsdamer Postmeister die mit der Nachtpost aus Hamburg angekommenen Reisenden vergebens an seine Tür klopfen und ungerührt auf der Straße warten ließ. Flugs hatte der König die Tür aufgebrochen, den pflichtvergessenen Postmeister mit dem Stock aus dem Bett geprügelt und sich bei den verblüfften Passagieren für diese Schlamperei entschuldigt." (in: Wolfgang Venohr: Der Soldatenkönig - Revolutionär auf dem Thron, ebenda, S. 108).
"Jeden Morgen schrubbte er [Friedrich Wilhelm I.] sich mit eiskaltem Brunnenwasser Gesicht, Hals und Oberkörper. Immer wieder reinigte er sich tagsüber in einem hölzernen Waschgefäß die Hände. Aus den Schloßzimmern verbannte er die gepolsterten Stühle und Kanapees, aus denen dichte Wolken von Staub, Bazillen und Bakterien aufgestiegen waren, wenn man sich hingesetzt hatte. Statt dessen wurden überall hölzerne Stühle und Bänke aufgestellt, die sich gründlich scheuern ließen. Friedrich Wilhelm holte Holländer als Kastellane nach Berlin und Potsdam, die den einheimischen brandenburgischen Schmutzfinken holländische Reinlichkeit in den Schlössern vorexerzierten ... Denn peinlichste Sauberkeit paarte sich bei diesem Monarchen mit strengster Ordnungsliebe. Alles mußte seinen festen, vorbestimmten Platz haben. Und was für den Ort galt, galt ebenso für die Zeit: Pünktlichkeit in allem wurde nun zum obersten Gesetz in Preußen. Friedrich Wilhelm lief im Gesicht blaurot an und seine vorstehenden Augen begannen fürchterlich zu stieren, wenn er irgendwo Unordentlichkeit sah oder irgendwann auf Unpünktlichkeit traf. Sofort holte er dann mit seinem buchenen Stock aus und ließ ihn auf dem Rücken seiner armen Untertanen tanzen. ... Ganz gleich, ob sich Friedrich Wilhelm in Berlin, Potsdam oder Wusterhausen aufhielt, es kamen immer Mittage vor, an denen der König nicht an der Schloßtafel erschien, sondern unterwegs war, um bei Bürgern oder Bauern plötzlich in die Häuser zu treten, wenn ihm aus den Küchen ein verführerischer Duft in die Nase gestiegen war. Dann schaute er ungeniert in die Kochtöpfe und diskutierte mit den Hausfrauen über die letzten Marktpreise, über den Verkaufspreis für Grünkohl oder Weißkohl beispielsweise, seine liebsten Gemüsesorten. Kam er dann in das Schloß zurück, so grinste er still vor sich hin, fest entschlossen, seinen eigenen Köchen bei der Monatsendabrechnung besser auf die Finger zu sehen." (in: Wolfgang Venohr: Der Soldatenkönig - Revolutionär auf dem Thron, ebenda, S. 113-114/116).
Das sogenannte Tabakkollegium: "Jedes der drei Schlösser [in Berlin, Potsdam und Wusterhausen] hatte ein eigenes Rauchzimmer zu diesem Zweck, mit einem kärglich eingerichteten Nebenraum. Die Gesellschaft, die sich dort regelmäßig versammelte, bestand gewöhnlich aus sechs bis acht Personen. Ständige Mitglieder waren Fürst Leopold von Anhalt-Dessau [Cousin seines Vaters Friedrich I.], der österreichische Gesandte Graf Seckendorff sowie der engste Berater Friedrich Wilhelms, Generalleutnant von Grumbkow. Alle anderen waren Offiziere, zu denen sich noch der Kammerherr von Pöllnitz und ab 1717 der Professor Gundling gesellten .... Unter den Offizieren befanden sich auch solche niedriger Dienstgrade, also Hauptleute und selbst Leutnants. Entscheidend war nur, daß sie das persönliche Vertrauen des Königs besaßen. Es kam aber auch vor, daß einfache Bürger Potsdams hinzugezogen wurden. Unter den strengen hierarischen Bedingungen des 18. Jahrhunderts war dies die merkwürdigste Gesellschaft, die sich in Europa finden ließ. Alle Rangunterschiede waren für drei, vier Stunden, so lange man zusammensaß, gänzlich aufgehoben. Betrat der König den Raum, so durfte sich niemand erheben. Alle hatten sich ungezwungen zu geben und frei von der Leber weg zu sprechen. Je derber und deftiger es zuging, desto wohler fühlte sich Friedrich Wilhelm. Auch Scherze auf seine Kosten waren durchaus erlaubt; nur Zoten und Zweideutigkeiten waren streng verpönt. Hier, im Tabakkollegium, fühlte sich Friedrich Wilhelm nicht als Monarch, sondern als Mensch. Der strenge Absolutismus, den er tagsüber praktizierte und unter dem Preußen erzitterte, war abends in diesem Kreise außer Kurs gesetzt. Das Tabakkollegium war in sich eine durchaus demokratische Institution. Man saß auf blankgescheuerten Holzschemeln um eine lange einfache Tafel. Vor jedem Gast lag eine kurze holländische Tonpfeife. Auch der Tabak, der in geflochtenen Körbchen bereitstand, war holländisch und zwar von einfachster Sorte, die nicht viel gekostet hatte ... Wer Nichtraucher war, mußte wenigstens eine kalte Pfeife zwischen die Zähne nehmen, wobei er dann eigentlich schon nicht mehr als vertrauenwürdiger Kerl galt. Kupferne Pfannen mit glimmendem Torf dienten zum Anzünden der Pfeifen. Vor jedem Gast stand ein weißer Krug mit schäumendem Bier, das aus Potsdam, Köpenick oder dem Braunschweigischen stammte. Im Nebenraum stand ein Tisch mit Butterbroten, westfälischem Schinken, Kalbsbraten oder Mettwurst aus Lüneburg. Lakaien gab es nicht; jeder mußte sich selbst bedienen. Manchmal machte der König persönlich den Wirt." (in: Wolfgang Venohr: Der Soldatenkönig - Revolutionär auf dem Thron, ebenda, S. 127-128).
Neben allem Militärischen und der Jagd liebte Friedrich Wilhelm I. das Essen: "Das Essen und Trinken schmeckten ihm über alle Maßen, und so sehr er sich in der Gewalt hatte, wenn es um das liebe Geld ging, so wenig gab er auf sich acht, wenn er die Serviette vor das Kinn band, nach Messer und Gabel griff und reinhaute, als gelte es nicht zu essen, sondern eine Schlacht zu schlagen. Sein Bauch rundete sich zusehends, seine Taille maß 1,26 Meter, seine Gesamterscheinung wirkte klotzig: kurz und breit. Mit fünfzig Jahren wog er fast dreihundert Pfund, obwohl er nur 1,65 Meter groß war." (in: Wolfgang Venohr: Der Soldatenkönig - Revolutionär auf dem Thron, ebenda, S. 176).
"Womit sich der Soldatenkönig aber selbst das Wohlwollen seiner wenigen Freunde und Sympathisanten verscherzte, das war seine ungehemmte Prügelsucht, war sein Prügelfetischismus, mit dem er wirklich Furore in der preußischen Geschichte gemacht hat. ... Als Junge schon hatte er jeden verprügelt, der nicht so wollte wie er. Und je älter er wurde, desto mehr ließ er sich in seinen Leidenschaften gehen, ließ er seiner überkochenden Wut die Zügel schießen. Er schlug mit der Faust, und er schlug mit dem Stock. ... er prügelte mit wahrer Lust und Leidenschaft, bis ihm der Arm lahm wurde oder der Atem ausging. Dabei lief er im Gesicht dunkelrot an, die stieren blauen Augen traten ihm fast aus dem Kopf hervor ... [er war] ein Mensch ohne alle Selbstdisziplin und ohne jede Spur von Selbstkritik. Nur vor seiner Frau und vor den Offizieren seiner Armee machte der Buchenstock halt. (Einmal hatte er sogar gegen einen Major vor der Front des Regiments den Stock erhoben. Doch der hatte sofort seine Pistole gezogen, zuerst dem König vor die Füße und dann sich selbst in den Kopf geschossen.) ... Selbst hochgestellte Staatsbeamte bekamen seinen Zorn in Gestalt von Hieben zu spüren. ... Seine persönlichen Bedienten, die Köche, Kutscher und Lakaien mit dem Stock durchzuprügeln, war ihm ein unstillbares Bedürfnis. ... Wir werden noch sehen, daß er mit derselben Wut und Raserei gegen die eigenen Kinder vorging ... Wir [Friedrich Wilhelm I.] sind doch Herr und König, und Wir können thun, was Wir wollen." (in: Wolfgang Venohr: Der Soldatenkönig - Revolutionär auf dem Thron, ebenda, S. 178-180/205).
Im Jahr 1730 hielt Wilhelmine (1709-1758), die älteste Tochter von Friedrich Wilhelm I., in ihren Memoiren fest, welche Gründe ihr Bruder Friedrich II. ihr gab, warum er nach England fliehen wollte: "Du [Wilhelmine] predigst mir [Friedrich II.] stets Geduld, willst Dich aber nie an meine Stelle setzen. Ich bin der unglücklichste aller Menschen, von Morgens bis Abends von Spionen umgeben, die allen meinen Worten und Handlungen eine schlechte Auslegung geben. Man verbietet mir die unschuldigsten Erholungen, ich wage nicht zu lesen, die Musik ist mir untersagt und ich genieße diese Vergnügungen nur verstohlen und zitternd. Was mich aber vollends zur Verzweiflung gebracht hat, ist der Vorfall, der mir zuletzt in Potsdam begegnet ist, und den ich der Königin nicht habe erzählen wollen, um sie nicht zu beunruhigen. Als ich eines Morgens in des Königs Zimmer trat, ergriff er mich sogleich bei den Haaren und warf mich zu Boden, wo er dann, nachdem er die Kraft seiner Arme an meinem armen Leibe geübt, mich trotz meines Widerstandes zu einem nahen Fenster schleppte. Er hatte im Sinne, das Handwerk der Stummen im Serail auszuüben, denn er nahm dort die Vorhangsschnure und schlang sie mir um den Hals. Ich hatte zum Glücke für mich noch Zeit genug aufzustehen, ergriff seine beiden Hände und fing an zu schreien. Ein Kammerdiener kam mir sogleich zu Hilfe und riß mich aus seinen Händen. Täglich bin ich nun ähnlichen Gefahren ausgesetzt und mein Elend ist so grenzenlos, daß es nur durch gewaltsame Mittel [nämlich die Flucht nach England] geendet werden kann." (in: Memoiren der Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth, Schwester Friedrichs des Großen, ebenda, S. 145).